Paramount Pictures
Michael Kessler bei der Premiere von "Rango" in Berlin
"Qualitatives hält länger"
Interview: Michael Kessler mag's anspruchsvoll
Michael Kessler hat viele Gesichter. Das ist zumindest in "Switch reloaded" der Fall. So ist er kaum zu erkennen, wenn er in der Comedy-Sendung zu Günther Jauch oder Florian Silbereisen wird und die Prominenten durch den Kakao zieht. Nach zahlreichen Parodien schlüpft der Comedian nun in die Rolle des Bösewichts. In der deutschen Synchronfassung von "Rango" wird Kessler zur fiesen Schlange, die ihre Gegner gnadenlos zur Strecke bringt. Zum Kinostart des Animationsabenteuers spricht er mit Filmreporter.de über sein Verhältnis zu Schlangen und sein Verständnis von Humor.
erschienen am 3. 03. 2011
Paramount Pictures
Rango
Ricore: Wie haben Sie sich auf ihre Rolle als Schlange vorbereitet?

Michael Kessler: Ich bin nicht in den Zoo gegangen. Ich weiß in etwa, wie eine Klapperschlange aussieht. Es war sehr überraschend, für den Job in Betracht gezogen zu werden. Es war aufregend und eine Herausforderung, weil es meine erste Sprechrolle war.

Ricore: ...und dann gleich als Schlange...

Kessler: Überraschend war schon, für die Rolle des Bösewichts angefragt zu werden. Normalerweise mache ich ja viel Unsinn im Fernsehen und bin eher der sympathische Schwiegersohn von nebenan. Beim Casting hatte ich daher Zweifel, ob das was wird.

Ricore: Wie sind Sie an die Rolle herangegangen?

Kessler: Als die Zusage aus Hollywood kam, habe ich mich bei der Rollengestaltung an Bill Nighy orientiert, der die Schlange in der Originalfassung spricht. Er hat die Latte sehr hoch gelegt und ich habe mich bemüht, ihm zu entsprechen. Das heißt, ich wollte der Figur nicht meinen eigenen Stempel aufdrücken. Ich hasse es, wenn deutsche Synchronsprecher etwas völlig anderes machen als der Sprecher der Urfassung. Die Rolle ist erfunden und als Synchronsprecher sollte man das genau so wiedergeben.

Ricore: Ist die Gestaltungsfreiheit in ihrem Fall auch eingeschränkt, weil Sie sich als Comedian ein bestimmtes Image erarbeitet haben?

Kessler: Es ist oft so, dass für Animationsfilme irgendwelche Promi-Nasen engagiert werden. In "Rango" ist es interessant zu sehen, dass ich der einzige prominente Sprecher bin. Ansonsten werden alle Figuren von professionellen Synchronsprechern gesprochen, vor denen ich großen Respekt habe.
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Michael Kessler bei der Premiere von "Rango" in Berlin
Ricore: Normalerweise stellt man sich bei der Synchronisation in eine Box und befolgt die Anweisungen des Regisseurs. Bei "Rango" herrschte im Original eine Bühnensituation. War es in Deutschland ähnlich?

Kessler: Leider nicht. Ich hätte gerne unter diesen Bedingungen gearbeitet. Im Original war es so, dass sich Gore Verbinski mit den Sprechern auf die Bühne begeben und die Szenen geprobt hat. Ich finde, das ist eine tolle Idee. Es macht den Film lebendiger. Außerdem schimmert dadurch auch etwas von den Sprechern durch. In der Originalfassung fühlt man regelrecht den Humor und die Gestik von Johnny Depp.

Ricore: Hat man Ihnen den fertigen Film gezeigt, bevor sie mit der Arbeit an der Rolle anfingen?

Kessler: Nein, ich hatte nur die Aufnahmen vor mir, die für mich vorgesehen waren. Die waren dazu noch in Schwarzweiß und mit dem Paramount-Logo versehen, damit ja keiner eine Raub-Kopie von dem Film macht.

Ricore: Welches Verhältnis haben Sie zu Schlangen?

Kessler: Ich habe nach wie vor Angst vor Schlangen. Das wird sich auch nach diesem Film nicht ändern. Es gibt in "Rango" viele Bösewichte, aber Rattlesnake Jake ist schon unheimlich. Man hat Angst vor ihm.

Ricore: Welche fiesen Eigenschaften haben Sie vorzuweisen?

Kessler: Als Schauspieler ist es meine Aufgabe, Dinge künstlich herzustellen. Man muss über eine Technik verfügen, mit der man sich in die dunklen Seiten eines Charakters hinein versetzt.
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Ricore: Wie sind Sie zur Schauspielerei gekommen?

Kessler: Ganz langweilig und klassisch. Ich war nicht jemand, der mit drei Jahren schon gesagt hat, dass er Schauspieler werden will. Ich bin in der Schulzeit mehr oder weniger in die Theater-AG gedrängt worden. Später machte ich Statisterie im Wiesbadener Theater. Erst nach dem Zivildienst habe ich mir überlegt, was ich machen soll. Dann habe ich es einfach mit der Schauspielerei probiert. Nach "Manta, Manta", der sich direkt an die Schauspielschule anschloss, ging ich erst mal ans Theater. Nach sechs Jahren kam ich dann zum Fernsehen.

Ricore: Sie sind zwar sehr präsent, haben aber dennoch nicht diesen großen Star-Status. Vermutlich können Sie unerkannt und unbelästigt durch die Stadt gehen.

Kessler: Auf "Manta Manta" werde ich bis heute angesprochen. Vorher bin ich nicht so oft erkannt worden. In "Switch" hat die Maske mich verborgen, aber in der "Schillerstraße" war ich als Michael zu sehen, das hat viel verändert.

Ricore: War Ihnen das Unerkanntsein lieber?

Kessler: Das ist unterschiedlich. Es gibt Tage, da werde ich gar nicht erkannt und andere, wo mich jede Minute einer erkennt. Beides hat seine Vor- und Nachteile. Damit muss ich leben, das habe ich mir ausgesucht.

Ricore: Bei "Switch reloaded" schreiben Sie an den Sketchen mit. Verstehen Sie die Sendung als Medienkritik?

Kessler: Ja, absolut!
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Michael Kessler
Ricore: Was halten Sie von der deutschen Fernsehlandschaft?

Kessler: Man kann das nicht so verallgemeinern. An manchen Stellen würde ich mir wünschen, sie wäre qualitativ etwas hochwertiger, als sie es ist. Aber es muss immer alles geben, wie in einem Spielplan am Theater. Es muss Anspruchsvolles, aber auch Einfaches geben. Ich würde mir wünschen, dass die Sender wieder etwas mutiger werden und auch selbstbewusster beim Finden neuer Formate, dass wir nicht immer nur alles adaptieren. Wir gucken, was in Amerika und England so läuft und machen das dann auch. Die Sender haben viel Geld, also sollen sie es auch bitte investieren.

Ricore: Gibt es Sendungen, bei denen Sie sagen: das ist so stupide, das kann man mit einer Parodie nicht toppen?

Kessler: Ja, das ist vor allem bei "Switch" ein Problem. Da sehen wir Sendungen, die per se schon so absurd und schlecht sind, dass wir uns anstrengen müssen, die noch zu überbieten. Aus diesen Gründen machen wir auch viele Dinge nicht, weil wir da eben nicht mehr drüber kommen.

Ricore: Haben Sie schon Ärger von Leuten bekommen, die Sie parodiert haben?

Kessler: Nein. Im alten "Switch" der 1990er Jahre hat uns Heiner Lauterbach einmal eine einstweilige Verfügung verpasst. Wir hatten in einem Sketch behauptet, er hätte gekokst. Nun hat er das ja in seinem Buch endlich zugegeben. Ansonsten finden die Promis, mit dem steigenden Erfolg der Sendung, die Parodien auf einmal unheimlich lustig. Es ist aber immer das Eine, was sie vor der Presse sagen und das Andere, was sie privat denken. Das kriegen wir natürlich nicht mit. Wir wissen nur von der fantastischen, großartigen Katharina Saalfrank, die ja im deutschen Fernsehen "Die Super Nanny" ist, dass sie uns nicht lustig findet. Sie fühlt sich nicht gut wiedergegeben, schlecht gespielt. Das hat sie mal öffentlich geäußert.

Ricore: Wen parodieren Sie am liebsten?

Kessler: Ich habe keinen Favoriten. Ich mache eigentlich alle gerne.
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Michael Kessler bei der Premiere von "Rango" in Berlin
Ricore: Wie lange wird es "Switch" noch geben?

Kessler: Wir haben gerade eine fünfte Staffel ausgestrahlt, die, gemessen an den Quoten, erstaunlicherweise die erfolgreichste war. Ich gehe fest davon aus, dass ProSieben die Marke weiter erhalten wird und dass wir weiter drehen werden. Das ist aber noch nicht offiziell bekannt gegeben worden. Wenn es weitergeht, drehen wir im Sommer wieder und strahlen im Herbst die nächste Folgen aus.

Ricore: Wie es für Sie, all die Jahre bei "Switch" dabei zu sein?

Kessler: Das "Switch"-Ensemble ist eine Familie. Der Großteil kennt sich seit Mitte der 1990er Jahre. Wir mögen und respektieren uns und sind alle miteinander befreundet. Das merkt man dem Format an. In der Comedy ist es ganz schwer, wenn man sich nicht versteht. Wir fühlen uns wohl und das ist ein großer Vorteil. Es war auch sofort klar, dass ich bei "Switch reloaded" wieder mit dabei bin. Ich selbst finde dieses Format einfach super, es ist schnell und intelligent. Und der Erfolg bestätigt uns. Die Zuschauer sind froh, dass das Fernsehen mal wieder in die Mangel genommen wird. Es macht große Freude.

Ricore: Wo leben Sie derzeit?

Kessler: In Köln.

Ricore: Warum Köln?

Kessler: Weil dort die meiste Comedy produziert wird. Dort arbeite ich am meisten, da war es naheliegend, dorthin zu ziehen. Ich fühle mich dort wohl. Aber der Karneval ist nicht meine Abteilung. Da verlasse ich die Stadt.
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Michael Kessler bei der Premiere von "Rango" in Berlin
Ricore: Ist es ein Zufall, dass der Großteil der deutschen Comedy rund um Köln produziert wird oder herrscht dort eine besondere Mentalität?

Kessler: Die Kölner sind einfach klasse, die Stadt ist überschaubar, nicht zu groß und nicht zu klein. Man kann alles mit dem Fahrrad machen. Das ist für mich sehr wichtig, denn ich fahre gerne Fahrrad. Zudem sind die Leute sehr kommunikativ. Wo passiert es in Deutschland noch, dass man in einer Kneipe auch mal angesprochen wird. Die Deutschen sind ja vor allem sehr bei sich, man redet nicht miteinander. In Köln ist es ganz normal, dass ich dir dann auch mal ein Kölsch ausgebe. Die Menschen sind sehr entspannt, tolerant und feiern gerne. Ich weiß nicht, ob es ein Zufall ist, dass die meiste Comedy in Köln produziert wird oder ob das mit der rheinischen Frohnatur zu tun hat.

Ricore: Es gibt nichts schlimmeres als Comedy, die nicht komisch ist. Ist der Druck da besonders groß, immer neue Ideen haben zu müssen?

Kessler: Dumme Comedy finde ich schrecklich. Bei uns findet unter den Kollegen immer ein großer Austausch statt. Es ist ein gemeinschaftlicher Prozess, wir überlegen zusammen: "Wem müsste man jetzt mal eine verpassen und in welchem Format". Es gibt einen Autorenpool, zu dem ich gehöre. Ich schreibe dann, wenn mir etwas einfällt und hoffe, dass es gedreht wird. Das ist nicht immer der Fall. So entsteht die Sendung. Ich finde, es ist nach wie vor das Schwerste, jemanden zum Lachen zu bringen, schwerer als ihn zum Weinen zu bringen. Nach der Comedyschwemme der letzten zehn, fünfzehn Jahre ist es nicht leichter geworden. Die Komik hat sich verändert, alles ist schneller und schärfer geworden. Sie müssen immer mehr Gas geben, weil die Leute schon so abgestumpft sind, sie soviel gesehen haben und weil soviel passiert ist. Es ist schwer, aber eben auch eine Herausforderung.

Ricore: Ist erfolgreiche Comedy platter geworden? Mario Barth bricht mit seiner Show Besucherrekorde.

Kessler: Nein. Das Einfache, Simple wird immer die Massen bewegen, mehr als das Anspruchsvollere und Schwierige. Deswegen rennen 15.000 Menschen in die Köln-Arena und schauen sich Mario Barth an. Aber ich glaube, das Qualitative hält sich letztlich länger.

Ricore: Wer bringt Sie zum Lachen?

Kessler: Peter Sellers bringt mich zum Lachen, die Blake Edwards-Filme und Loriot, genauso wie Stan Laurel und Oliver Hardy und Ricky Gervais. Bei "Dick und Doof" ist es der Slapstick, über den ich lachen kann. Ansonsten bin ich schon eher dem gehaltvolleren, niveauvolleren Humor zugewandt.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 3. März 2011
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