Anna Weinreich/Ricore Text
Regisseur Shawn Levy
Triumph des menschlichen Geistes?
Interview: Shawn Levy lässt die Roboter tanzen
Shawn Levy mag es phantastisch. Zuerst hat er Ben Stiller in "Nachts im Museum" einen knochigen Dinosaurier auf den Hals gehetzt. Nun lässt er in "Real Steel - Stahlharte Gegner" futuristische Kampfroboter in den Boxring steigen. Im Interview mit Filmreporter.de spricht der Regisseur über die Furcht vor artifizieller Intelligenz, die Umsetzung der Boxchoreographien und seine zukünftigen Projekte. Zudem erklärt er uns, was Hugh Jackman zur richtigen Besetzung macht - um ein Arschloch zu spielen.
erschienen am 1. 11. 2011
Walt Disney
Real Steel - Stahlharte Gegner
Ricore: Sie sollen von "Real Steel - Stahlharte Gegner" zunächst nicht überzeugt gewesen sein.

Shawn Levy: Wenn man Roboter-Boxen hört, klingt das zunächst etwas merkwürdig. Den Zuschauer geht das ebenso. Daher wollte ich mehr machen, als einen Film über boxende Roboter. Es sollte um die Charaktere gehen, so dass Roboter-Boxen nur als Hintergrund dient.

Ricore: Denken Sie, dass sich boxende Roboter irgendwann auch in der realen Welt durchsetzen werden?

Levy: Absolut. Wenn man im Internet Roboter-Kämpfe eingibt, findet man Tanz- und Kampf-Wettbewerbe zwischen Robotern. Es handelt sich dabei nicht um riesige, anthropomorphe Roboter, aber unsere Gesellschaft ist von Maschinen offensichtlich fasziniert und sie spielen eine immer wichtigere Rolle in unserem Leben.

Ricore: Finden Sie es unheimlich, dass Menschen in bestimmten Bereichen irgendwann von Maschinen ersetzt werden könnten?

Levy: Ja, deshalb habe ich einen Film gemacht, in der der menschliche Aspekt im Vordergrund steht. Der einzige Grund, warum der Roboter Atom eine Chance zu gewinnen hat liegt darin, dass er menschliche Instinkte entwickelt. Die Botschaft des Films lautet, dass eine Maschine nicht über den menschlichen Geist triumphieren kann. Offensichtlich können sich die Zuschauer den Film auch anschauen, ohne so tiefgehend darüber nachdenken zu müssen, doch das ist die Botschaft des Films.
Anna Weinreich/Ricore Text
Hugh Jackman und Shawn Levy beim Fotocall für "Real Steel - Stahlharte Gegner" in München
Ricore: Das Spekulieren über artifizielle Intelligenz ist immer wieder ein zentrales Thema in Science-Fiction-Filmen. Warum sind Geschichtenerzähler so fasziniert davon?

Levy: Seit die Menschheit existiert, sind wir auf der Suche nach unserem Platz im Universum und stellen unsere Bedeutung in Frage. Die Vorstellung, dass uns Roboter irgendwann ersetzen könnten ist auf so grundlegende Weise furchteinflößend, dass artifizielle Intelligenz zur Bedrohung wird. Was uns Angst macht, erregt immer unsere Aufmerksamkeit.

Ricore: Beim Dreh einiger Szenen haben Sie Musik laufen lassen.

Levy: Ja, ich habe damit vor fünf Jahren begonnen, zuerst mit Steve Martin, dann mit Ben Stiller und schließlich mit Tina Fey. Je klüger ein Schauspieler ist, desto mehr muss man ihn aus der Reserve locken. Steve, Ben und Dakota wollte ich meine Ideen auf eine Weise vermitteln, bei der sie nicht darüber nachdenken, sondern es fühlen. Als Hugh am Anfang des Films im Truck fährt und seine Einsamkeit gezeigt wird, ließ ich hinter ihm das Lied auf meinem Handy laufen. Was man schließlich sieht, ist seine Reaktion darauf. Wenn am Ende des Films alles in Zeitlupe abläuft und Dakota dabei zusieht, wie Hugh boxt, habe ich niemanden mit Dakota sprechen lassen. Ich sagte lediglich zu ihm, dass er der Musik lauschen und dann dabei entstehenden Emotionen freien Lauf lassen soll. Wir ließen die Musik laufen und hatten die Szene mit einem Take im Kasten. Ich habe vor Jahren gelesen, dass Peter Weir und Cameron Crowe das so machen. Bei Szenen ohne Dialog kann man das so umsetzen.

Ricore: Ist "Real Steel" ein Film für die Computerspiel-Generation?

Levy: Das ist er mit Sicherheit, aber nicht ausschließlich. Ich dachte mir, der Film würde Anklang bei Jungs finden, die mit Videospielen aufgewachsen sind. Etwas Reales zu kontrollieren, ist eine Videospielfantasie. Es war aber schön zu sehen, dass auch Erwachsene und Frauen zu mir sagten: "Ich kann nicht glauben, dass ich auf einen Film emotional reagiert habe, in dem es um Roboter geht." Das liegt natürlich daran, dass es eigentlich nicht um Roboter geht, sondern um das Verhältnis zwischen einem Vater und seinem Sohn.
Walt Disney
Shawn Levy am Set von "Real Steel - Stahlharte Gegner"
Ricore: Inwiefern haben Sie sich von anderen Boxfilmen inspirieren lassen?

Levy: Bevor die Leute den Film gesehen haben, kam immer der Vergleich mit "Transformers" auf. Nachdem sie ihn gesehen hatten, erwähnten sie nur noch "Rocky" und das ist auch der passende Vergleich. "Real Steel" ist ein Sportfilm. Als ich mir die erste, fast drei Stunden lange Fassung des Films angesehen habe, erkannte ich gleich, dass er am besten als Sportfilm und Underdog-Geschichte funktioniert. Es ist also eine Art "Rocky". Es hat auch Elemente des Fußballfilms "Flucht oder Sieg" mit Stallone, bei dem ich mich nicht genau erinnere, worum es im Einzelnen geht. Ich erinnere mich aber, dass ich als Kind solche Filme mochte, bei denen man wirklich involviert ist. Auch dieses Gefühl wollte ich erzeugen.

Ricore: Was macht Hugh Jackman zum richtigen Darsteller für die Rolle?

Levy: Ich brauchte jemanden, der in körperlicher Hinsicht glaubwürdig einen Boxer spielen könnte. Darüber hinaus wollte ich, dass der Charakter Charlie Kenton in gewisser Weise ein Mistkerl ist. Manche Schauspieler sind brillant, werden aber vom Publikum nicht gemocht und es gibt Schauspieler, die Arschlöcher spielen können und trotzdem geliebt werden. Hugh Jackman ist jemand, der eine ungeheure Wärme ausstrahlt. Es machte Spaß, ihn ein Arschloch spielen zu lassen, da ich wusste, dass das Publikum ihn trotzdem mögen würde. Jemand anderen habe ich nicht in Betracht gezogen.

Ricore: Was können Sie uns über die visuelle Umsetzung der Roboter erzählen?

Levy: Das Ziel lag darin, nicht erkennen zu können, ob die Roboter real oder computeranimiert sind. In jeder Szene, in der die Roboter nicht gehen oder kämpfen, also in etwa 35 bis 40 Prozent des Films, sind echte Roboter zu sehen. Es handelt sich um ferngesteuerte, mit Hydraulik angetriebene Modelle. Für die Kampf-Szenen wurden die Bewegungen von echten Boxern beim Kämpfen mittels Motion-Capture-Anzügen erfasst und direkt auf Roboter-Avatare übertragen. Während ich die Szenen drehte, waren also die echten Boxer im Ring und gleichzeitig konnte ich auf dem Monitor in Echtzeit sehen, wie die Roboter im Ring stehen. Auch wenn die Kämpfe zwischen den echten Boxern großartig aussehen, erkennt man auf diese Weise, dass es bei den Robotern zu schnell aussieht oder dass die Arme viel länger sind. So kann man sich bei jedem einzelnen Schlag direkt an den Robotern orientieren.
Eric Charbonneau
Regisseur Shawn Levy
Ricore: Wie war das bei der Szene mit dem Stier?

Levy: Diese Szene war zu 50 Prozent echt und zu 50 Prozent computeranimiert. Ironischerweise war die Umsetzung des Stiers ein schwierigerer Spezialeffekt, als die Roboter, weil man bei einem Stier das Motion-Capture-Verfahren nicht anwenden kann. Tiere zu animieren ist am schwersten, da sie sehr spezifische Bewegungsabläufe haben.

Ricore: Was war die schwierigste Szene des Films?

Levy: In gewisser Weise die Szene, in der Dakota mit dem Roboter tanzt, denn ich wusste nicht, ob sie funktionieren würde. Ich habe dem Studio gesagt, dass es entweder großartig oder wirklich kitschig werden könnte. Hätte es nicht funktioniert, hätte ich es aus dem Film rausgenommen, da es nicht unbedingt notwendig ist. Dakota war sehr nervös, da er nie getanzt hatte und er es vor 2.000 jubelnden Statisten machen musste. Es hat also einige Zeit gedauert, bis er sich dabei wohl gefühlt hat. Als ich es mir dann mit Publikum angeschaut habe, konnte selbst der zynischste Teenager dem Charme des Tanzes nicht widerstehen.

Ricore: Was reizt Sie daran, immer wieder Familienfilme zu realisieren?

Levy: "Real Steel" habe ich nie als Familienfilm im Sinne von "Im Dutzend billiger", "Der rosarote Panther" oder "Nachts im Museum" gesehen. Diese Filme waren wirklich für Kinder und deren Eltern. "Real Steel" sollte ein Film werden, den sich jeder anschauen kann. Als Vater schätze ich jede Aktivität, die man generationenübergreifend miteinander unternehmen kann. Manche Familienfilme sind lediglich auf Kinder ausgerichtet. Ich versuche Filme zu machen, die für die ganze Familie sind. Pixar macht das etwa sehr gut.

Ricore: Sind weitere "Nachts im Museum"- sowie "Real Steel"-Fortsetzungen geplant?

Levy: Ja, Ben Stiller erzählt mir immer, dass er selten so einen weltweiten Zuspruch wie bei "Nachts im Museum" erlebt hat. Dieses Franchise hat meine Karriere geändert. Wir arbeiten derzeit am Drehbuch zum dritten Teil und wenn es wirklich gut wird, machen wir es. Als wir bei den Previews von "Real Steel" die Reaktionen sahen, begannen wir mit der Arbeit am Drehbuch. Wenn der Film erfolgreich wird, werden wir also einen weiteren machen, für den wir eine wirklich coole Idee haben.
Anna Weinreich/Ricore Text
Shawn Levy beim Fotocall für "Real Steel - Stahlharte Gegner" in München
Ricore: Davon abgesehen sollen Sie mit Hugh Jackman ein weiteres Projekt geplant haben.

Levy: Ja, "Lost"-Autor Carlton Cuse ist mit der Idee für einen Film auf mich zugekommen. Ich war großer "Lost"-Fan und fand seine Idee fantastisch. Es handelt sich um eine Art Mystery-Abenteuer und ich sagte, dass es großartig für Hugh wäre. Also habe ich ihm davon erzählt und er hat zugesagt. Nun arbeiten Carlton, Hugh und ich daran und die Presse fing an, Fragen darüber zu stellen. Als ich davon erzählen wollte, meinte Carlton zu mir: "Ich habe sechs Jahre lang 'Lost' gemacht und die erste Lektion lautet: Mund halten, nicht antworten. Es ist viel besser, wenn sie danach dürsten, mehr darüber zu erfahren." Daher kann ich nicht mehr dazu sagen.

Ricore: Wird "Frankenstein" Ihr nächstes Projekt?

Levy: Wahrscheinlich schon. Entweder "Frankenstein" oder "Fantastic Voyage". Beide Drehbücher sind sehr gut, wobei sie sehr verschieden sind. Bei beiden Filmen handelt es nicht um Komödien. "Fantastic Voyage" ist ein großes 3D-Science-Fiction-Event. "Frankenstein" erzählt die legendäre Geschichte aus der Sichtweise von Viktor Frankenstein und Igor. Das Drehbuch hat mich wirklich überrascht und umgehauen. Ich treffe mich mit Schauspielern in Europa, die ich dafür in Betracht ziehe.

Ricore: Überraschenderweise ist "Real Steel" nicht in 3D.

Levy: Viele Leute waren überrascht, dass mich das Studio den Film in 2D machen ließ. Doch die Sache ist die: Steven Spielberg ist das Studio. Er ist Dreamworks. Als ich mich mit ihm traf, sagte er zu mir, dass mein Hauptaugenmerk mehr auf den Charakteren als auf den Robotern liegen soll. Hätten wir in 3D gedreht, würde jeder bloß einen weiteren 3D-Roboter-Film darin sehen. Daher wollten wir ihn in 2D realisieren. Das war die Unterstützung, die ich brauchte.

Ricore: Der zweite Teil wird also auch in 2D gedreht werden?

Levy: Ja, ich denke schon.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 1. November 2011
Zum Thema
Schon als Jugendlicher feilt Shawn Adam Levy an seinen schauspielerischen Fähigkeiten im Zombie Nightmare". Als Schauspieler bleibt der große Erfolg jedoch aus. Nachts im Museum" wird zum internationalen Erfolg. Seinem Faible für familienfreundliche Unterhaltung bleibt er auch mit der Inszenierung von Filmen wie "Real Steel - Stahlharte Gegner" mit Hugh Jackman treu.
Charlie Kenton (Hugh Jackman) verdient seinen Lebensunterhalt mit Boxkämpfen zwischen hochentwickelten Robotern. Unterstützt von der Tochter (Evangeline Lilly) seines ehemaligen Trainers, konstruiert der heruntergekommene Ex-Profi-Boxer die Maschinen und steuert sie während der Kämpfe. Als die Mutter seines zehnjährigen Sohnes Max (Dakota Goyo) stirbt, kümmert er sich widerwillig um den Jungen. Leider entwickelt sich das Vater-Sohn-Verhältnis in "Real Steel - Stahlharte Gegner" bis zum..
2024