Buena Vista International (Germany)
Regisseur und Hauptdarsteller Zach Braff
Zach Braffs Suche nach Einmaligkeit
Interview: Einsam, verwirrt und rastlos
Ein junger Schauspieler kehrt zur Beerdigung seiner Mutter in sein zu Hause zurück, mit dem er bereits vor Jahren abgeschlossen hat. Doch inmitten des Gefühls-Chaos trifft er zwischen alten Freunden und verdrängten Erinnerungen plötzlich auf ein Mädchen (Natalie Portman), das ihn herausfordert, das seinen Blick aufs Leben verändert. Zach Braff, 29, gelang mit "Garden State" ein packendes Zeitportrait einer orientierungslosen Jugend. Wir trafen den jungen Filmemacher in München.
erschienen am 25. 05. 2005
Buena Vista International
Hat Natalie Portman wegen einem Kuss die Rolle bekommen?
Ricore: Mr. Braff, für "Garden State" schrieben Sie das Drehbuch, führten Regie und spielten die Hauptrolle. Und das alles nur, um einmal Natalie Portman küssen zu können?

Braff: Vermutlich haben Sie Recht. (lacht) Natalie ist nicht nur hübsch, nicht nur eine gute Schauspielerin, sie hat etwas ganz Besonderes an sich, etwas, das man nicht wirklich in Worte fassen kann.

Ricore: War es denn schwer, sie für Ihren Low-Budget-Dreh zu gewinnen?


Braff: Eigentlich gar nicht schwer. Von Anfang an waren wir auf der Suche nach einem Mädchen, das in etwa so aussieht wie Natalie Portman. Dass sie selbst in unserem Film mitspielen würde, daran dachte niemand. Doch dann gefiel ihr das Drehbuch und sie wollte sich mit mir treffen. Während des Gesprächs gab sie spontan ihr OK.

Ricore: Sie haben Regie und Hauptrolle selbst übernommen. Eine große Herausforderung?


Braff: Besonders schwierig wurde es bei Szenen mit aufwendigen Kamerafahrten und Choreografien. Da musste ich, während wir eine Szene durchspielten, mit einem Auge ständig die Kamera beobachten. Generell hab ich jede Einstellung mit mir selbst circa viermal durchgespielt, bevor ich mir das gefilmte Material ansah.
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Trotz Portmans Zusage kein Geldregen für Garden State
Ricore: Man merkt der Story an, dass autobiografische Elemente enthalten sind. Hand aufs Herz: Wie viel ist wahr?

Braff: Etwa 75 Prozent basieren auf Erlebnissen, die verschiedenen Freunden und Bekannten von mir passiert sind. Seit meiner Kindheit sammele ich solche Eindrücke, das war der Anfang meines Drehbuchs. Autobiografisch ist eher meine Rolle im Film. Anfang zwanzig war ich ziemlich genauso drauf wie Andrew. Was jetzt nicht heißen soll, dass ich mich mittlerweile erwachsen fühle. Im Gegenteil: Irgendwie scheint meine Entwicklung mit achtzehn stehen geblieben zu sein. (lacht) Zumindest kommt es mir so vor.

Ricore: Trotzdem drehen Sie einen professionellen Film mit Hollywoodschauspielern...


Braff: Aus beruflicher Sicht bin ich auch erwachsen. Ich meinte damit eher mein Privatleben, mein emotionales, persönliches Seelenleben. Aber ich war immer zuversichtlich, dass ich den Film gemacht bekomme. Auch dann, als niemand sich beteiligen wollte.

Ricore: Hat Natalie Portmans Zusage nicht automatisch die Finanzierung erleichtert?


Braff: Nicht so stark wie ich anfangs dachte. Dabei erschien mir alles logisch: Ich war Teil einer erfolgreichen TV-Serie, Natalie Portman ein Superstar, damit waren die Würfel für mich gefallen. Die Geldgeber dachten anders...

Ricore: Warum?


Braff: Sie hatten nichts, mit dem sie das Drehbuch vergleichen konnten. Ich bekam noch nicht einmal Absagen, statt dessen immer wieder gut gemeinte Ratschläge. Man fragte mich, warum ich Leute in Szenen einführe, die im weiteren Verlauf der Handlung nicht wieder auftauchen. Warum das Mädchen von ihrer Epilepsie spricht, aber nie einen sichtbaren Anfall hat. Warum der Konflikt mit dem Vater nicht weiter ausgebaut würde. Erst nach Abänderung meines Drehbuchs sollte wieder verhandelt werden. Ich war dagegen. Im wirklichen Leben passiert es doch auch, dass wir Leuten nur ein einziges Mal begegnen. Warum also nicht im Film? Warum muss ein Mädchen mit Epilepsie sofort einen Anfall bekommen?
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"Mit Independent-Film Neuland betreten"
Ricore: Weil es bestimmte Vorgaben und Regeln gibt, nach denen ein Drehbuch für gewöhnlich strukturiert wird?

Braff: Diese Regeln sollten bei Blockbuster-Filmen zum Maßstab gemacht werden, nicht bei Independent-Filmen. Da will man doch Neuland betreten...

Ricore: Das gestörte Familienverhältnis erinnert trotzdem etwas an "Magnolia".


Braff: Kein Zufall, "Magnolia" gehört zu meinen absoluten Lieblingsfilmen. Überhaupt sprechen wir in Amerika gerne über gestörte Familienverhältnisse. In meinem Leben gibt es keine Aliens, Waffen oder Explosionen. Also erzähle ich von Dingen, bei denen ich mich auskenne. Ich erzähle über Freundschaft, Familie und Bekannte. Über die erste große Liebe. Über das Hin- und Her gerissen sein eines Zwanzigjährigen. Das sind meine Themen. Ein einziger Geldgeber war derselben Meinung und stellte 2,5 Millionen Dollar Budget zur Verfügung. Als der Film dann fertig war, interessierten sich plötzlich die großen Studios dafür. Heute sitze ich in München und gebe Interviews...

Ricore: ...und bekommen von den Einspielergebnissen vermutlich trotzdem keinen großen Anteil.


Braff: Das meiste Geld bekommt mein Sugar daddy, da haben Sie Recht. Er hatte das volle Risiko, also darf er jetzt auch verdienen.
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Zach Braff und Natalie Portman in Garden State
Ricore: Ist die Story von "Garden State" Ihrer Meinung nach ein Spiegelbild der amerikanischen Jugend?

Braff: Ursprünglich dachte ich, dass es sicher eine Handvoll Jugendliche gibt, die sich mit meiner Geschichte identifizieren können. Die verstehen, was es heißt, einsam und verwirrt und rastlos zu sein, sich nach einer Heimat zu sehnen, die so gar nicht existiert. Die Resonanz in Amerika hat mir gezeigt, dass wesentlich mehr Menschen sich damit identifizieren als ich jemals geahnt hätte. Auch über das Jugendalter hinaus.

Ricore: Auch die Musik ist zeitgenössisch und springt von Coldplay über Nick Drake zu Simon & Garfunkel. Ihr eigene Wahl?


Braff: Ich habe die Musik nach meinem ganz persönlichen Musikgeschmack ausgewählt. Der Soundtrack war für diesen Film sehr wichtig. Er markiert die richtige Stimmung.

Ricore: Und woher kommt die Idee, durch seltsame Körperverrenkungen einmal im Leben etwas zu tun, was kein anderer bisher gemacht hat?


Braff: Das ist eine Idee aus meinen Kindertagen, aus der Zeit, in der man sich das erste Mal so richtig Gedanken über seine Existenz macht. Ich wollte mich damals von den anderen abheben, etwas Einmaliges tun. Etwas, das in dieser Art und Weise zuvor niemand gemacht hatte. Ich fabrizierte seltsame Geräusche und verband das mit komischen Körperbewegungen. Den Ansatz dieser Idee sehen Sie im Film.

Ricore: Was ist der kostbarste Besitz in Ihrem Leben?


Braff: Meine Familie und mein Hund. Und sonst? Ich bin froh, dass ich mein kreatives Talent zum Beruf machen konnte. Geschichten zu erzählen macht mich glücklich. Immerhin war ich vor vier Jahren noch Kellner in einem vietnamesischen Restaurant. Ich musste mich finanziell über Wasser halten, aber die Story kennen Sie ja schon aus dem Film.
erschienen am 25. Mai 2005
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Garden State (Kinofilm)
Zach Braff, Star der TV-Comedy "Scrubs - Die Anfänger" tauscht Skalpell und Arztkittel gegen Regiezepter und Schnittmuster. Sein Regiedebüt ist eine hinreißende Komödie über einen psychotischen Schauspieler, der mit seiner Vergangenheit konfrontiert wird und das Leben neu entdeckt. Der Film erhielt auf dem Sundance Film Festival 2004 den Grand Jury Prize.
Geboren in South Orange, New Jersey, USA.
2024