20th Century Fox
Jeff Kinney am Set von "Gregs Tagebuch 2: Gibt's Probleme"
Welt aus Kindersicht
Interview: Jeff Kinneys Tagebuch
Jeff Kinney ist bescheiden. Trotz seines Erfolges betrachtet der Autor seine Bücher nicht als große Literatur. Auch die Wahl zu einem der einflussreichsten Menschen kann er nicht nachvollziehen. Wie er sich und sein Werk stattdessen sieht, legt er Filmreporter.de im Gespräch in London dar. Zudem verrät Kinney anlässlich des Starts von "Gregs Tagebuch 2: Gibt's Probleme", was er mit seinem unglückseligen Helden gemeinsam hat und was er als Schriftsteller von der zunehmenden Digitalisierung von Büchern hält.
erschienen am 2. 06. 2011
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Jeff Kinney am Set von "Gregs Tagebuch 2: Gibt's Probleme"
Ricore: Das TIME-Magazin hat Sie zu einem der 100 einflussreichsten Menschen gewählt. Was halten Sie davon?

Jeff Kinney: Sehe ich so aus? Ich hielt das zunächst für einen Witz. Ich wollte herausfinden, wer mir da möglicherweise einen Streich spielt und landete beim Anrufbeantworter des TIME-Magazins. [lacht] Es war seltsam und lustig.

Ricore: Ironischerweise träumt ihr Protagonist Greg davon, eines Tages berühmt zu werden. Würden Sie ihm aufgrund Ihrer eigenen Erfahrung raten, dieses Ziel weiter zu verfolgen?

Kinney: Es ist witzig. Ich denke, die meisten Kinder wollen berühmt werden. Vor allem in den USA, wo jeder seine eigene Reality-Sendung hat. Man denkt, dass man berühmt wird - nicht etwa weil man ein bestimmtes Talent hat, sondern weil man meint, ein Recht darauf zu haben. In meinen Büchern versuche ich mich darüber lustig zu machen. Ich selbst komme mir nicht berühmt vor. Ich lebe in einer kleinen Stadt in Massachusetts namens Plainville, wo niemand sich um meine Bücher Gedanken macht oder darum, dass ich ein Autor bin. Ich werde nie erkannt, ich habe also einen eher geringen Promi-Status, wenn überhaupt.

Ricore: Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass jedes Kind ein Star werden will?

Kinney: Zum Teil liegt es wohl daran, dass die Medien dieses Gefühl erzeugen, dass jeder ohne weiteres ein Star werden kann.
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Gregs Tagebuch 2: Gibt's Probleme?
Ricore: Haben Ihre Bücher in der Hinsicht einen pädagogischen Effekt?

Kinney: Ich denke nicht, dass meine Bücher pädagogisch sind. Sie sind da, um zu unterhalten. Jedes Mal, wenn ein Erwachsener ein Kinderbuch mit einer Lektion schreibt, merken das die Kinder und sie schalten ab. Daher lege ich meine Bücher als pure Unterhaltung an. Wenn Kinder daraus etwas ziehen können, dann hoffentlich, dass Lesen etwas Gutes ist.

Ricore: Wie zufrieden sind Sie mit den Filmadaptionen Ihrer Bücher?

Kinney: Was ich an den Filmen wirklich mag, ist der emotionale Aspekt, die sie meinen Geschichten hinzufügen. Meine Bücher sind im Grunde eine Sammlung von Witzen und ich kümmere mich nicht darum, dass der Leser auf bestimmte Weise empfindet. Bei den Filmen ist das anders. Besonders beim ersten Teil wuchs mir die Beziehung zwischen Rowley und Greg ans Herz, In meinen Büchern war das nie der Fall.

Ricore: Wie groß ist Ihr Einfluss auf die Filme?

Kinney: Ziemlich groß. Ich habe ein unübliches Verhältnis zum Studio. Ich bin bei vielen Teilen des Drehs dabei und helfe beim Drehbuch und dem Casting. Ich bin also sehr involviert. Es ist nicht so, dass ich die Rechte verkauft habe und nichts mehr damit zu tun habe.

Ricore: Was halten Sie vom Internet als Informationsquelle für Kinder?

Kinney: Ich bin geschockt, wenn ich sehe wie in manchen Ländern die Inhalte des Internets reguliert werden. Andererseits erschreckt es mich als Erwachsener, dass meine Kinder auf bestimmte Dinge im Internet sehr leicht Zugriff haben, die sie noch nicht oder besser nie in ihrem Leben sehen sollten. Ich denke, dass Kinder nicht ganz so viel vor dem Computer sitzen sollten und mehr in der frischen Luft unternehmen sollen. Andererseits gehört es zur Evolution einer Gesellschaft dazu, dass sich die Dinge ändern.
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Jeff Kinney am Set von "Gregs Tagebuch 2: Gibt's Probleme"
Ricore: Möglicherweise wird das gedruckte Buch eines Tages vom digitalen Buch verdrängt werden. Wie wichtig ist Ihrer Ansicht nach die Gegenständlichkeit eines Buches für die Wertschätzung des Werkes?

Kinney: Für mich ist das sehr wichtig. Ich hoffe, dass meine Bücher nie verschwinden werden. Speziell bei den Hardcover-Ausgaben meiner Bücher ist das Taktile ein wichtiger Bestandteil der Erfahrung, die ein Kind mit dem Werk macht. Dem Kind ein Buch in die Hand zu geben, ist etwas anderes, als ihm ein iPad oder ein Kindle in die Hand zu geben. Es ist möglich, dass Bücher für Erwachsene verschwinden werden, aber ich hoffe, dass Kinderbücher erhalten bleiben, weil sie eine Liebe zum Lesen vermitteln, die elektronische Geräte nicht vermitteln können.

Ricore: Ihre "Gregs Tagebuch"-Reihe haben Sie dennoch zunächst im Internet veröffentlicht.

Kinney: Ja, es hat zunächst im Internet angefangen, doch ich wusste immer, dass es reale Bücher werden sollten. Die Printversion war immer sehr wichtig für mich.

Ricore: Inwiefern könnte man die ebenfalls sehr erfolgreichen "Harry Potter"-Bücher von J.K. Rowling mit Ihren Kinderbüchern vergleichen?

Kinney: J.K. Rowling spielt in einer ganz anderen Liga als ich, so dass ich ihren Erfolg nicht mit meinem vergleichen kann. Sie steht weit über mir. "Harry Potter" ist die wohl am besten erzählte Geschichte der vergangenen 30 Jahre. Die Figur Harry Potters ist wie ein kleiner Erwachsener, der heroisch handelt. Mein Charakter Greg hat dagegen viele Schwächen und der Humor resultiert aus seiner Unvollkommenheit. Die meisten Kinder, die "Harry Potter" lesen, bewundern die Figur, bei meinen Büchern sehen sie in Greg viel von sich selbst.
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Zachary Gordon in "Gregs Tagebuch 2: Gibt's Probleme"
Ricore: Wie viel von Ihnen steckt in Greg?

Kinney: Ich denke, die schlechtesten Seiten von mir. [lacht] Gregs Sichtweise resultiert aus den Erinnerungen meiner Kindheit. Man sieht Greg in einer schwierigen Phase seines Lebens, in der er sich noch entwickelt. Er ist kein schlechtes Kind, man erlebt ihn nur in seiner schlimmsten Zeit.

Ricore: Denken Sie, dass er ein Verlierer oder einfach ein unabhängiges Kind ist?

Kinney: Ich denke, dass er ein unabhängiger Junge ist. Der Originaltitel "Diary of a Wimpy Kid" [Tagebuch eines weinerlichen Jungen] ist etwas irreführend. Mit "Wimpy Kid" meine ich einen physisch schwachen Jungen, es bedeutet nicht, dass er ein Verlierer ist. In Deutschland hat man keine passende Übersetzung dafür gefunden. Das finde ich sehr witzig.

Ricore: Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Gregs und Ihrer Familie?

Kinney: Ja, die gibt es. Ich habe zunächst die Archetypen von Vater und Mutter, einen jüngeren und einen älteren Bruder genommen und dann meine eigenen Erinnerungen genommen und sie hinzugefügt. Meine eigenen Familienmitglieder sehen die Figuren nicht als Portraits ihrer selbst, aber sie können darin bestimmte Vorkommnisse wiedererkennen.

Ricore: Gibt es auch bestimmte Vorkommnisse aus Ihrer eigenen Kindheit mit der Familie, die zu peinlich sind, um sie in die Geschichten einzubauen?

Kinney: [lacht] Ja, da gibt es einige. Vor allem eine Sache, aber die kann ich nicht erzählen. [lacht] Ich muss das weglassen, auch wenn zum Klassiker werden würde.
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Jeff Kinney am Set von "Gregs Tagebuch 2: Gibt's Probleme"
Ricore: Wird Greg immer ein Kind bleiben oder wird er heranwachsen und sich weiterentwickeln?

Kinney: Darüber habe ich lange nachgedacht. Ich dachte immer, dass die Geschichte ein Ende haben würde, da er älter werden würde und ich nicht weiter als bis zur Mittelschule erzählen wollte. Dann realisierte ich, dass Greg kein literarischer Charakter, sondern ein Cartoon-Charakter ist. Und Cartoon-Charaktere wie Charlie Brown haben jedes Jahr aufs Neue ihren ersten Schultag. Inzwischen ist kein Ende in Sicht und ich weiß, dass die Charaktere immer in dem gleichen Alter bleiben werden.

Ricore: Sind Sie ein Fan von Charlie Brown?

Kinney: Ich denke, dass er sich sehr von Greg unterschiedet, aber ich bin ziemlich aufgeregt, weil ich in ein paar Wochen am Charles M. Schulz-Museum in Kalifornien einen Vortrag halten werde und mich in seinem Gästehaus aufhalten werde. Das wird ein spezieller Moment für mich sein.

Ricore: Wie haben Sie Ihre Leidenschaft für das Schreiben und Geschichtenerzählen entdeckt?

Kinney: Ich denke, ich habe keine Leidenschaft für das Schreiben und das Geschichtenerzählen, sondern für das Erzählen von Witzen. Das entdeckte ich auf dem College, als ich einen täglichen Comic-Strip zeichnete. Ich mag die Herausforderung, mir einen Witz auszudenken und ihn dann zu realisieren. Ich glaube nicht, dass meine Bücher große Literatur sind, sondern einfach dazu dienen, Witze zu liefern.

Ricore: Welche Bücher lesen Sie selber gerne?

Kinney: Geschichtsbücher und historische Romane. Ich mag auch Biographien, ich lerne gerne von anderen Leuten, die ein interessantes Leben führen.
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Zachary Gordon und Devon Bostick in "Gregs Tagebuch 2: Gibt's Probleme"
Ricore: Was lasen Sie als Kind am liebsten?

Kinney: Ich las Bücher von Judy Bloom, J.R.R. Tolkien und C.S. Lewis.

Ricore: Sie sollen auch J.D. Salinger mögen.

Kinney: Ja, in den USA gibt es ein ikonisches Cover von "Fänger im Roggen". Es ist rot mit goldenen Buchstaben. Beim Cover von "Gregs Tagebuch" haben wir die Farben daran angelehnt.

Ricore: Gibt es noch andere Autoren oder Werke, die Einfluss auf "Gregs Tagebuch" hatten?

Kinney: Es gibt keine expliziten Inspirationsquellen. Aber ich denke, dass ich von den "Peanuts" auf eine Weise beeinflusst wurde, die ich nicht vollständig erfassen kann. Meine Lieblingsbücher sind die Donald Duck- und Onkel Dagobert Comics von Carl Barks aus den 1950ern und 60ern. Ich finde, das sind die am besten erzählten Geschichten. Die haben mich sicherlich auch stark beeinflusst.

Ricore: Empfinden Sie das Schreiben und Illustrieren eher als Vergnügen oder als harte Arbeit?

Kinney: Es ist wirklich harte Arbeit, vor allem weil ich noch einen Vollzeit-Job und Verpflichtungen als ausführender Produzent der Filme habe. Alles unter einen Hut zu bringen und meinen Kindern ein Vater zu sein, nimmt viel Zeit in Anspruch.
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Jeff Kinney am Set von "Gregs Tagebuch 2: Gibt's Probleme"
Ricore: Was machen Sie, um zu entspannen?

Kinney: Ich drehe stundenlang Runden mit meinem Fahrrad. Dadurch kriege ich meinen Kopf frei.

Ricore: Müssen Sie denn neben dem Schreiben nach wie vor einem Vollzeitjob nachgehen?

Kinney: Ich müsste nicht, aber ich liebe meine tägliche Arbeit. Ich habe eine Internetseite für Kinder erstellt, an die ich wirklich glaube und ich will, dass es gut wird, so dass ich weiter daran arbeite.

Ricore: Was sind Ihre nächsten Projekte?

Kinney: Ich würde eines Tages liebend gerne eine Fernsehserie kreieren. Zudem würde ich gerne eine weitere Buch-Reihe mit neuen Charakteren schreiben. Ich möchte nicht, dass "Gregs Tagebuch" das Einzige ist, was auf meinem Grabstein zu lesen sein wird.

Ricore: Worum soll es in der neuen Buch-Reihe gehen?

Kinney: Ich würde ein Buch über ein Kind schreiben, dass in einer Jugendanstalt festsitzt. Ich denke, dass Kinder sehr neugierig auf ein Gefängnis sind, aber Angst haben, dort zu landen. Darüber könnte ich ein gutes Kinderbuch machen.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 2. Juni 2011
Zum Thema
Seine Begeisterung für das Zeichnen von Comics entdeckt Jeff Kinney auf dem College, wo er täglich einen Strip zeichnet. Im Jahre 1998 beginnt der Autor und Zeichner mit ersten Ideen an "Gregs Tagebuch" zu arbeiten. Die Geschichten über die Missgeschicke eines Schülers erscheinen zunächst im Internet und entwickeln sich schließlich zur erfolgreichen Buchreihe.

Vom Magazin TIME wird der 1971 in Maryland geborene Kinney im Jahre 2009 zu einem der 100 einflussreichsten Menschen..
"Gregs Tagebuch 2: Gibt's Probleme?" handelt von dem Bemühen eines Schülers, zu den beliebten Kindern zu gehören. Greg (Zachary Gordon) muss sich zudem mit seinem Bruder Rodrick (Devon Bostick) herumplagen. Dieser lässt keine Gelegenheit aus, ihn in peinliche Situationen zu bringen. Das passt Greg gar nicht, zumal er ein Auge auf eine neue Schülerin geworfen hat. Das nicht ganz taufrische Konzept von der Anstrengung eines Schülers, beliebt zu werden, führt zu komischen Situationen.
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