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Tom McGrath auf der ComicCon in San Diego
"Ich schaffe gerne neue Welten"
Interview: Tom McGrath mag's animiert
Seit der Geburtsstunde des Computer animierten Trickfilms arbeitet Tom McGrath an vorderster Fronst mit. Bereits für Ralph Bakshis "Cool World" (1992) und die Animations-Sequenzen des Michael-Jordan-Vehikels "Space Jam" (1996) kreierte der Amerikaner die digitale Welten aus Bits und Bytes. Als Koregisseur fungiert er in "Madagascar" und wiederholte den Erfolg mit der Fortsetzung "Madagascar 2". Auch bei "Megamind 3D" führte er Regie. Im Interview mit Filmreporter.de erzählt uns McGrath von dem schwierigen Entstehungsprozess des neuen Animations-Spaßes aus dem Hause DreamWorks.
erschienen am 3. 12. 2010
Paramount Pictures
Brad Pitt auf der "Megamind"-Premiere
Ricore: Kann ein Storyboard in einem Film wie diesem je fertig sein?

Tom McGrath: Das ist wie die Frage, wann und ob ein Film oder ein Gemälde je fertig sein können. Die Arbeit am Storyboard steigt gegen Ende der Produktion nochmal steil an. Wir haben über anderthalb Jahre an dem Film gearbeitet und besonders in den letzten vier Monaten hat es nochmal Änderungen am Ablaufplan gegeben. Animationen funktionieren nicht wie ein Live-Dreh. Dort schließt man einzelne Sequenzen ab und kommt dann nochmal zu ihnen zurück, um sie mit anderen abzustimmen. Bei einem Animationsfilm muss man nicht alles drehen, um sich dann zu wünschen, verschiedene Sachen anders gemacht zu haben. Deswegen mochte ich das "Megamind"-Storyboard so gerne.

Ricore: Haben sie Brad Pitt und Will Ferrell zu "Megamind" überreden müssen?

McGrath: Ich war sehr glücklich über ihre Besetzung. Ihr Schauspiel und ihr Improvisationstalent hat viel zu den Charakteren beigetragen. Sie gaben ihren Figuren erst Profil. Das habe ich bei "Madagascar" mit Chris Rock schon erlebt. Es macht viel aus, wenn man gute Improvisationkünstler an Bord hat. Aber es liegt auch viel an den Autoren. Die Figuren müssen von A nach B gelangen, aber es gibt viele Wege, um ans Ziel zu gelangen.

Ricore: Wie sind Sie bei den Aufnahmen der Sychronstimmen vorgenommen?

McGrath: Wir haben viel improvisiert. Einen Monat war Will Ferrell da, im nächsten Tina Fey. Wir haben ihr erzählt, was Ferrell gemacht hat, worauf sie neue Ideen für ihre Zeilen einbrachte. Als Will Ferrell nach zwei Wochen nochmal zu den Aufnahmen kam, hat er wieder neue Ideen beigesteuert. Manchmal hat es bis zu acht Monaten gedauert, bis wir mit einer Sequenz zufrieden waren. Aber das war es wert. Da in "Megamind" auch eine Liebesszene mit Tina und Will vorkommt, war die Chemie zwischen den beiden besonders wichtig. Wir haben beide jeweils drei Mal aufgenommen, wobei sie sich gegenseitig zu übertrumpfen versuchten. Am Ende hatten sie ein tolles Timing, das man nicht künstlich herstellen kann. Einen Animationsfilm herzustellen ist wegen der Technik und der Zeitplanung sehr aufwendig.
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Megamind 3D
Ricore: Ist es einfacher, einen Animationsfilm zu drehen als einen Realfilm, weil man auf keine physikalischen Grenzen Rücksicht nehmen muss? Oder hat man zu viel Freiheit, so dass man am Ende nicht zum Punkt kommt?

McGrath: Nein. Diese Gefahr besteht nur kurz und zwar am Anfang. Aber sobald man weiß, in welche Richtung die Geschichte geht, läuft es wie am Schnürchen. Irgendwann hat alles, was du tust, einen Grund. Ein Beispiel: Im ersten Teil von "Madagascar", der in New York spielt, konnten wir die Metropole mit dem Computer nicht nachbauen. Die Stadt war zu komplex. Also haben wir Ausschnitte von New York fotografiert, diese nachgezeichnet und in den Bildhintergrund eingefügt. Acht Jahre später konnten wir für "Megamind" eine ganze Stadt erschaffen, bis zu den kleinsten Details. Das war ein großer technischer Durchbruch für uns. Was schwierig zu animieren bleibt, ist Wasser. Eine Regenszene kostet viel Geld, weil ihre Entstehung sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Es ist schon witzig, dass die einfachsten Dinge der Realität am Computer so schwierig herzustellen sind.

Ricore: Wie ist es mit den Kleidern der Figuren?

McGrath: Besonders Capes und ähnliche Kleidungsstücke sind schwer darzustellen. Aber wenn man Figuren hat, die fliegen können, will man natürlich auch die Feinheiten haben. Die Figur bleibt zum Beispielt stehen und das Cape bewegt sich weiter. Das gehört zu Superhelden und dem Genre dazu. Es war aufregend, den Technikern zuzusehen, wie sie diese Schwierigkeiten meisterten. Sie haben die Stoffbewegungen genau studiert, indem sie die Sachen selbst anprobiert und ihre Bewegung mit der Kamera aufgenommen haben. Das war sehr interessant.

Ricore: Wie schwierig war es für Sie, einen Bösewicht zu kreieren, der auch eine liebenswerte Seite hat?

McGrath: Das war schon eine besondere Herausforderung, weil der ganze Film um diese Bösewicht-Figur herum konzipiert ist. Normalerweise hassen die Leute den Schurken. Oder sie lieben es, ihn zu hassen. Die Herausforderung war, einen Charakter zu erschaffen, mit dem die Zuschauer Sympathie empfinden. Dafür muss er eine erkennbar verletzliche Seite haben und menschlich erscheinen. Wenn man nicht von Anfang an einen Draht zur Figur entwickelt, ist es einem egal, was mit ihr passiert. Da haben die Autoren gute Arbeit geleistet und eine stimmige Geschichte erzählt, was sehr wichtig ist. Natürlich haben auch Will Ferrell und die anderen Synchronsprecher ihren Teil dazu beigetragen. Ferrell hat zwar einen fiesen Bösewicht gespielt, aber hat auch seine menschliche Seite durchschimmern lassen.
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Tom McGrath ist gut gelaunt
Ricore: Haben sie bei der Auswahl der internationalen Synchronstimmen mitbestimmt?

McGrath: Das machen eher die Casting-Direktoren der einzelnen Länder. Die kennen die talentierten Synchronsprecher ihres Landes besser als wir in der Ferne. Bei der Synchronisation ist es wichtig, nicht einfach wörtlich zu übersetzen. Es geht darum die Aussage des Films in die jeweilige Kultur zu transponieren. Die Synchronstimmen haben da eine gewisse Freiheit, um ihre Eigenheiten in den Charakter einzubringen.

Ricore: Der Soundtrack ist sehr rocklastig. Wer in ihrem Team ist der Rockfan?

McGrath: Ich bin der Schuldige. Der Rock ist Teil meiner Junior-Highschool-Vergangenheit. Ich erinnere mich daran, wie meine Eltern bei AC/DC die Stirn gerunzelt haben. Die Gruppe war damals tabu. Heute ist diese Musik viel mainstreamiger. Das Konzept war, den bösen Charakter vom guten mit der Musik zu unterscheiden und so kam ich auf Alice Cooper und Elvis Presley. Das spiegelt sich auch in den Kostümen wider. Die Lederkluft mit Nieten charakterisieren Megamind, die funkelnden Sternchen-Klamotten Metro Man. Der von vielen gefürchtete Alice Cooper steht auf der einen, der von allen geliebte Elvis auf der anderen Seite.

Ricore: Wie aufwendig war die Arbeit, den Film in 3D herzustellen?

McGrath: Am Anfang hat es mir Sorgen gemacht, weil ich bis dahin noch keinen 3D Film gemacht hatte. Aber wie in 2D ging es zunächst einmal darum, einen guten Film zu machen. Was mir an 3D gefallen hat, war die Tatsache, dass man hier nicht so viel schneiden muss. Man denkt zwangsläufig in älteren Kategorien des Kinos. An eine Zeit, als das Schauspiel sich noch gegen Nahaufnahmen zur Wehr setzte und eine Einstellung noch länger dauern durfte. Als die Kamera am Geschehen noch teilnahm, beweglich und damit sichtbar war. Meiner Meinung nach sind die klassischen Regeln des Kinos durchaus mit der 3D Technik vereinbar. Das war eine große Entlastung. In diesem Sinne kam die Stereoskopie vor allem in den langsameren und emotionaleren Szenen gut zum Tragen. Wenn zum Beispiel eine Figur einsam war, kam das durch einen großen, voluminösen Raum mit einer kleinen Figur in der Mitte besonders gut zur Geltung. Außerdem kann man mit 3D auch die Zuschauer besser an intimen Momenten teilhaben lassen.

Ricore: Wird in Zukunft 3D zur Pflicht und 2D aussterben?

McGrath: Ich finde nicht, dass jeder Film in 3D sein soll. Dieser Superheldenfilm musste aber natürlich ein 3D Animationsfilm sein und ich fand es toll in 3D zu arbeiten. Es ist für mich wie eine weitere Farbe, die man zur Verfügung hat. Man kann damit Raumtiefe erzeugen und eine größere emotionale Wirkung ermöglichen. Ich würde gerne noch einen 3D-Film machen, weil mir die Arbeit daran viel Spaß gemacht hat und ich weil ich viel daraus gelernt habe.
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Megamind
Ricore: Kann ein Bösewicht nur so böse sein, wie es sein Sidekick zulässt? Megamind scheint erst mit Minion ein böses Ganzes zu ergeben.

McGrath: Ich mag die Beziehung der beiden zueinander. Es ist ein bisschen so wie mit Batman aus der Serie mit Adam West. Batman ist hier immer von seinem Partner Robin abhängig. Er musste diesen immer um Rat fragen und Robin hatte immer eine Antwort parat. Diese Beziehung fand ich sehr lustig. Minion in "Megamind" ist auch so eine Stimme der Vernuft. Anders als Megamind ist er ein bodenständiger Charakter. Die Beziehung der beiden zueinander und ihre Freundschaft war mir genauso wichtig wie die Romanze zwischen Megamind und Roxanne.

Ricore: Sie haben mit "Madagascar 2" schon mal ein Sequel gedreht. Eine Fortsetzung für Megamind wird eher schwierig, oder?

McGrath: Naja, man plant nicht jeden Film extra mit einem offenen Ende, um eine Fortsetzung drehen zu können. Das kann man natürlich anstreben. Aber letztlich entscheidet das Publikum, ob es ein Sequel geben wird oder nicht. Wer weiß, was kommen wird? Dieses Superhelden-Universum ist auf jeden Fall eine lustige Welt, in der man viel Spaß haben kann. Ich hätte auch locker einen dreistündigen Film draus machen können.

Ricore: Was ist ihr nächstes Projekt?

McGrath: Urlaub! Ich habe drei Filme hintereinander gemacht. Es war toll für mich, mit Ben Stiller arbeiten zu können, uns verbindet eine langjährige Freudschaft. Er hat mich auf "Megamind" gebracht und die Geschichte war zu gut, um sie auszuschlagen.

Ricore: Kann ein guter Animationsfilm-Regisseur auch gute Realfilme machen? Planen Sie in diesen Richtung?

McGrath: Darüber habe ich schon nachgedacht. Es kommt aber darauf an, welche Art von Geschichte man erzählen will. Es gäb ein paar gute Ideen für einen Live-Action Film. Aber ich liebe den Animationsfilm, weil ich gerne mit anderen Künstlern zusammen neue Welten auf einem Schmierblock entstehen lasse. Bei Animationsfilmen hat man über alles die Kontrolle behalten, über die Welt, über das Licht, die Geschichte. Man muss nicht auf das richtige Licht warten. Man hat 24 Stunden am Tag die richtige Beleuchtung.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 3. Dezember 2010
Zum Thema
Tom McGrath wird am 7. August 1965 in Washington geboren. Schon als Kind interessiert er sich für Cartoons und dreht mit seinem Bruder kleine Stop-Motion Filme. Für McGrath steht fest, dass er nach seinem Industrie-Design-Studium etwas Kreatives machen will. In den 1990er Jahren arbeitet er als Regisseur der Zeichentrickserie "The Ren & Stimpy Show" fürs Fernsehen. Mit dem Kinofilm "Madagascar" schaffte er 2005 seinen Durchbruch als Animationsregisseur. Außerdem leiht er als Synchronsprecher..
Megamind 3D (Kinofilm)
Megamind ist der brillanteste Bösewicht, der jemals existierte. Doch seinem Ziel, die Stadt Metro City zu erobern, steht Superheld Metroman im Weg. Nachdem Megamind diesen endlich besiegt hat, gerät er in eine Existenzkrise. Um seinem Leben wieder einen Sinn zu geben, erschafft er mit Titan einen neuen Helden. Doch dieser denkt nicht daran, der Gute zu sein. Mit "Megamind" möchte Brad Pitt und Will Ferrell sorgen.
2024