Universum Film
Markus Goller am Set von "Eine ganz heiße Nummer"
Versagen kein Problem
Interview: Selbstbewusster Markus Goller
Mit "Friendship!" gelingt Markus Goller der besucherstärkste deutsche Film des Jahres 2010. Dennoch habe er bei "Eine ganz heiße Nummer" keinen besonderen Erfolgsdruck gespürt, wie er Filmreporter.de versichert. Der Regisseur ist vom Erfolg seiner Komödie über drei Frauen aus einem bayrischen Dorf überzeugt. Ideen für eine Fortsetzung habe er bereits. Vielleicht geht es für die Damen ja nach Amerika. Was Amerikaner besser können als Deutsche, erklärt Goller im Interview.
erschienen am 25. 10. 2011
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Eine ganz heiße Nummer
Ricore: Wie kamen Sie zu "Eine ganz heiße Nummer"?

Markus Goller: Der Film kam zu mir. Der Kontakt entstand über Andrea Sixt, welche die Romanvorlage geschrieben hat. Sie hatte "Friendship!" gesehen, aber wir kannten uns bereits. Sie gab mir das Buch und es hat mir gefallen. Als ich es las, hatte ich das Gefühl, wahrhaftige Charaktere vor mir zu haben, die eine ganz eigene Sprache, Hinterfotzigkeit und Direktheit auszeichnet. Das war toll zu lesen, da es das nicht oft gibt.

Ricore: Entscheidend für die Geschichte ist das bayrische Kolorit...

Goller: Genau. Für mich stellte sich die Frage, was ich nach "Friendship!" machen wollte. Ein Film aus der Heimat war genau das Richtige für mich, auch weil "Eine ganz heiße Nummer" diametral das Gegenteil vom ersteren ist. Nun geht es nicht um zwei Jungs in Amerika, sondern drei Frauen in einem bayrischen Dorf. Das fand ich spannend, auch weil ich den Film ganz anders angehen wollte. Dennoch haben "Eine ganz heiße Nummer" und "Friendship!" ähnliche Themen. Es geht um Freundschaft, das Ich-Selbst-Sein, Eigenverantwortlichkeit und Menschlichkeit. Die Natürlichkeit der Figuren gefällt mir bei beiden Filmen.

Ricore: Spürten Sie nach dem großen Erfolg von "Friendship!" eine größere Erwartungshaltung?

Goller: Ich kann mir gut vorstellen, dass es die gibt. Wirklich spüren, kann ich eine größere Erwartungshaltung jedoch nicht. Alleine dadurch, dass mein neuer Film so anders ist als der vorherige, kann die Erwartungshaltung nicht zu groß sein. Außerdem ist "Eine ganz heiße Nummer" speziell aufs bayrische und österreichische Publikum zugeschnitten. Die Geschichte ist zwar international, aber der Charme und der Wiedererkennungswert ist für unsere bayrische Wurzelgruppe größer.
Sony Pictures
Friendship!
Ricore: Könnte so ein Film auch in Amerika gedreht werden?

Goller: Wenn man einen Film wie "Eine ganz heiße Nummer" auf unsere Art und Weise in Amerika drehen würde, wäre er dort richtig erfolgreich.

Ricore: Die Komödien "Hangover" und "Brautalarm" sind genau die richtigen Vorbilder, oder?

Goller: Ja, das ist eine super Idee! Wenn man Frauen aus dem mittleren Westen nehmen würde, die sich aus einem existentiellen Grund neu aufstellen, über ihren Schatten springen müssen und dabei nicht ins Vulgäre abdriften, hätte das großes Potential. Das war auch bei uns immer die große Frage: Wie vermeiden wir, dass "Eine ganz heiße Nummer" ins Vulgäre abdriftet? Mir ging es in der Geschichte nie darum, dass die Mädels Telefonsex machen. Es ist eine der höchsten Fallhöhen, die wir für die Mädels finden konnten. Für den Zuschauer ist das Ganze schlüpfrig und er muss seine Scham überwinden. Ich bin sehr froh, dass wir es geschafft haben, dass der Sex nie im Vordergrund steht. Es geht immer um den Menschen dahinter.

Ricore: Weshalb konnten Sie nicht wie geplant in einer Kirche in Regensburg drehen?

Goller: Den Ort hatten wir ganz am Anfang der Dreharbeiten als Schauplatz im Kopf. Die Kirche hat einfach einen Riegel davor geschoben und gesagt, dass sie nicht wollen, dass das Buch auf ihrem Besitz verfilmt wird. Das konnte ich gut verstehen. Wenn man nicht weiß, in welche Richtung der Film gehen soll und nur das Buch kennt, kann man schon Angst davor haben, ob man den künftigen Ton des Films unterstützen möchte. Für uns war das natürlich ganz schwierig. Wir dachten bis kurz vor Drehbeginn, dass es geht. Ich habe nicht die Intention, mit dem Film der Kirche an den Karren zu fahren oder irgendwie böse zu sein. Auch kritisiere ich nicht das Kleinbürgertum. Für mich ist wichtig, dass deutlich wird, was den dargestellten Figuren die Strukturen bedeuten, in denen sie leben.

Ricore: Haben Sie zur Vorbereitung auf den Film Telefonsex gehabt?

Goller: Ganz ehrlich - niemals. Auch nicht zur Vorbereitung. Ich war gar nicht daran interessiert zu sehen, wie so etwas in Wirklichkeit abläuft. Ich wollte keinen Film über Telefonsex drehen. Vielmehr wollte ich eine Geschichte darüber umsetzen, was es bedeutet diesen Beruf auszuüben. Andrea [Sixt] hatte mal ein wenig recherchiert, aber nicht sehr weit. Sie als Frau hat auch gar keine Möglichkeit irgendwo anzurufen. Wenn ich gesagt hätte, ich drehe einen Film über Frauen die Telefonsex machen, hätte das einen falschen Eindruck von der Geschichte erweckt.
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Rosalie Thomass und Sigi Zimmerschied in "Eine ganz heiße Nummer"
Ricore: Haben Sie "Eine ganz heiße Nummer" als Regie-Projekt nach "Friendship!" gewählt, um nicht in eine Schublade geschoben zu werden?

Goller: Das kann man so sehen. Mich hat der Stoff interessiert. Ich wollte nicht das Gleiche noch mal machen, sondern mich weiterentwickeln. Außerdem war es interessant, mal mit Frauen im Hauptcast zu arbeiten. Ich konnte dabei unheimlich viel lernen.

Ricore: Welche Unterschiede gibt es zwischen einem männlichen und einem weiblichen Hauptcast?

Goller: Letztendlich keine. Ich hatte bisher immer das Glück mit ganz tollen Menschen zu arbeiten.

Ricore: Weshalb war die Pause zwischen "Friendship!" und "Planet B - Mask Under Mask" so lange?

Goller: Ich bezeichne "Friendship!" eigentlich als meinen ersten Film und "Eine ganz heißer Nummer" als meinen zweiten. "Planet B - Mask Under Mask" war eine große Chance aus dem Cutter-Dasein auszubrechen und ein Projekt wie in einem Hochschul-Crashkurs machen zu dürfen, bei dem dann auch noch ein Film entsteht. Der Inhalt war mir dabei nicht so wichtig. Ich wollte einfach nur Dinge ausprobieren und sehen was ich mit dem geringen Budget erreichen kann. Persönliche Gefühle waren für mich da noch nicht dabei. Außerdem war ich nach diesem Projekt für mehrere Jahre in Amerika. Das Gute an "Planet B - Mask Under Mask" war, dass ich Produzent Thomas Zickler als Menschen kennengelernt habe. Erst über ihn bin ich auf die Idee zu "Friendship!" gekommen.

Ricore: Weshalb waren Sie in den USA?

Goller: Wegen meiner Frau Katja von Garnier, der Regisseurin von "Abgeschminkt" und "Bandits". Sie hat in den USA gelebt und ich habe sie dort kennengelernt. Dann ist sie schwanger geworden und ich bin zu ihr gezogen.
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Bettina Mittendorfer in "Eine ganz heiße Nummer"
Ricore: Wie war für Sie die Zeit in Amerika?

Goller: Amerika war ganz toll. Ich habe viel gelernt und eine Mentalität kennengelernt, die mir eine tolle Sicht auf die Welt gegeben hat. Wir sind eigentlich nur zurückgekommen, weil ich die ganze Postproduktion von "Friendship!" in Berlin machte. So etwas dauert meist acht bis zehn Monate. Da wir nicht so lange voneinander getrennt sein wollten, sind meine Frau und mein Kind gleich mitgekommen. Da es uns in Berlin gefallen hat, sind wir erst einmal geblieben.

Ricore: Inwiefern unterscheidet sich die amerikanische von der deutschen Mentalität?

Goller: Wenn jemand etwas ganz Tolles gemacht hat, dann unterhältst du dich mit dem Amerikaner so, dass er erst einmal daran interessiert ist, wie dein Erfolg überhaupt zustande gekommen ist. Er interessiert sich für die Sache. In Deutschland kommt hingegen kaum ein Gespräch zustande. Denn die Person, die etwas von der anderen lernen könnte, ist oft erst einmal nur neidisch. Der Deutsche ist wesentlich neidischer, als der Amerikaner. In den USA sind die Menschen anderen gegenüber wesentlich offener. Man mag das zwar zuweilen als Oberflächlichkeit auslegen, aber das Grundinteresse an dem Anderen ist in den USA größer als hierzulande.

Ricore: Woran liegt das?

Goller: Wir sind ein alteingesessenes Volk. Die Amerikaner haben sich eigentlich alle neu aufgestellt, sind als Fremde gekommen und mussten deshalb miteinander funktionieren.

Ricore: Dann könnte man aber auch behaupten, dass mit der Zeit in den USA das Gleiche passieren wird, was jetzt in Deutschland der Fall ist.

Goller: Das kann sein. Nur ernährt sich das Volk nach wie vor von zahlreichen Emigranten. Ihrer These möchte ich jedoch nicht widersprechen.
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Rosalie Thomass in "Eine ganz heiße Nummer"
Ricore: Welche Projekte werden Sie nach dem Kinostart von "Eine ganz heiße Nummer" verwirklichen?

Goller: Mit Andrea schreibe ich bereits an einem neuen Projekt. Es wird wieder eine Komödie mit lebensnahen Charakteren. Darüber hinaus gibt es noch ein paar weitere Sachen.

Ricore: Erneut mit Lokalkolorit?

Goller: Nein. Dieses Mal ist es ein nationales Projekt. Aber es gibt auch bayrische Ideen. Wenn "Eine ganz heiße Nummer" gut läuft, haben wir auch schon eine Idee, wie es weitergehen könnte. Die Art und Weise wie dieser Film entstanden ist, war sehr schön. Außerdem sind wir zu einem tollen Haufen geworden, so dass wir uns freuen würden, wenn es einen zweiten Teil geben würde. Ich kann mir gut vorstellen, dass man mit den drei Mädels noch woanders hingeht.

Ricore: Wann ist das Ergebnis von "Eine ganz heiße Nummer" gut genug, dass es eine Fortsetzung geben wird?

Goller: Ich möchte da keine Zahlen nennen. Aber ich habe schon relativ hohe Erwartungen. Die Testvorführungen, die wir bisher gemacht haben, haben die Zuschauer gut aufgenommen. Wenn der Funke auch auf die Masse überspringt, bin ich mir ganz sicher, dass es einen zweiten Teil geben wird.

Ricore: Kommt der Film im ganzen Bundesgebiet an?

Goller: Der Film ist für Bayern gemacht, für unser Lokalkolorit. Es ist ganz unterschiedlich wie "Eine ganz heiße Nummer" in Deutschland aufgenommen wird. Manche können mit der Komödie etwas anfangen, manche nicht. Wenn ich jetzt aber zum Beispiel einen Hamburger Film hätte, der das dortige Kolorit beschreibt und plattdeutsch gesprochen wäre, wüsste ich nicht, ob ich da reingehen würde - unabhängig davon, ob der Film womöglich sehr gut ist. Deswegen ist "Eine ganz heiße Nummer" für Bayern und die Region. Alles was darüber hinaus kommt, ist schön.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 25. Oktober 2011
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