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Jake Gyllenhaal in "Love and Other Drugs - Nebenwirkungen inklusive"
Leidenschaftlicher geworden?
Interview: Jake Gyllenhaal auf Zeitreise
Jake Gyllenhaal geht in die Luft. Kurz nachdem er zu sich kommt, explodiert er erneut. Er regt sich erst wieder ab, wenn er eine Lösung für das Problem gefunden hat. Zumindest ist das in seinem aktuellen Science-Fiction "Source Code" der Fall. Im Interview mit Filmreporter.de ist er dagegen ganz ruhig. Von explosiver Stimmung kann keine Rede sein. Stattdessen erzählt der sympathische Darsteller gelassen von der Zusammenarbeit mit Duncan Jones und den Schwierigkeiten, anspruchsvolle Filme umzusetzen. Zudem verrät Gyllenhaal, was er machen würde, wenn er wie in "Source Code" nur noch wenige Minuten zu leben hätte.
erschienen am 1. 06. 2011
Kinowelt
Jake Gyllenhaal in "Source Code"
Ricore: Wieso haben Sie sich entschlossen, mit einem Regisseur zusammenzuarbeiten, der gerade seinen ersten Film inszeniert hatte?

Jake Gyllenhaal: Ich fand Duncan Jones' "Moon" großartig. Der Film war visuell überwältigend, obwohl er mit kleinem Geld hergestellt wurde. "Moon" war sehr durchdacht und dazu kam die großartige schauspielerische Leistung von Sam Rockwell. Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich mit einem unerfahrenen Regisseur zusammenarbeiten würde, sondern mit jemandem, der sein Handwerk versteht. Ich wusste, dass ich von einer sicheren Hand geleitet werden würde. Irgendwann trafen wir uns und ich sah, dass er auch ein wunderbarer Mensch ist. Er strotzte nur so vor Energie. Das mochte ich sehr. Ich machte ihn auf das Drehbuch zu "Source Code" aufmerksam und schickte es ihm. Vier Tage später sagte er zu.

Ricore: Der Film ist sehr komplex. Welche Reaktionen bekamen Sie von Freunden, wenn Sie den Inhalt des Films erzählten?

Gyllenhaal: Ich hatte vor allem Spaß, ihnen die ersten fünf Minuten des Films zu erzählen. Die Reaktion war: Was, der Zug explodiert?! Sie fanden die Geschichte aufregend und es machte mir großen Spaß, ihre Reaktionen auf die jeweiligen Stationen der Handlung zu beobachten. Aber im Grunde hatte ich keine Probleme, ihnen den Handlungsverlauf zu erzählen. Ich finde die Geschichte ziemlich fassbar.

Ricore: Sie scheinen Filme mit komplexen Handlungen zu mögen.

Gyllenhaal: Ja. Als wir "Donnie Darko" drehten, fand ich es toll, dass wir während des Drehprozesses oftmals nicht wussten, in welchem Stadium der Handlung wir uns befanden. Jeden Tag gab es neue Fragen zum Plot. Der Film war nicht nur eine emotionale Herausforderung, sondern auch eine intellektuelle. Ich hoffe, das gilt für alle meine Filme.
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Source Code
Ricore: Was würden Sie tun, wenn Sie wie ihre Figur in "Source Code" nur noch wenige Minuten zu leben hätten?

Gyllenhaal: Ich würde meine Familie anrufen und mit ihnen reden. Wenn das jetzt passieren würde, dann würde ich sofort das Zimmer verlassen und meine Familie kontaktieren und mit ihnen lachen. Lachen ist da der beste Ausweg [lacht].

Ricore: Wenn Zeitreisen möglich wären, was würden Sie in der Vergangenheit ändern?

Gyllenhaal: Die Idee von "Source Code" basiert ja darauf, dass die Figur in den Körper eines anderen Menschen reist. Wenn das möglich wäre, fände ich es interessant, in die Persönlichkeit von John F. Kennedy zu schlüpfen. Ich würde dann verhindern, dass er in das Fahrzeug steigt, in dem er ermordet wurde. Ich könnte mir auch vorstellen, in den Körper von Martin Luther King zu reisen. Oder ich würde Japan vor der atomaren und der Umwelt-Katastrophe warnen. Es gibt viele, viele historische Ereignisse, die ich gerne verhindert hätte.

Ricore: Wie schwierig ist es heute für einen Künstler, schwierige Stoffe durchzusetzen?

Gyllenhaal: Es ist tatsächlich schwierig, kleinere Filme zu realisieren. Damit ist immer ein großer Kampf verbunden. Filme wie "Moon" zu realisieren ist immer schwieriger, als größere Projekte auf die Beine zu Stellen. Ich habe keine Ahnung, warum das so ist, aber es ist faszinierend. Ich beobachte das immer wieder. Dabei ist Duncan ein gutes Beispiel, wie man Geld gut in kreative Köpfe investieren kann. Man kann ihm durchaus ein großes Projekt anvertrauen, ohne dass er das Geld sinnlos verschwendet. Jemand wie er achtet nicht darauf, wie cool ein Film mit so viel Geld werden kann, er ist stattdessen jemand, der immer die Geschichte im Blick hat. Viele Regisseure übertreiben gerne mit Effekten, wenn ihnen nur ein bisschen Geld gegeben wird. Duncan ist da eine Ausnahme und ich glaube, in der Hinsicht steht er für eine neue Generation von Filmemachern.

Ricore: Hatten Sie die Befürchtung, dass "Source Code" an einigen Stellen etwas kitschig geraten könnte?

Gyllenhaal: Diese Befürchtung hatte ich die ganze Zeit. Ich und Duncan hatten während der Dreharbeiten immer den Zuschauer im Blick. Der Film hat einige komische Stellen und die resultierten aus unserer Befürchtung, dass bestimmte Szenen zu ernst oder zu kitschig werden könnten. Wir nahmen den Film und seine Botschaft zwar durchaus ernst, konnten aber doch genügend Abstand zu ihm aufbauen, dass wir uns über bestimmte Momente auch lustig machen konnten.
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Jake Gyllenhaal in "Source Code"
Ricore: Steckt hinter Ihren Aussagen auch eine Kritik an Regisseuren, die ihr Talent für überdimensionale Franchise-Projekte hergeben?

Gyllenhaal: Nein, das kritisiere ich nicht. Die Franchise-Filme sind vor allem deshalb erfolgreich, weil tolle Regisseure dafür verantwortlich zeichnen. Ich will nur sagen, dass Filmemacher an ihren Visionen festhalten sollen. Was Duncan angeht, so kann ich es nicht erwarten, seinen ersten großen Film zu sehen. Weil es schön wäre, wenn er so viele Menschen wie möglich erreichen würde. Bei einem großen Film geht es nicht um den Erfolg und Popularität, sondern darum, seine Ideen an Menschen heranzutragen.

Ricore: Wie wichtig ist es für Sie als Schauspieler, die Balance zwischen Großproduktionen wie "Prince of Persia" und kleineren Projekten wie "Source Code" zu finden?

Gyllenhaal: Nicht mehr so wichtig. Es kommt nicht darauf an, wie groß der Film ist. Wenn der Film gut ist, dann wird er von den Zuschauern honoriert. Das haben wir in den letzten Jahren immer wieder erlebt. Filme wie "Black Swan", "Brokeback Mountain" oder auch "Donnie Darko" werden gesehen, egal ob es sich um große oder kleine Projekte handelt. Ich glaube auch, dass sich das Filmgeschäft immer mehr ändert.

Ricore: Inwiefern?

Gyllenhaal: Ich denke, man realisiert immer mehr, dass man heute unterschiedliche Filme herstellen kann. Andererseits ist es trotzdem schwer, eine lächerlich-kleine Summe von fünf Millionen Dollar für ein Projekt aufzutreiben. Außerdem wird das Niveau der Filme immer besser. Heute wird nur wirklich sehr talentierten Menschen ein Film anvertraut.

Ricore: Es scheint, dass momentan ein Mentalitätenwandel stattfindet. Filme wie "Prince of Persia" laufen nicht mehr so gut, während kleinere Filme erfolgreich sind. Komplexere Themen scheinen gefragt.

Gyllenhaal: Ja, und das ist eine tolle Entwicklung. Es gibt heute viel mehr Unterstützung für kleinere Filme als früher. Es sieht so aus, als wären die Menschen übersättigt von Blockbustern. Stattdessen wollen sie zunehmend kleinere und ambitioniertere Projekte sehen. Der Fokus liegt heute mehr auf Filmemacher. Regisseure wie Duncan bekommen viel mehr Unterstützung, als früher. Für einen Schauspieler ist es schön, Teil dieser Entwicklung zu sein und in tollen Projekten mitzuwirken.
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Jake Gyllenhaal in "Source Code"
Ricore: Gehen Sie unterschiedlich an Rollen heran, je nachdem ob es sich um simpler gestrickte Blockbuster oder ambitioniertere Filme handelt?

Gyllenhaal: Nein, jede Rolle ist mir ungeheuer wichtig, jede bedeutet mir alles. Ich würde nicht so viel Zeit meines Lebens investieren, wenn es mir nicht wichtig wäre.

Ricore: Gab es einen Zeitpunkt in Ihrem Leben, an dem Sie realisierten, dass sie Ihr Leben lang Schauspieler werden wollen?

Gyllenhaal: Ich denke, ich habe irgendwann entschieden, dass ich Filme und Geschichtenerzählen mehr als alles andere liebe. An der Zusammenarbeit mit Duncan ist so toll, dass er mich in diesen Prozess involviert hat. Da man den Film durch die Augen meines Charakters sieht, musste ich mir ähnliche Fragen stellen. Das war eine wundervolle Erfahrung.

Ricore: Was ist Ihr Lieblingsfilm?

Gyllenhaal: Oh, mein Gott. Ich bin ein großer Fan von "Die Schlümpfe" [lacht] Ein wirklich großartiger Film ist "Das Königsspiel", vor allem die Darstellerleistung des Jungen in dem Film. Er ist noch ein Kind, aber er glaubt jeden Moment, was er spielt und ist so lebendig auf der Leinwand.
Jean-François Martin/Ricore Text
Jake Gyllenhaal
Ricore: Apropos Schlümpfe: Sie haben auch bei der "Sesamstraße" mitgespielt. Wie war das?

Gyllenhaal: Das war eine Ehre für mich. Die Kinder meiner Freunde sehen sich das alle an und nun habe ich das Gefühl, dass ich es zu etwas gebracht habe [lacht].

Ricore: Wie finden Sie es, wenn Sie von Leuten nach all den Jahren auf Ihre Kinderrolle in "City Slickers - Die Großstadt-Helden" angesprochen werden?

Gyllenhaal: Das ist großartig. Es ist auch irgendwie seltsam, mich selbst als Elfjährigen in der Rolle zu sehen. Ich bin sehr dankbar, dass ich den Beruf nach so langer Zeit nach wie vor machen kann. Ich bin nun schon das fünfte Mal in Berlin.

Ricore: Sie sind also nach wie vor leidenschaftlich dabei?

Gyllenhaal: Sogar noch mehr als früher. Als ich dieses Jahr 30 geworden bin, war es eine große Sache für mich, festzustellen, dass ich den Beruf inzwischen sogar mit noch mehr Leidenschaft ausübe. Als ich jünger war, war ich mir noch nicht so sicher.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 1. Juni 2011
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2024