ARD Degeto/Elke Werner
Ilse Neubauer in "Die Trödelqueen"
Älter werden hat auch Vorteile
Interview: Ilse Neubauer gelassen
Ihren Beruf betrachtet Ilse Neubauer als ihre größte Leidenschaft. Dazu gehört auch ihre Tätigkeit als Sprecherin für Fernsehen und Radio. Ob auf der Bühne, vor der Kamera oder dem Mikrofon, die Rolle des Bösewichts spielt die Schauspielerin am liebsten. Hier könne sie sich als aggressionsgehemmter Mensch ausleben, was in der Wirklichkeit verborgen bleiben müsse. Anlässlich ihrer Rolle in "Mord in bester Gesellschaft - Das Ende vom Lied" hat Filmreporter.de mit der 68-Jährigen gesprochen - und dabei interessante Ansichten der leidenschaftlichen Schauspielerin zu Karriere und Leben erfahren.
erschienen am 31. 03. 2011
ARD Degeto/Elke Werner
Ilse Neubauer in "Mord in bester Gesellschaft"
Ricore: Frau Neubauer, Sie haben in der Fernsehserie "Meister Eder und sein Pumuckl" mitgespielt. Damit identifiziert man Sie noch heute, stimmt's?

Ilse Neubauer: Ja, ich werde noch immer darauf angesprochen. Ich finde es auch nett von Ihnen, dass Sie mich noch aus dieser Serie kennen.

Ricore: Kann man sagen, dass diese Rolle zu ihren Lieblingsrollen gehört, oder war das ein Part wie jede andere?

Neubauer: Ich würde sagen, das war eine Rolle wie jede andere. Ich mochte sie aber trotzdem sehr. Das hing auch damit zusammen, dass ich damals Gustl Bayrhammer verehrt habe. Er war für mich wie ein Vater und hat mir in den Anfangsjahren meiner Karriere sehr geholfen. Ich hätte jede Rolle gespielt, wenn ich nur mir ihm hätte zusammenarbeiten können.

Ricore: Nun spielen Sie in "Mord in bester Gesellschaft - Das Ende vom Lied" ein Groupie. Kann man diesen Charakter so charakterisieren?

Neubauer: Nein ich würde nicht sagen, dass meine Figur ein Groupie ist. Groupies schlüpfen mit ihren Idolen ins Bett. Ich spiele eher ein verblühtes altes Mädchen, das ihr ganzes Leben einem Schlagerstar gewidmet hat.

Ricore: Gab es in Ihrem Leben einen Star, den Sie besonders verehrt haben?

Neubauer: Es gab viele Stars, die ich bewundert habe. Auch heute noch bin ich ein großer Rock- und Pop-Fan, was viele erstaunt. Aber es ging bei mir nie so weit, dass ich eine bekannte Persönlichkeit um jeden Preis kennenlernen wollte. Damit hängt immer eine Enttäuschung zusammen. Ich will nur die Kunst und die Traumwelt haben. Von den Leuten dahinter möchte ich nichts wissen (lacht).
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Ilse Neubauer in "Mord in bester Gesellschaft"
Ricore: Ist Ihnen selbst schon ein Fan zu nahe gekommen?

Neubauer: Ja, das kam schon mal vor. Es hat oft Leute gegeben, die mich verfolgt haben. In dieser Situation hat mir Helmut Fischer geraten, behutsam gegenüber Fans vorzugehen. Wenn jemand zum Beispiel in einem Brief nicht nur nach einer Autogrammkarte, sondern nach einem echten Foto fragt, dann kann es schon ein Fehler sein, diesen Wunsch zu erfüllen. Das ist der Anfang, danach wollen sie immer mehr Extragefallen haben. Einmal schenkte mir ein Mann eine Kiste, die mit Schokolade, Büchern und einem Füllfederhalter gefüllt war, in dem mein Name eingraviert war. In solchen Fällen dürfe man dem Fan nicht antworten, riet mir Helmut Fischer. Als ich den Rat befolgte, kriegte ich plötzlich drei vier Beschimpfungsbriefe.

Ricore: Hatten Sie in der Situation Angst?

Neubauer: In dem erwähnten Fall habe ich sogar die Polizei verständigen müssen. Ich bekam Blumen zugeschickt, die ich angenommen habe. Später habe ich gemerkt, dass sie von diesem Mann waren. Als er ankündigte, dass er mich besuchen wolle, da musste ich handeln. Aber es ist zum Glück alles gut gegangen.

Ricore: Sie haben in Ihrem Leben nie geheiratet. Warum?

Neubauer: Der Vater meines Sohnes, mit dem ich jahrelang zusammenlebte, sagte mir, dass ich mit der Schauspielerei nicht weitermachen dürfte, wenn wir erst mal verheiratet seien. Anfangs dachte ich mir nichts dabei. Doch wenn man das jahrelang hört, dann sagt man sich irgendwann: Dann heirate ich eben nicht. Ich war noch jung und wollte die Welt bewegen, wie das die jungen Menschen nun mal wollen.

Ricore: Und Sie haben diese Entscheidung nie bereut?

Neubauer: Nein. Ich glaube, dass man auch ohne die Ehe glücklich sein kann. Das heißt aber nicht, dass man ohne Männer leben sollte (lacht).
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Ilse Neubauer in "Die Trödelqueen"
Ricore: Was würden Sie als große Leidenschaft in Ihrem Leben bezeichnen.

Neubauer: Meinen Beruf. Sowohl als Schauspielerin bei Film und Theater, aber auch als Radio- und Fernsehsprecherin. Als Sprecherin ist es schön, dass man nicht unbedingt schlank oder geschminkt sein muss. Was zählt, ist nur die Stimme. Das liebe ich daran ganz besonders. Das Mikrofon ist mein Freund.

Ricore: Wie viel Raum räumen Sie dem Beruf in Ihrem Leben ein.

Neubauer: Er beansprucht die Hälfte meines Lebens, würde ich sagen.

Ricore: War es früher mehr?

Neubauer: Nein. Ich hatte leider nie das Ehrgeiz-Gen in mir. Ich hatte das Glück, dass ich viele Angebote bekam. Selbst heute, wo es deutlich weniger sind, läuft es ganz gut. Junge Leute können nicht verstehen, dass ich keinen Agenten habe. Wie kriegst du denn die Rollen, fragen sie verwundert. Ich werde angerufen, antworte ich dann. Was, du wirst angerufen? Heute läuft alles über das Casting. Nachdem ich zehn Jahre lang dazu aufgefordert wurde, bin ich seit kurzem online registriert, damit sich Interessenten mein Demo-Band ansehen können.

Ricore: Was muss man im Leben tun, um im Alter noch die Gesundheit und die Kraft zu haben, um mit der Schauspielerei weiterzumachen?

Neubauer: Kräftemäßig habe ich noch keinerlei Probleme. Ansonsten sollte man sich selbst kennenlernen. Die Selbsterkenntnis fehlte mir, als ich in Ihrem Alter war. Ich war sehr naiv und tappte in so ziemlich jede Falle. Ich will nicht behaupten, dass Älter werden schön ist, aber es hat auch einige Vorteile. Man muss nicht auf jedes Karussell aufsteigen, man muss niemandem etwas beweisen. Das ist ein wunderbares Gefühl. Alter ist nicht immer schön, doch am besten ist es sehenden Auges.

Ricore: Wie kommt man zu dieser Erkenntnis?

Neubauer: Durch Erfahrung. Wenn man zum Beispiel als junge Frau immer wieder denselben Typ Mann wählt, obwohl man weiß, dass es mit ihm nicht gut läuft, dann begreift man, dass das Scheitern auch an einem selbst liegen könnte. Ab diesem Punkt fängt die Selbsterkenntnis an. Man versteht, dass man an allen Dingen, die einem widerfahren, auch einen Anteil hat. Das weiß man als junger Mensch nicht.
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Ilse Neubauer in "Mord in bester Gesellschaft"
Ricore: Bezieht sich diese Selbstwahrnehmung auch auf den Beruf?

Neubauer: Schauspieler sind so unterschiedlich, wie andere Menschen auch. Als ich noch jung war, wollte ich mir nicht eingestehen, dass ein wunderbarer Schauspieler auch dumm sein kann. Das gibt es aber und das ist auch gerecht so. Es gibt dumme Schauspieler, die wahnsinnig begabt sind. Das bedeutet aber nicht, dass intelligente Schauspieler nicht gut in ihrem Beruf sind (lacht).

Ricore: Welchen Rollentyp spielen Sie am liebsten?

Neubauer: Am liebsten spiele ich die Bösen. Das mag daran liegen, dass ich im Leben ein aggressionsgehemmter Mensch bin. Als Bösewicht kann ich böse sein, ohne dafür bestraft zu werden. Das gespielte Böse hat keine Folgen. Der, den ich zur Sau mache, weiß, dass es nur gespielt ist. Er nimmt es nicht persönlich. Ist das nicht wunderbar? (lacht).

Ricore: Trotzdem haben Sie auch komische Rollen gespielt. Was reizt sie an diesem Rollentyp?

Neubauer:

Neubauer: Hinter den komischen Rollen kann man sich besser verstecken. Es ist wie eine Art Puffer. Sagen wir zum Beispiel, ich muss jemanden mit Liebe verfolgen. Wenn ich das komisch spiele, fällt es mir sehr viel leichter. Dagegen muss man bei manchen ernsten Rollen richtig Farbe bekennen. Als Komikern mache ich das zwar auch, aber eben mit diesem Puffer dazwischen.

Ricore: Für Sie bedeuten also die ernsteren Rollen mehr Arbeit?

Neubauer: Ja, hier besteht nicht die Möglichkeit, die Rolle durch den Filter der Komik zu spielen. Andere Schauspieler sagen immer, dass die komischen Rollen die schwersten sind. Das empfinde ich nicht so. Es sind vielmehr die Rollen, die eins zu eins gespielt werden müssen. Ich habe mal am Münchner Volkstheater unter Ruth Drexel eine wunderbare Rolle gespielt. Es handelte sich um eine reiche Frau, deren Sohn an Aids gestorben ist. In einer Szene kommt sie in ein feines Lokal, in dem Freunde sitzen und sich unterhalten. Es ist Weihnachten, sie ist stockbesoffen und macht Tabula Rasa. Die Szene dauerte 18 Minuten, in denen ich diesen Freunden die Meinung sage, sie zerpflücke und am Ende betrunken auf den Boden falle. Eine wunderbare Rolle, die ich liebte und die mir auch viel Lob einbrachte. Trotzdem fiel es mir schwer, mich in den Gemütszustand der Frau zu versetzen. Ihr Schmerz war einfach zu schrecklich.

Ricore: Woher kommt Ihre Aggressionshemmung?

Neubauer: Das liegt an der Erziehung. Früher hieß es: Mädchen, die pfeifen und Hähne, die krähen, soll man beizeiten die Hälse umdrehen. Es gab so viele Sprüche, die Mädchen zum Schweigen verdammten. Ich bin nicht sehr reglementiert worden, aber in der Schule war es nochmal etwas Anderes. Da wurde ich schon strafend angeschaut, wenn ich nur mal laut gelacht habe.
Tivoli Film Elke Werner
Ilse Neubauer in "Mord in bester Gesellschaft"
Ricore: Mädchen und junge Frauen wurden also angehalten, zurückhaltend zu sein. Das sind Sie aber eigentlich nicht, oder? Neubauer: Nein, und das liegt in erster Linie an meinem Beruf. Ich war in den ersten Jahren extrem schüchtern. Im Verlauf er Jahre habe ich viele Menschen getroffen, die mir diesbezüglich sehr geholfen haben. Ob das Maria Singer, Gustl Weishappel oder Helmut Fischer waren - sie alle verloren wegen meiner Schüchternheit irgendwann die Geduld und sagten: "So, jetzt ist Schluss. Wir können nicht jahrelang für dich reden. Verantworte dich selbst und geh nach vorne!" Das war auch auf der Bühne so. Ich habe mal in "Der Widerspenstigen Zähmung" mit Otto Schenk und Klaus Maria Brandauer gespielt und schaute dabei immer auf den Boden. Ohne dass es mir aufgefallen wäre, bin ich fast immer hinten in den Kulissen verschwunden. Sie sagten: "Entweder du machst das jetzt, oder wir besetzen dich um!" Das hat mir so große Angst gemacht, dass ich automatisch nach vorne gegangen bin.

Ricore: Haben Ihnen diese Erfahrungen auch im Leben geholfen?

Neubauer: Ja, total. Viele Schauspieler behaupten von sich ja, dass sie ohne den Beruf wahrscheinlich schon in der Klapse wären. Das trifft auch auf mich zu. (lacht) Wir haben alle einen Vulkan in uns. Aber das Gute ist, dass der Schauspieler seine Energien nach außen tragen kann.

Ricore: Wie gewichten Sie Theater und Film?

Neubauer: Ich liebe beides. Ich halte das Theater jedoch für sehr viel schwerer. Verteilen kann ich es aber nicht, es geht nach Angeboten. Beim Theater würde ich nur Rollen annehmen, die mich wirklich interessieren, weil es eben sehr mühsam ist und wenig Geld drinsteckt. Beim Fernsehen dagegen spiele ich schon viele Rollen, die nicht besonders sind. Aber hier bin ich dann ja nur wenige Tage beschäftigt.

Ricore: Ist das Schubladendenken in der Filmbranche sehr verbreitet?

Neubauer: Oh ja! Ich weiß, dass viele Kollegen sehr viel mehr können, als man ihnen zutraut. Als mal die Rolle eines Frauenhelden besetzt werden sollte, nannte ich einen Kollegen, der, wie ich wusste, ideal für die Rolle war. Er wurde nicht engagiert, weil der Regisseur ihn bisher nur in 'braven' Rollen gesehen hatte. So ist das eben.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 31. März 2011
Zum Thema
Ilse Neubauer debütiert nach ihrer Schauspielausbildung beim Bayerischen Staatsschauspiel. Später widmet sie sich ganz überwiegend Fernsehen und Rundfunk, wo sie mit zahlreichen Hörspiele bekannt wird. Im Fernsehen tritt sie in Serien wie "Meister Eder und sein Pumuckl", "Irgendwie und sowieso" und "Monaco Franze - Der ewige Stenz" in Erscheinung. Der Durchbruch gelingt ihr an der Seite des von ihr geschätzten Kollegen Helmut Fischer in der Serie "Die Hausmeisterin".
2024