Universal Pictures International
Ron Howard auf der "Dickste Freunde"-PK in Berlin
Oscar macht Mut
Interview: Ron Howards Achterbahnfahrt
Ron Howard war als 18-monatiges Baby zum ersten Mal in einem Film zu sehen. Seine Darstellerkarriere nahm in den Folgejahren seinen Lauf. Als Teenager interessierte er sich zunehmend für die kreative Arbeit hinter der Kamera. Über die Jahre entwickelte sich Howard zu einem der erfolgreichsten Filmschaffenden Hollywoods. Sein Regiewerk "A Beautiful Mind - Genie und Wahnsinn" wurde 2002 mit vier Oscars ausgezeichnet. Mit "Dickste Freunde" realisierte der rothaarige Amerikaner nun eine Komödie, die ihm spielerischen Freiraum lies, wie er im Interview seine Intention erklärt.
erschienen am 26. 01. 2011
Universal Pictures International
Dickste Freunde
Ricore: Der Cast in "Dickste Freunde" ist sehr prominent. Wer stand als erster auf der Besetzungsliste?

Ron Howard: Das war Vince Vaughn. Er hat die die Idee zum Film gemeinsam mit Brian Grazer entwickelt, noch bevor ich an Bord war. Als ich das Buch gelesen habe, wusste ich, dass nur Vince der Richtige wäre, um die eigentlich ernste Rolle komisch umzusetzen. Ich interessierte mich für ihn auch wegen seines Improvisationstalents. Die Improvisation ist etwas, das mich sehr interessiert. Eines Tages möchte ich einen Film machen, der zu100 Prozent improvisiert ist, ähnlich wie dies auch Mike Leigh tut. Zu dieser Sorte Film gehört "Dickste Freunde" definitiv nicht. Wir hatten ein starkes Drehbuch. Jeder Charakter hat eine ungewöhnliche und interessante Szene, sodass ein starkes Schauspieler-Ensemble nötig war.

Ricore: "Dickste Freunde" ist eine Komödie. Haben Sie die Nase voll von ernsten Dramen und Verschwörungs-Thrillern?

Howard: Der Film war tatsächlich eine spielerische Pause für mich. Obwohl es in "Dickste Freunde" ernsthafte Momente gibt, hat es Spaß gemacht, das Komische aus diesen Momenten herauszuarbeiten. Hätte ich diesen Film vor zehn Jahren gedreht, wäre er sicher anders ausgefallen. Selbst die Musik hätte früher anders geklungen. "Dickste Freunde" ist weniger streng, als meine anderen Filme.

Ricore: Wenn das Drama also Ihr Sport ist, dann ist die Komödie für Sie die Wellnessdusche?

Howard: Als Schauspieler habe ich meist in Komödien gespielt. Aus diesem Grund dachten viele, dass auch meine ersten Filme als Regisseur in diese Richtung gehen würden. Aber ich wollte mich weiter entwickeln. Insofern war es toll, nun einen Film zu machen, der wiederum überrascht. Ich wollte einen Film machen, der für sich selbst steht und originell ist. Vor allem sollte er spielerisch wirken. Es fühlte sich gut an, jeden Tag ans Set zu gehen, um dort Humor zu erzeugen.
Sony Pictures
Regisseur Ron Howard bei der Weltpremiere von "Illuminati" in Rom
Ricore: Wie schwierig ist es, die Menschen zum Lachen zu bringen?

Howard: Ich denke, das ist das Schwierigste, das man machen kann. Komödie ist eine besondere Art von Musik. Ich habe zwar einen guten Sinn für Humor und einen guten Draht zu den Schauspielern, aber ich bin kein Komödien-Autor. Ich könnte nicht alleine eine Komödie inszenieren. Ich betrachte mich eher als Coach, der ein Umfeld schaffen kann, in dem gute Ideen entstehen können.

Ricore: Sie bewegen sich in unterschiedlichen Genres. Gibt es in dieser Vielfalt einen roten Faden, vielleicht einen gemeinsamen thematischen Nenner?

Howard: Ich liebe alle Genres. Am meisten interessiere ich mich aber für die Dynamik einer Familie bzw. einer Gruppe, deren Zusammenhalt familiären Strukturen ähnelt. Außerdem fasziniert mich die Art und Weise, wie große Dinge erzielt werden. Ich liebe es zu beobachten, wie eine Gruppe zusammenarbeitet, um etwas zu erreichen. Zurzeit arbeite ich an "The Dark Tower", der viele Fantasy- und Horrorelemente enthält. Vor einigen Jahren habe ich mit "The Missing" einen Western realisiert. Es ist also schwierig, da einen roten Faden zu finden. Ich reagiere einfach emotional auf Ideen und wenn ich eine emotionale Verbindung zu einer Idee oder den Charakteren fühle, dann baue ich darauf auf.

Ricore: Sie sagten, Sie machen gerne Filme über familiäre Strukturen. Gleichzeitig leben Sie in einer intakten Familie. Was für Filme würden Sie machen, wenn Sie in einer dysfunktionalen Familie leben würden oder alleinstehend wären?

Howard: Wer weiß, wofür ich mich dann interessieren würde. Meine Familie beeinflusst mich schon sehr stark. Ich bin sehr stolz auf sie und glücklich, dass wir gut miteinander auskommen. Ich weiß dieses Glück zu schätzen, denn mir ist bewusst, dass die Idee von einer vollkommenen Familie ein Mythos ist. Diesem Mythos will ich in "Dickste Freunde" an den Kragen. Der Film handelt vordergründig zwar von Untreue, aber mehr noch geht es darin um all die größeren Konflikte, die Beziehungen bedrohen. Man kann sich niemals eines anderen Menschen sicher sein, selbst jenen nicht, die du am meisten liebst.
Buena Vista International (Germany)
Gelöst: Ron Howard mit Produzent Brian Grazer auf der US-Premiere
Ricore: Werden Sie einen weiteren Roman von Dan Brown verfilmen?

Howard: Ich weiß es nicht. Es gibt schon ein neues Drehbuch. Ich habe darüber bereits mit Tom Hanks gesprochen, der durchaus Interesse bekundet hat - wer weiß. Nach "The Da Vinci Code - Sakrileg" wussten wir nicht, dass wir schon bald "Illuminati" realisieren werden, bis wir ein interessantes Buch vor uns hatten. So ähnlich werden wir die Situation einschätzen, wenn wir eine adäquate Drehbuchfassung von "Das verlorene Symbol" haben.

Ricore: Wie viele Takes benötigen Sie mehr, wenn Sie eine Szene improvisieren?

Howard: Das hängt vor allem von den Schauspielern ab. Wir haben mit Jim Carrey bei "Der Grinch" sehr viel improvisiert, das waren vielleicht ein Dutzend Takes. Mit Vince und Kevin waren es nur zwei oder drei. Meistens spielen wir erst zwei Mal die Szene nach dem Drehbuch und versuchen es dann mit der Improvisation. Manchmal halten wir uns dann wieder an das Skript und nehmen nur paar Zeilen aus der improvisierten Version. Wir hatten kein großes Budget, daher haben wir so schnell gearbeitet, wie wir konnten.

Ricore: Weshalb haben Sie sich für einen Film entschieden, der vermutlich keine Preise oder einen Oscar bekommen wird?

Howard: Ich hatte das Verlangen etwas Spielerisches zu machen. Es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass eine Komödie viele Auszeichnungen bekommt, außer es geschieht vielleicht ein Wunder. Das weiß man nie. "Splash - Eine Jungfrau am Haken" wurde für einen Academy Award nominiert und "Eine Wahnsinnsfamilie" auch für mehrere Preise. Ab und an passiert das mal, aber normalerweise eher nicht. Ich hatte nicht das Gefühl, einen Film für Kritiker und Awards zu drehen. Ich dachte, der Film könnte originell sein. Ein Film, an den man sich erinnert und der sich von anderen unterscheidet. Er ist frisch, lustig und etwas düsterer, als es die Zuschauer erwarten. Vor allem aber habe ich eine gute Erfahrung mit den Schauspielern und ihrer Arbeit an den komplexen Szenen gemacht. "Dickste Freunde" ist einerseits komödiantisch und anderseits ehrlich, romantisch und auch dramatisch. Mich haben die Geschichte fasziniert und die Möglichkeit, mit diesen unterschiedlichen Darstellern zu arbeiten.

Ricore: Kam es Ihnen auch entgegen, dass die Post-Produktion bei diesem Projekt nicht so aufwendig war, wie Sie es von anderen Werken gewohnt sind?

Howard: Die Komödie hat nicht so viele Spezialeffekte. Das ist kein Grund für die Auswahl eines Filmes, aber ich war mir sicherlich bewusst, dass wir dieses Projekt innerhalb eines Jahres komplett fertigstellen konnten, von Anfang bis Ende. Das ist ungewöhnlich. Aber die Post-Produktion war trotzdem sehr herausfordernd. Ich habe mir den Film mehrmals angesehen, um abzuschätzen, wie die verschiedenen Zwischentöne wirken und ob das Thema und die Darsteller funktionieren. Da haben wir sehr viel Feinarbeit geleistet und vieles vom ersten bis zum letzten Schnitt geändert.
Sony Pictures
Regisseur Ron Howard am Set
Ricore: Was hat sich hierbei verändert?

Howard: Wir haben versucht, soviel Witz einzubauen, wie es möglich war und gleichzeitig die Balance zu halten. Uns wurde bewusst, wie ernst die Menschen das Thema nehmen. Wir haben die Richtungen einiger Szenen geändert, damit der Film geheimnisvoller bleibt und nicht alle Informationen gleich zu Beginn preisgibt. Solche Dinge eben, denn in gewisser Weise ist es ein Komödien-Mysteryfilm.

Ricore: Sie haben für "A Beautiful Mind" zwei Oscars bekommen. Wo bewahren Sie ihre Trophäen auf?

Howard: Ich habe in meinem Haus ein Büro, das eigentlich eine Bibliothek mit einem Schreibtisch ist. Ich habe das Glück, dass ich mehrere glänzende Figuren über die Jahre bekommen habe, die ich dort ausstellen kann. Wenn ich dann eine schlechte Kritik lese, sehe ich von meinem Schreibtisch hoch auf meine Auszeichnungen und alles ist wieder gut [lacht]. Filmemachen ist eben eine Achterbahnfahrt.

Ricore: Jennifer Connelly wurde für "A Beautiful Mind" als beste Nebendarstellerin mit einem Oscar geehrt. Inwiefern ist das auch Ihr Verdienst?

Howard: Ich freue mich sehr für sie. Ich bin immer begeistert, wenn meine Schauspieler für einen wichtigen Award nominiert werden. Ich habe einen gewissen Stolz, was die Beziehung zu den Darstellern angeht, aber ich weiß auch, dass ich als Regisseur nicht die Arbeit der Schauspieler mache. Ich helfe ihnen, unterstütze sie dabei und treffe vielleicht die richtigen Entscheidungen im Schnittraum. Aber das ist schließlich im Interesse meines Films. Die Schauspieler hingegen kreieren die Momente. Vor allem die Momente, welche die hervorragenden Darsteller von den durchschnittlichen unterscheiden.
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Kevin James, Ron Howard und Winona Ryder in Berlin
Ricore: Sie gehören zu den Filmemachern, die zuerst geschauspielert haben und dann als Regisseur erfolgreich wurden. Wie kamen sie zum Regiefach?

Howard: Schon als Kind habe ich mich immer dafür interessiert. Als ich ein Teenager war, hab ich einige kleinere Filme gemacht. Ich wollte schon immer hinter der Kamera arbeiten und auch einen entsprechenden Abschluss machen. Ich glaube, es passt besser zu meiner Persönlichkeit. Und ich liebe Geschichten. Es ist einfacher für mich, in vollem Maße für den Film verantwortlich zu sein, als zu wissen, ich habe nur einen kleinen Teil dazu beigetragen. Egal, ob es ein Erfolg oder eine Enttäuschung war. Ich übernehme gerne die volle Verantwortung für einen Misserfolg, wenn ich genauso den Stolz meiner Errungenschaften verspüren kann.

Ricore: Haben Sie für die Umsetzung von "The Dark Tower" bereits Stephen King getroffen?

Howard: Ja, habe ich. Es geht ihm sehr gut. Er ist ununterbrochen am Schreiben und liebt es. Er ist sehr kreativ und unterstützt unsere Ideen für die Adaption [von "The Dark Tower"]. Beim Fantasy-Horror-Film ist er auch als ausführender Produzent tätig und hat jede Menge über die Adaption zu sagen. Diese Geschichte reflektiert sein Lebenswerk. Aber er hat eine sehr entspannte Ansicht. Für ihn sind die Adaptionen seiner Bücher für das Fernsehen oder das Kino etwas anderes. Er unterscheidet da dezidiert. Für ihn sind es zwei verschiedene Dinge. Ihn interessiert, was andere kreative Köpfe mit seinen Geschichten anstellen können, solange der Grundgedanke der Geschichte erhalten bleibt und die Menschen diesen verstehen.

Ricore: Wie kommt es, dass Komödien es heutzutage schwer haben, als anspruchsvolle Kunst betrachtet zu werden?

Howard: Ich bin kein Filmhistoriker, um das gut genug zu beurteilen. Aber ich denke, das war bis zu einem bestimmten Grad schon immer so. Irgendwie hat es etwas Masochistisches an sich. Wir empfinden etwas als tiefgründiger, wenn es kritisch ist oder jemand für seine Taten bestraft wird. Wir haben diese Art der Katharsis. Lacher werden hingegen als einfacher und spielerischer abgestempelt. Dabei wissen die Leute, die für Gelächter sorgen, genauestens, wie sie es gut vermitteln können. Das ist wirklich eine Kunst. Was ich an den Golden Globes besonders mag, ist, dass es für dieses Genre eine eigene Kategorie gibt. Ich wünsche mir, dass auch bei anderen Awards dieser Unterschied zur Geltung kommen würde.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 26. Januar 2011
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Dickste Freunde (Kinofilm)
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2024