Constantin Film
Veronica Ferres
"Ich lass mich nicht verbiegen"
Interview: Kämpferische Veronica Ferres
Veronica Ferres spielt gerne starke Frauen, die sich für ihre Ziele einsetzen. Wie in ihren Rollen, engagiert sich die Schauspielerin auch in ihrem Leben. Anlässlich des Fernsehfilms "Die lange Welle hinterm Kiel" hat sich Filmreporter.de mit der 46-jährigen unterhalten und sie über ihre Arbeit und ihre sozialen Projekte befragt. Außerdem erzählte uns Ferres, wie sie mit Kritik umgeht und was sie gegen ihr Lampenfieber unternimmt.
erschienen am 4. 01. 2012
ARD Degeto Mona Film/ Georges Pauly
Mario Adorf und Veronica Ferres in "Die lange Welle hinterm Kiel"
Ricore: "Die lange Welle hinterm Kiel" handelt von der Vertreibung der Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg. Reizt Sie bei thematisch ambitionierten Projekten eher der Stoff oder gehen Sie mehr von den Figuren aus?

Veronica Ferres: Hier hat mich die Geschichte mehr gereizt, denn die Figur, obwohl sie für mich Neuland war. Abgesehen davon kann man zu einer Literaturverfilmung von Pavel Kohout sowieso nicht nein sagen. Ich habe zugesagt, noch bevor ich das Drehbuch gelesen habe. Es war mir eine Ehre, dabei gewesen zu sein.

Ricore: Um die Vertreibungsthematik ist es in letzter Zeit ein wenig stiller geworden. Glauben Sie oder hoffen Sie, dass der Film die Diskussion wieder entfachen wird?

Ferres: Ich hoffe, dass "Die lange Welle hinterm Kiel" das Thema vor allem jungen Menschen näher bringt. Für die meisten ist die Vertreibungsproblematik kein Begriff. Es wäre schön, wenn der Film einen emotionalen Zugang zu diesem Thema ermöglichen und auch zu einem vorurteilsfreien Verständnis von beiden Seiten beitragen würde. Wir ergreifen keine Partei, sondern zeigen die Verhältnisse wertungsfrei, damit sich jeder selber seine Meinung bilden kann. Das war uns sehr wichtig. Das ist auch der Grund, wieso die Handlung auf dem Schiff spielt.

Ricore: Stichwort Handlungsort: Die Dreharbeiten fanden auf einem Schiff und an der der Adria statt. Wie schwierig ist es, angesichts solcher Drehorte sich auf die Arbeit zu konzentrieren?

Ferres: Die Arbeit war schon ziemlich intensiv. Ganz zurückziehen konnten wir uns nicht. In dem Moment, wenn man auf dem Schiff auf die Filmcrew und die anderen Passagiere trifft, ist man unter Beobachtung. Trotzdem war es eine außergewöhnliche und unvergessliche Zeit. Außerdem habe ich selten so einen Zusammenhalt zwischen den Crewmitgliedern erlebt, wie bei dieser Produktion. Vielleicht lag das daran, dass wir auf der Flucht waren und manchmal nicht wussten, in welchen Hafen wir einlaufen werden.
Constantin Film
Veronica Ferres und ihre junge Kollegin Michelle von Treuberg
Ricore: Warum waren sie auf der Flucht?

Ferres: Der griechische Reeder wollte das Schiff konfiszieren. Sobald wir in einem griechischen Hafen eingefahren wären, hätten das Filmteam und die anderen Passagiere von Bord gemusst. Also blieben wir auf See und kreuzten durch das Mittelmeer (lacht). Keiner wusste wann und wo wir wieder Land erblicken würden. Das war schon ein besonderes Erlebnis, wodurch das Team eng zusammenrückte.

Ricore: Bestand die Gefahr, dass die Dreharbeiten abgebrochen werden mussten?

Ferres: Ja, die Gefahr bestand jeden Tag. So lange wir nicht wussten, wie es weitergeht, haben wir gedreht, was wir konnten. Wir nutzten jede Möglichkeit und jedes Licht, um die Arbeit voranzubringen. Immer wenn kein Land im Hintergrund zu sehen war, begannen wir zu drehen. Dass wir den Film letztlich fertig gekriegt haben, war Zufall und ein logistisches Meisterstück gleichermaßen.

Ricore: Sie spielen oft starke Frauenfiguren, die entsprechend ihrer Ideale handeln. Gleichzeitig engagieren Sie sich für soziale Projekte. Glauben oder spüren Sie, dass ihr filmisches und soziales Engagement etwas bewirkt?

Ferres: Ich geh da ganz naiv von mir aus. Ich weiß, dass manche Filme bei mir durchaus etwas bewirken. Ob es sich dabei um einen Dokumentarfilm von Michael Moore handelt, um fiktive Filme wie Clint Eastwoods "Hereafter - Das Leben danach" oder um eine Liebeskomödie von Woody Allen - diese Filme beschäftigen mich nachhaltig. Man macht durch Filme Erfahrungen und hat emotionale Begegnungen. Das kann einen Menschen durchaus verändern, davon bin ich fest überzeugt.
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Veronica Ferres in "Klimt"
Ricore: Was Ihr soziales Engagement angeht, haben Sie da manchmal nicht das Gefühl, dass Sie gegen Windmühlen anrennen?

Ferres: Vielleicht kann man keine bessere Welt schaffen. Aber wenn man nur das Schicksal eines einzigen Kindes ändert, hat man schon Gigantisches erreicht. Ob das Engagement im privaten Umfeld stattfindet, oder ob es sich um Sammeln von Spendengeldern für ein Krankenhaus in Jerusalem handelt, es ist schön, wenn die Hilfe ankommt. Selbst wenn es sich dabei um Einzelschicksale handelt. Einmal fragte mich ein Mann auf der Straße, ob ich nicht eine halbe Million Euro hätte. Er erzählte mir, dass seine 15-jährige Nichte in Kosovo an Leukämie erkrankt sei. Sie werde nicht mehr behandelt und sei auch nicht mehr krankenversichert. Innerhalb weniger Tage habe ich durch meine Verbindungen die Summe beschafft. Daraufhin wurde das Mädchen nach Düsseldorf eingeflogen und erfährt dort die beste medizinische Versorgung.

Ricore: Sie wurden katholisch erzogen. Ist ihr Engagement eine Erziehungssache oder gab es ein entscheidendes Erlebnis, das Sie dazu bewogen hat, anderen zu helfen?

Ferres: Nein, ein einschneidendes Erlebnis hat es nicht gegeben. Ich habe schon immer nach dieser Maxime gedacht und gehandelt. Meine Eltern waren in diesem Punkt ein gutes Vorbild. Obwohl sie kaum Geld hatten, unterstützten sie Patenkinder aus der ganzen Welt oder auch Kinderheime. Ich finde, soziales Engagement sollte etwas ganz Selbstverständliches sein. So wie man regelmäßig Sport macht, sollte man die Augen für die Probleme anderer Menschen offen halten.

Ricore: Oft wird die Hilfe von prominenten Persönlichkeiten in der öffentlichen Wahrnehmung als PR-Maßnahme verzerrt. Können Sie das nachvollziehen?

Ferres: Ich denke, jeder hat das Recht seine Meinung über etwas zu äußern. Das tue ich ja auch. Es gibt Hollywoodstars, die ich mag und solche, die ich nicht mag. Wir leben in einer Demokratie, in der jeder sagen kann, was er will. Die Kritik an prominenten Persönlichkeiten hat oft einfach nur damit zu tun, dass sie bekannt sind. Wer sich in die Öffentlichkeit begibt, setzt sich zwangsläufig der Kritik aus.

Ricore: Führt übermäßige Kritik nicht doch zur Resignation?

Ferres: Nein, überhaupt nicht. Es ist nicht mein Ziel, dass mich alle mögen. Wichtig ist mir, dass ich mein Leben lebe, wie ich es für richtig halte. Ich bin ein sehr intuitiver Mensch und handle oft aus dem Bauch heraus. Das gilt für alle Bereiche meines Lebens, ob im Beruf oder im privaten Umfeld. Ich lass mich nicht verbiegen, egal was andere denken. Wenn man in meinem Beruf nicht kritikfähig ist, dann hat man hier nichts zu suchen. Für mich ist Kritik wichtig, wenn man es damit aufrichtig meint. Dann nehme ich sie gerne an und versuche mich zu bessern.
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Veronica Ferres in "Klimt"
Ricore: Das klingt selbstbewusst. Dabei waren Sie als Kind und Jugendliche eher scheu, zurückhaltend und litten an Lampenfieber.

Ferres: Ja, in diesem Punkt hat sich bei mir einiges getan. Durch den Beruf, die Begegnung mit unterschiedlichen Menschen lernt man sich besser kennen. Aber das Lampenfieber, vor allem bei den ersten Drehtagen oder bei Liveauftritten, wird nicht geringer - im Gegenteil. Je mehr man vom Leben und vom potenziellen Scheitern weiß, desto schlimmer wird es.

Ricore: Setzen Sie sich mit diesen oder ähnlichen 'Schwächen' bewusst auseinander? Unternehmen Sie etwas dagegen?

Ferres: Was mir wahnsinnig hilft, ist Musik. Außerdem singe ich gerne. Auch Sport hilft, Stress abzubauen und fit und gesund durchs Leben zu gehen. Musik, Singen und Sport sind für mich ganz wichtige Ausgleichsfaktoren.

Ricore: Sie spielen demnächst in einer amerikanischen Produktion mit. Können Sie uns etwas darüber erzählen?

Ferres: Es handelt sich um "Black Butterfly", einem amerikanischen Kinofilm mit deutschen Koproduzenten. Nicolas Cage spielt die männliche Hauptrolle. Auch Ethan Hawke hat Interesse bekundet und könnte dabei sein. Ich spiele die weibliche Hauptrolle. Es ist ein Thriller, sehr subtil, mit einem intelligenten Drehbuch. Regie wird Brian Goodman führen, den ich bereits getroffen habe. Er ist Engländer und hat zuletzt den bemerkenswerten Film "Boston Streets" gemacht. Drehbeginn ist der 16. Januar 2012, voraussichtlich ein Jahr später wird er im Kino anlaufen.

Ricore: Stehen noch weitere Projekte an?

Ferres: Ja, außerdem spiele ich in der Kinoverfilmung des Kinderromans "Rubinrot" mit, in dem ich eine Zeitreisende verkörpere. Das aktuellste Projekt ist allerdings der Fernsehfilm "Die kleine Lady", eine freie Adaption des Romans "Der kleine Lord". Darin spiele an ich eine Frauenrechtlerin im 19 Jahrhundert, die sich unter anderem mit dem Boxen durchs Leben schlägt. Es ist eine Rolle, in der ich auch singe.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 4. Januar 2012
Zum Thema
Veronika Maria Cäcilia Ferres wird 1965 als jüngste Tochter eines Kohlen- und Kartoffelhändlers in Solingen geboren. Nach dem Abitur studiert sie Germanistik und Theaterwissenschaft in München, bricht aber ohne Abschluss ab. An diversen Schauspielschulen wird sie abgelehnt. Über kleinere Nebenrollen in TV-Filmen und Serien schafft die damalige Freundin von Regisseur Helmut Dietl dennoch den Durchbruch. Hera Linds Das Superweib", "Schtonk!" oder "Rossini - oder die mörderische Frage, wer mit..
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