Universal Pictures International (UPI)
Charlize Theron beim Photocall zu "Snow White & the Huntsman"
Für immer jung?
Interview: Schönheitskönigin Charlize Theron
Schönheit hat ihren Preis. Das muss auch Charlize Theron als böse Königin in "Snow White & the Huntsman" feststellen. In der düsteren Märchenadaption verzweifelt sie daran, dass nicht sie, sondern Schneewittchen die Schönste im ganzen Land ist. Im Interview mit Filmreporter.de spricht Theron über den Schönheitswahn in Hollywoods Filmindustrie. Zudem verrät sie, wie sich ihr Leben durch ihren Sohn verändert hat.
erschienen am 31. 05. 2012
Universal Pictures International (UPI)
Snow White & the Huntsman
Ricore: Was hat Sie an der Rolle der bösen Königin Ravenna in "Snow White & the Huntsman" angesprochen?

Charlize Theron: Ich war daran interessiert, die Geschichte zu ergründen. Zudem hatte ich bislang nicht die Möglichkeit, in einem derart großen Sandkasten zu spielen. Das fand ich sehr aufregend. Ich bin besessen von der Realität, daher muss auch meine Arbeit in realen Dingen begründet sein. Es gibt bestimmte Dinge, an die ich glaube und die in meiner Arbeit durchscheinen. Ich glaube nicht, dass man böse geboren wird. Wir sind das Produkt unserer Umwelt. Um Ravenna zu spielen, musste ich ihre Boshaftigkeit verstehen, sonst wäre es einfach nur theatralisch und albern geworden. Daran habe ich kein Interesse. Mich interessiert das Wie und Warum.

Ricore: Mit welchen Märchen sind Sie aufgewachsen?

Theron: Ich bin mit afrikanischer Folklore aufgewachsen. Wir mögen unseren Aberglauben und Folklore, die auf Mythologie basiert. Die Gebrüder Grimm habe ich erst als Jugendliche gelesen, als ich 16 oder 17 war.

Ricore: Lesen Sie Ihrem Sohn Märchen vor?

Theron: Er ist noch ein Baby. Ich könnte ihm ein Menü vorlesen und er würde es lieben [lacht]. Eines Tages werde ich ihm ganz bestimmt Märchen vorlesen.

Ricore: In gewisser Weise spiegelt Ravennas Besessenheit nach ewiger Jugend den Schönheitswahn der Filmindustrie.

Theron: Ich mache keine Filme für Hollywood, ich mache Filme für Menschen. Die Geschichte von "Snow White & the Huntsman" spricht Frauen aus aller Welt an. Für Frauen in unserer Gesellschaft ist das Altern schwieriger zu tragen, als für Männer. Das ist einfach ein Fakt. In Hollywood stehen alle im Scheinwerferlicht, doch es gibt auch ein Leben außerhalb Hollywoods. Glauben Sie mir, wenn nur Hollywood die weltweite Schönheitsindustrie am Leben erhalten würde, wären die Schönheitsfirmen nicht so reich. Frauen müssen damit anfangen, die Dinge in die eigene Hand zu nehmen und wir müssen unseren Wert an etwas anderem bemessen als danach, wie wir aussehen. Ich hatte großes Glück, dass ich so aufgezogen wurde. Ich wurde nie für mein Aussehen belohnt. Meine Eltern haben mich immer dafür gewürdigt, dass ich gut im Sport oder beim Ballett war. Daher fällt es mir nicht schwer, mich auf andere Dinge als das Aussehen zu fokussieren. Als Schauspielerin geht es mir nicht um Schönheit, meine Aufgabe besteht darin, echte Menschen zu spielen. Ich denke, das sieht man, wenn man meine Filme schaut. Ich glaube nicht, dass ich jemals einen Job bekommen habe, weil ich hübsch bin.

Ricore: Wie schwierig war es dennoch, die Leute zu Beginn Ihrer Karriere davon zu überzeugen, dass Sie nicht nur hübsch, sondern auch eine talentierte Schauspielerin sind?

Theron: Ich glaube, ich hätte diese Schwierigkeiten auch gehabt, wenn ich anders aussehen würde. Man muss beweisen, dass man Talent besitzt, denn es geht nicht nur ums Aussehen. Ich bin mir sicher, wenn ich anders aussehen würde, hätten mich dieselben Regisseure auf genau dieselbe Art getestet. Bei einer komplexen Rolle hätten sie geprüft, ob ich ihr gewachsen bin. Wir alle müssen uns beweisen, das ist ganz normal.
Paramount Pictures
Charlize Theron in "Young Adult"
Ricore: Im Film sagt Ihre Figur: 'Wenn du jung und hübsch bist, gehört die Welt dir.'

Theron: Wenn man das glaubt, endet man wie Ravenna: einsam und leer. Diese Sichtweise hat sie von ihrer Mutter und durch ihre Lebensumstände. Sie nimmt den Platz einer alten Königin ein und wird später selbst durch jemand jüngeres ersetzt. Ihre Mutter sagt ihr, dass die Welt so funktioniert und dann macht sie selbst diese Erfahrung. Ich kann also verstehen, warum sie so denkt.

Ricore: Wie war es für Sie, sich als gealterte Königin im Spiegel zu betrachten?

Theron: Nach dem Make-Up war mir klar, dass ich irgendwann wohl so aussehen werde. Ich habe Fotos davon gemacht, sie meiner Mutter geschickt und gesagt: 'Ich hab die ganze Nacht gefeiert.' Und sie: 'Hör auf damit.' [lacht] Als meine Mutter den Film zum ersten Mal in London gesehen hat, schaute sie mich an und sagte: 'Hast du ihnen ein Foto von mir geschickt, um sie für dein gealtertes Ich zu inspirieren?' [lacht]

Ricore: Befinden sich Gut und Böse bei Ihnen im Gleichgewicht?

Theron: Da sollten Sie die Leute um mich herum fragen, ich glaube, die können das besser beantworten [lacht]. Ich denke, ich bin ein ziemlich ausgewogener Mensch und ich strenge mich an, damit es so bleibt. Nicht immer habe ich damit Erfolg, doch ich versuche es. Ich bin gerne ein netter Mensch.

Ricore: Wie hat sich Ihr Leben verändert, seit Sie Mutter sind?

Theron: Es ist so wie bei allen Müttern, es ist das größte Geschenk. Ich bin erst seit kurzem Mutter und schwebe zurzeit auf einer Wolke. Es ist ein überwältigendes Gefühl von Liebe.

Ricore: Können Sie sich auch vorstellen, selbst Kinder zu bekommen?

Theron: Klar, ich wusste immer, dass ich ein Kind adoptieren würde, selbst wenn ich in einer Beziehung wäre. Das war also nie ein letzter Ausweg für mich. Ich hätte eh ein Kind adoptiert und bin auch dafür offen, selbst Kinder zu bekommen, wenn sich mein Leben entsprechend entwickelt. Falls nicht, ist das auch okay, denn ich kann diese Dinge nicht wirklich kontrollieren.

Ricore: Wie haben die Menschen in Ihrem Umfeld reagiert, als Sie ihnen von der Adoption erzählt haben?

Theron: Ich habe nicht vielen Menschen davon erzählt, nur sehr engen Freunden und meiner Mutter. Sie alle haben mich außerordentlich unterstützt.
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Charlize Theron als böse Königin Ravenna
Ricore: Welche Werte wollen Sie als Mutter vermitteln?

Theron: Man reflektiert seine eigene Kindheit und die Dinge, die einen besonders geprägt haben. Am dankbarsten bin ich dafür, dass mich meine Eltern ermutigt haben, ein Individuum zu sein. Ich hatte nie das Gefühl, dass sie mir ihre Ansichten aufzwingen wollten. Ich fühlte mich sehr darin bestärkt, die Welt für mich selbst zu entdecken und mich selbst in dieser Welt zu entdecken. Das will ich auch meinem Sohn Jackson ermöglichen.

Ricore: Was halten Sie für die bislang größte Errungenschaft in Ihrem Leben?

Theron: Ich weiß nicht. Meine größte Aufgabe und mein größtes Geschenk ist mein Kind, doch ich kann nicht sagen, dass ich in der Hinsicht viel erreicht habe, da ich erst seit ein paar Monaten Mutter bin [lacht]. Doch ich habe das Gefühl, dass das Großziehen dieses Jungen meine größte Errungenschaft sein wird.

Ricore: Der renommierte Kritiker Roger Ebert hat Ihr Spiel in "Monster" als eine der größten Schauspielleistungen in der Geschichte des Kinos bezeichnet. Was denken Sie über solches Lob und wie wichtig ist Ihnen die Anerkennung Ihrer Arbeit im Allgemeinen?

Theron: Diese Rolle war ein großes Geschenk. Die Regisseurin hat so sehr an mich geglaubt. Ich hatte Tage, an denen ich nicht wusste, ob ich es hinkriegen würde, doch wenn jemand so an dich glaubt, ist es einfach unglaublich. Es war ein Geschenk, mit ihr arbeiten zu können und diese Geschichte zu erzählen. Darüber hinaus haben wir keine Kontrolle darüber, wie die Kritiker darauf reagieren oder wie hoch die Einspielergebnisse sind. Doch es war wirklich toll, dass die Leute bei dem Film so emotional wurden wie wir. Dadurch fühlt man sich nicht so allein. Es hat mir das Gefühl gegeben, dass ich nicht verrückt bin, denn ich war von der Geschichte der Figur ebenfalls emotional berührt, als ich das Drehbuch las. Bei "Young Adult" war es ähnlich. Als wir diesen Film machten, dachte ich, dass Jason Reitman und ich total verrückt wären. Zu sehen, wie dann die Leute davon angesprochen wurden, war sehr schön.

Ricore: Ist diese Befürchtung, aufgrund Ihrer Rollenauswahl missverstanden zu werden, ein ständiger Begleiter im Laufe Ihrer Karriere?

Theron: Ich habe keine Leute um mich herum, die mir diesen Aspekt meiner Karriere vorschreiben. Es gibt Leute, deren Meinung ich sehr schätze, doch am Ende des Tages muss ich die Entscheidung selbst treffen. Zudem arbeite ich nicht mit Leuten, die mich nicht verstehen. Wenn sie sagen, dass es verrückt ist, haben sie vermutlich nicht denselben Geschmack wie ich. Ich arbeite mit Leuten, die die Arbeit verstehen, die mir wichtig ist. Am Ende des Entscheidungsprozesses muss ich mit mir selbst im Reinen sein. Selbst wenn der Film als Misserfolg betrachtet wird, muss ich wissen, dass ich mich aus den richtigen Gründen dafür entschieden und in kreativer Hinsicht etwas daraus gemacht habe.

Ricore: Was inspiriert Sie momentan neben Ihrem Sohn am meisten?

Theron: Da kommt nichts auch nur annähernd dran [lacht].
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Charlize Theron in Berlin
Ricore: Kommen Sie denn noch zum Lesen?

Theron: Ja, wenn auch nicht so viel, da mein Kind noch nicht durchschläft. Es ist momentan wirklich schwer, das alles mit der Promotion von zwei Filmen unter einen Hut zu bringen. Im Juni mache ich endlich George Millers "Mad Max"-Film "Fury Road". Als ich wusste, dass mein Sohn ein Teil meines Lebens werden würde, war ich anfangs ein wenig nervös, denn ich dachte, ich würde nicht kreativ sein wollen. Nach ein paar Monaten, in denen ich im Pyjama blieb und einfach mit ihm auf dem Boden herumtollte - was großartig war - realisierte ich, dass ich durch ihn ein noch größeres Interesse am Wesen des Menschen habe. Ich betrachte ihn und stelle mir größere Fragen über die Welt und die Menschen. Meine Arbeit begeistert mich und ich bringe ihn mit zur Arbeit. Ich wusste nicht, wie sich das anfühlen würde, doch er gibt mir das Gefühl, wirklich kreativ zu sein.

Ricore: Sie sind heute nicht das erste Mal in Berlin. Wie gefällt Ihnen die Stadt?

Theron: Berlin ist eine meiner zwei Lieblingsstädte in Europa. Ich hatte das Glück, während der Arbeit an "Aeon Flux" im Jahre 2004 sechs Monate hier zu verbringen und die Stadt kennenzulernen. Das erste Mal kam ich 1998 hierher und ich war beeindruckt, wie sich die Stadt bis 2004 entwickelt hat. Sie ist kulturell aufregend, jung, erfrischend und voller Kunst. Im Sommer geht nichts über eine Radtour durch Berlin.

Ricore: Welche ist Ihre andere Lieblingsstadt in Europa?

Theron: Prag. Die Stadt ist nicht so jung und frisch wie Berlin, sondern fühlt sich altertümlicher an. Wenn ich durch die Stadt gehe, fühlt es sich magisch an. Ich hatte das Glück, dort zwei Monate am Stück verbringen zu können, in einem kleinen Loft mit meinen Hunden. Ich war so inspiriert, dass ich angefangen habe, zu malen, was sich lächerlich anhört, da ich absolut keine Malerin bin [lacht].

Ricore: Was für Bilder haben Sie gemalt?

Theron: Das spielt keine Rolle, es war Mist, doch ich war so inspiriert, dass ich malen wollte [lacht].

Ricore: Wie ist das Leben in Los Angeles?

Theron: Los Angeles ist eine unglaubliche Stadt. Doch es ist anders. In Europa geht man aus der Tür und es ist so, als ob dich die Stadt grüßen würde. In Los Angeles muss man sich anstrengen, um die Stadt kennenzulernen, doch wenn man das macht, erkennt man ihre unglaubliche Vielfalt.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 31. Mai 2012
Zum Thema
Geboren am 7. August 1975 im südafrikanischen Benoni, wächst Charlize Theron auf einer kleinen Farm auf. Bevor sie 1996 in "2 Tage in L.A." ihr Filmdebüt feiert, ist sie vier Jahre als Model tätig. Mit 16 von einer italienischen Agentur entdeckt, bekommt sie fortan sowohl in Europa, als auch in Amerika Aufträge. Monster". 2006 wird sie für "Kaltes Land" erneut nominiert. Beides kann sie nicht mit ihrem Vater Charles feiern. Der wurde von ihrer Mutter Gerda 1991 in Notwehr erschossen.
"Snow White and the Huntsman" ist 2012 eine von zwei Verfilmungen von "Schneewittchen" der Gebrüder Grimm. Während Tarsem Singhs "Spieglein Spieglein - Die wirklich wahre Geschichte von Schneewittchen" heiter und humorvoll daherkommt, setzt Rupert Sanders in "Snow White and the Huntsman" ganz auf düstere Bilder und eine Handlung mit reichlich Action. In die Titelrolle ist Kristen Stewart geschlüpft. Die böse Königin verkörpert Charlize Theron. Sie will die Schöne aus Eifersucht töten.
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