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Gary Oldman in "Dame, König, As, Spion"
"Früher wollte ich Fußballspieler werden"
Interview: Gary Oldman steht wieder im Licht
Zum Interview erscheint Gary Oldman in einem dunkelblauen Samtjacket und Hemd im sanften rosa. Er trägt keine Krawatte, sondern hat einen Seidenschal leger umgebunden. Insgesamt wirkt er sehr britisch, was sich auch in seiner Art zu sprechen ausdrückt. Es macht den Anschein, als hätte er den Charakter des George Smiley, den er in "Dame, König, As, Spion" spielt, noch nicht ganz abgeschüttelt. Aber vielleicht ist er auch einfach so. Dass der 53-Jährige schon Psychopathen wie Stansfield in "Léon - Der Profi" gespielt hat, ist kaum vorstellbar.
erschienen am 31. 01. 2012
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Dame, König, As, Spion
Ricore Text: Waren Sie schon einmal in Berlin?

Gary Oldman: Nein, es ist das erste Mal. Bislang habe ich noch nicht viel gesehen, nur das Brandenburger Tor. Doch ich hoffe, dass ich morgen noch ein bisschen Zeit habe, mir die Stadt anzusehen.

Ricore: Sie spielen einen Spion während des kalten Krieges. Wollten Sie Spion werden, als Sie jung waren?

Oldman: Nein. Ich bin zwar mit dem Bild von "James Bond" als Spion groß geworden. Aber ich wollte nie Spion sein. Früher wollte ich Fußballspieler werden. Ich war sogar ganz gut. Aber dann entdeckte ich Mädchen und mein Fokus lag plötzlich weniger auf Fußball.

Ricore: Für die Rolle des George Smiley sind sie in große Fußstapfen getreten.

Oldman: Ich sagte nicht sofort zu, als man mir die Rolle von Smiley anbot. Ich habe einen Monat überlegt, ob ich sie annehmen soll. Sir Alec Guinness, der die Rolle 1979 in einer Kurzserie spielte, ist einer der größten britischen Schauspieler. Wenn man zu jener Zeit jemanden auf der Straße gefragt hätte, der den Roman von John Le Carré kannte, wer Smiley ist, hätte er Alec Guinnes geantwortet. Er war das Gesicht von George Smiley.

Ricore: Wie sind Sie schließlich an die Figur herangegangen?

Oldman: Filmcharakter sind ein bisschen wie Mosaike, ein kleines Steinchen von hier, eins von da. Ich füge sie zusammen. Für Smileys Stimme habe ich mich beispielsweise an der von le Carré orientiert. Er hat eine sehr interessante Art zu sprechen. Er hat auch einen ähnlichen sozialen Hintergrund wie Smiley. [Regisseur] Tomas Alfredson schickte mir außerdem ein Foto von Graham Greene in einem Regenmantel. Ich finde, Smiley hat außerdem noch etwas von Michael Redgrave. Hinter seinen dicken Brillengläsern sieht Smiley aus wie eine Eule. Ich stelle ihn mir wie eine alte, sehr weise Eule vor. Er sieht und hört alles.
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Benedict Cumberbatch und Gary Oldman in "Dame, König, As, Spion"
Ricore: Haben Sie sich auch am Roman orientiert?

Oldman: Natürlich. Wenn man ein so gutes Drehbuch hat, das dazu noch auf einem großartigen Roman basiert, ist es wirklich einfach. Man folgt einfach der Beschreibung und kocht einen guten Smiley.

Ricore: Der Film hat viele kleine Details, die seine Atmosphäre untermalen. Als Smiley in dem geheimen Haus auf das Eintreffen der Verräter wartet, lutscht er ein Minzbonbon. Stand all das schon im Drehbuch?

Oldman: Nein. Die Leute, die für die Ausstattung zuständig waren, haben einen fantastischen Job gemacht. Ich hatte sozusagen ein komplettes Leben in meiner Tasche. Unter anderem schlummerten da auch seit Wochen diese Minzbonbons. Ich habe mich mit Tomas fast wortlos verstanden. Dann kam der Tag, an dem neben anderen auch diese Szene gedreht werden sollte und ich sagte zu ihm, dass ich da noch diese Bonbons in der Tasche hätte. Er meinte, ja, großartige Idee. Ich musste den Satz überhaupt nicht beenden. Solche Ideen flogen uns einfach zu.

Ricore: Der Film unterscheidet sich in seiner Art deutlich von gängigen Agentenfilmen. Er ist sehr ruhig, fast meditativ. Funktioniert das?

Oldman: Ich war sehr erleichtert, als ich das Drehbuch bekam und merkte, dass sich niemand genötigt fühlte, es an unsere Zeit anzugleichen. Es würde keine Verfolgungsjagden geben. Das Publikum ist heute an "James-Bond"-Filme und die "Bourne"-Trilogie gewöhnt: laute Filme mit schnellen Schnitten. Unser Film orientiert sich an der ruhigen Machart der 1970er Jahre. Es gibt viele Nahaufnahmen und wenige Schnitte.

Ricore: Birgt das nicht auch ein gewisses Risiko?

Oldman: Man kann nie vorhersagen wie das Publikum auf einen Film reagieren wird. Aber es sieht gut aus. In einem großen Kino in Amerika laufen beispielsweise "Dame, König, As, Spion", "Verblendung", "Gefährten" und "The Descendants - Familie und andere Angelegenheiten". Die Leute haben die Wahl und es gehen pro Vorführung mehr Zuschauer in unseren Film als in die anderen. Das ist sehr ermutigend.
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Gary Oldman und John Hurt in "Dame, König, As, Spion"
Ricore: Haben Sie die Zeit des kalten Krieges in den 1970er Jahren bewusst miterlebt?

Oldman: Normalerweise wird man in den Nachrichten oder der Zeitung auf bestimmte Ereignisse aufmerksam gemacht. Aber ich war damals ein Teenager. Meine Hormone spielten verrückt. Ich sehe es jetzt an meinem Sohn, die Welt besteht nur aus den Dingen, für die er sich interessiert. Ich interessierte mich damals nur für David Bowie, Motown und Mädchen.

Ricore: Was ist George Smiley für ein Mensch? Warum kommt er aus dem Ruhestand zurück?

Oldman: Er kommt ja nur kurz zurück, um die Scherben aufzufegen. Seine Geschichte wird in den Romanen "Eine Art Held" und "Agent in eigener Sache" weiter erzählt.

Ricore: Werden Sie ihn nochmal spielen?

Oldman: Es gibt Pläne, "Agent in eigener Sache" zu verfilmen. Mit Tomas Alfredson und mir. Die Geschichte endet übrigens hier in Berlin. Smiley spürt Karla auf. Ich denke, ich verrate nicht zuviel, wenn ich das erzähle, denn der Roman ist ja sehr bekannt. Am Ende gehen sie über die Glienicker Brücke. Karla sagt zu Smiley: You've won, George, you won. Und Smiley antwortet: I suppose so. Eine großartige Zeile. Wer würde diesen Satz nicht sagen wollen?

Ricore: Würden Sie sagen, dass jetzt ihre zweite große Zeit angebrochen ist.

Oldman: Karrieren sind seltsame Dinge. Man geht in das Licht und tritt wieder heraus. Die letzten zehn Jahre orientierten sich mit "Harry Potter" und "Dark Knight" eher am Fantasy Genre. Ich habe währenddessen zwei Söhne aufgezogen. Wenn man älter wird, verlagern sich die Prioritäten. Ich habe in dieser Zeit meine Karriere hinten angestellt, da ich wirklich für meine Jungs da sein wollte. Jetzt sind sie zwölf und 14 Jahre alt und ich denke, ich kann wieder etwas mehr arbeiten. Ich würde gerne wieder Regie führen. Ich hoffe das klappt 2013.

Ricore: Haben sich die Persönlichkeiten ihrer Figuren verändert, die sie spielen?

Oldman: Ich bin jetzt 53. Mit der Zeit verlangsamt sich alles etwas.

Ricore: Wann fühlen Sie sich als Schauspieler glücklich?

Oldman: In dem Moment, in dem ich spiele. Ich mache das jetzt seit 30 Jahren, was eine lange Zeit ist, um immer das gleiche zu tun. Manchmal fühle ich mich, als würde ich am Fuß eines Berges stehen. Ich sehe zur Spitze und frage mich, wie ich da bloß hinkommen soll. So fühlte ich mich auch mit Smiley. Denn Alec Guinnes hat den Gipfel erreicht. Er hat seine Flagge dort oben gehisst. Ich dachte, dass ich vermutlich auf halbem Weg festfrieren werde.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch!
erschienen am 31. Januar 2012
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Der englische Charakterdarsteller verlässt mit 16 Jahren die Schule, um ein Stipendiat des Sid & Nancy".Bram Stoker's Dracula" von Francis Ford Coppola und Luc Bessons Meisterwerk "Léon - Der Profi". Dank seinen Auftritten in den äußerst erfolgreichen "Harry Potter"-Filmen sowie der "Batman"-Filmreihe von Christopher Nolan gehört Oldman zu den erfolgreichsten Schauspielern aller Zeiten.Donald Sutherland sagte einmal, Oldman sei der beste Schauspieler aller Zeiten, ohne Tomas Alfredsons..
Nachdem bereits 1979 John Le Carrés Roman "Dame, König, As, Spion" als Fernsehmehrteiler adaptiert wurde, hat sich nun Tomas Alfredson an den Stoff gewagt. In der Verfilmung des schwedischen Regisseurs übernimmt Gary Oldman die Rolle des alternden Agenten George Smiley, der einen Verräter in den Reihen des britischen Secret Service ausfindig machen soll. Dabei liefert der Schauspieler mit seinem präzisen Spiel eine hervorragende Leistung. Ebenso brillant ist die wohldurchdachte Inszenierung,..
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