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Christopher Nolan (Premiere "Batman Begins")
Batman verlässt Gotham
Interview: Christopher Nolans Abschied
Mit "Dark Knight" hat Christopher Nolan neue Standards im Bereich der Comic-Verfilmungen gesetzt. So düster und abgründig soll auch der Nachfolger "The Dark Knight Rises" werden, mit dem der Regisseur das letzte Kapitel seiner Batman-Reihe präsentiert. Im Interview mit Filmreporter.de spricht Nolan über die enormen Erwartungen an das Finale. Zudem blickt er mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf seine Batman-Zeit zurück.
erschienen am 25. 07. 2012
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The Dark Knight Rises
Ricore: Worin lagen die größten Herausforderungen bei "The Dark Knight Rises"?

Christopher Nolan: Die Herausforderung jeder Fortsetzung liegt darin, eine Geschichte zu haben, von der man glaubt, dass sie unbedingt erzählt werden muss. Man muss dem Publikum einen Grund geben, nach Gotham zurückzukehren. Bei meinen Gesprächen mit [den Drehbuchautoren] Jonah und David über die Richtung unserer Geschichte, wollten wir, dass sich die Handlung durch alle drei Filme zieht. Es sollte um Konsequenzen gehen, weil wir nicht vergessen wollten, wie wir den letzten Film beendet haben. Vor allem das, was im letzten Akt von "Dark Knight" passiert war, sollte von Bedeutung für die Geschichte sein. Diesen Dingen eine Bedeutung zu verleihen, war die wirkliche Herausforderung beim Schreiben.

Ricore: Wie wichtig sind die humorvollen Momente im Film?

Nolan: Für mich war es sehr wichtig, dass Selena Kyle frischen Wind reinbringt, weil wir es mit Charakteren zu tun haben, die in ihrer Vergangenheit verhaftet sind. Bruce Wayne verbrachte acht Jahre in selbst gewählter Isolation. Daher muss sie der lebendigste Charakter im Film sein und man muss verstehen, warum er von ihr angezogen ist. Das war sehr wichtig und es war wirklich aufregend zu sehen, wie die Darsteller gemeinsam zu proben anfingen und wie die Chemie zwischen ihnen entstand.

Ricore: Tom Hardy hat als Bane eine außerordentliche Performance geliefert.

Nolan: Ich war einfach verblüfft. Wir hatten Tests mit Make-Up und Kostüm durchgeführt, doch als ich die gemeinsamen Szenen von Tom und Christian sah, die sehr intim und bedrohlich sind, war es einfach beeindruckend. Man sah etwas, das man noch nie zuvor gesehen hatte und ich wusste, dass ich das mit Tom erreichen würde. Ich habe mit ihm an "Inception" gearbeitet und wusste, wie talentiert er ist. Als es darum ging, den Charakter zu besetzen, rief ich ihn an und sagte, dass ich gute und schlechte Neuigkeiten hätte: 'Die gute ist, dass ich eine grandiose Rolle für dich habe, die schlechte ist, dass du alles hinter einer Maske machen musst.' Ich wusste, dass er es lieben würde und das tat er auch. Er liebt eine Herausforderung wie diese. Es war sehr aufregend zu sehen, wie er die Untiefen des Bösen allein durch seine Augen und den Klang seiner Stimme vermittelt.

Ricore: Haben Sie zunächst auch andere Bösewichte als Bane in Betracht gezogen?

Nolan: Über die Wahl von Batmans Antagonist habe ich lange mit David und Jonah gesprochen. Mir war es sehr wichtig, dass wir nicht versuchen, die Sache mit dem Joker zu wiederholen oder eine blasse Imitation von Heath liefern. Ich wollte unbedingt, dass Batman sich einem Gegner stellt, der sich vorrangig durch seine physische Stärke auszeichnet. Ich wollte sehen, wie Christian als Batman einem Bösewicht Auge in Auge gegenübersteht, ohne zu wissen, wer den Kampf gewinnen wird. So etwas hatte ich nie zuvor gesehen und ich wollte es im Film spürbar machen.
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Christopher Nolan am Set von "Dark Knight"
Ricore: Haben Sie das Ende des Films zuerst geschrieben oder ergab sich das während des Schreibprozesses auf organische Weise?

Nolan: Für mich ist das Ende bei jedem Film sehr wichtig. Ich kann mich nicht wirklich mit dem Film beschäftigen, bevor ich weiß, wie er endet. Daher kommt das Ende für mich immer an erster Stelle. Wir hatten lange Zeit nur das Ende, bevor wir das ganze Drehbuch geschrieben haben.

Ricore: Ist es wahr, dass Sie das erste Batman-Fahrzeug in Ihrer Garage erbaut haben?

Nolan: Nicht in Lebensgröße [lacht]. Mein Produktionsdesigner Nathan Crowley und ich haben ein maßstabsgetreues Modell des Fahrzeugs gebaut. Wir haben das erste Bat-Pod für "Dark Knight" in voller Größer in meiner Garage angefertigt. Wir haben es aus alten Motorrädern und anderem Zeug gebaut und es sah in etwa so aus wie das Vehikel, das die Jungs danach gebaut und motorisiert haben. Das beweist, wie gut sie sind, denn weder ich noch Nathan wussten etwas über Motorräder [lacht].

Ricore: Wieso drehen Sie mit Imax, während so viele andere Regisseure auf 3D setzen?

Nolan: Wenn man mit Imax-Kameras dreht und den Film hinterher auf eine dieser riesigen Leinwände projiziert, kenne ich einfach nichts, das mit der Auflösungs-Qualität und der umfassenden Kraft dieser Bilder mithalten kann. Wir haben es bei "Dark Knight" erfolgreich verwendet und wir wollten es bei diesem Film wiederholen. Was 3D angeht, wirkt ein 2D-Bild auf einer so großen Leinwand überlebensgrößer, was diesen Geschichten über überlebensgroße Charaktere sehr angemessen ist. Dagegen tendiert 3D eher dazu, intimer zu sein, die Erfahrung individueller zu machen, so dass sich die Dinge kleiner anfühlen. In erster Linie wollte ich aber, dass dieser Film den visuellen Aspekten der anderen beiden Akte unserer dreiteiligen Geschichte entspricht. Wir erfinden hier nichts neu, wir bringen eine Story zu ihrem Ende und versuchen, sie zum Höhepunkt zu führen.

Ricore: Stimmt es, dass die Imax-Kamera am Set kaputt gegangen ist?

Nolan: Bei diesem Film haben wir keine kaputt gemacht, aber wir haben eine bei "Dark Knight" beschädigt. Von diesen MSN-Kameras, die wir benutzten, gab es vier Stück auf der Welt und als wir fertig waren, gab es nur noch drei [lacht]. Doch sie konnten repariert werden, so dass wir sie bei diesem Film wieder verwenden konnten.

Ricore: Auf welcher Grundlage entscheiden Sie, welche Szenen in Imax gedreht werden und welche nicht?

Nolan: Bei "Dark Knight" haben wir festgestellt, dass die Mischung der Formate auf den Imax-Leinwänden sehr gut funktioniert. Die Zuschauer wurden durch die Übergänge nicht abgelenkt. Daher waren wir diesmal ein wenig mutiger und haben versucht, so viel wie möglich in Imax zu drehen. Fast die Hälfte des Films wurde in Imax gedreht. Das wichtigste Kriterium war, ob die Darsteller bereit waren, vor dieser lauten, sehr, sehr ablenkenden Kamera zu agieren. Bei intimeren Szenen haben wir dazu tendiert, auf 35 Millimeter zu drehen. So wurden die meisten Dialog-Szenen des Films auf 35 Millimeter gedreht, weil die Imax-Kameras einfach zu laut sind. Doch wir hatten immer eine Imax-Kamera dabei und haben versucht, möglichst viel damit zu drehen.
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Christian Bale in "The Dark Knight Rises"
Ricore: Könnten Sie Ihre Herangehensweise an Comic-Verfilmungen erläutern?

Nolan: In den letzten Jahren hat sich die Sichtweise auf das Verhältnis zwischen Comic-Vorlage und Comic-Verfilmung verändert. Als ich bei dem Projekt an Bord kam, hat das Studio erkannt, dass die Vorlage nicht zwangsläufig ausschlaggebend dafür sein musste, wie man sie im Film umsetzte. Bei "Batman Begins" wollten wir einfach einen tollen Film machen. Es ist wie bei der Adaption eines anderen Films, einer Kurzgeschichte oder eines Romans. Ich versuche nicht, das Ausgangsmaterial im Film widerzuspiegeln und das war auch immer meine Philosophie bei diesen Filmen. Das ist die traditionellere Sichtweise und nun kann man sehen, wie die Beziehung zwischen Ausgangsmaterial und Leinwandinterpretation enger zu werden scheint. Meine Absicht war es immer, dir die Erfahrung zu geben, die du beim Lesen des Comics hattest, wie es sich auf dein Bewusstsein ausgewirkt und dich in diese Welt versetzt hat, anstatt an der Oberfläche der Lektüre zu bleiben.

Ricore: Sie erwähnten vorhin Heath Ledger. Haben Sie je daran gedacht, den Joker auch in diesem Film auf irgendeine Weise einzubringen?

Nolan: Einem Freund und Kollegen ist eine schreckliche Tragödie zugestoßen. Zu versuchen, es auf einen Plotpunkt in einem fiktionalen Universum zu reduzieren, erschien mir falsch. Ich kann es nur so machen, wie es sich für mich richtig anfühlt, so dass ich mich dafür entschied, in keiner Weise darauf zu verweisen.

Ricore: Der Film hat eine starke politische Botschaft, die möglicherweise ziemlich kontrovers aufgenommen werden wird. Was ist Ihr Standpunkt in der Hinsicht?

Nolan: Ich betrachte den Film nicht als politisch. "Dark Knight" wollten viele Leute so sehen, doch in Wahrheit geht es in den Filmen um Unterhaltung und das Geschichtenerzählen. Wir versuchen, die Dinge auf sehr ehrliche Weise darzustellen. Wenn man einen Bösewicht erschafft, der eine Großstadt bedroht, versucht man es so zu machen, dass das Publikum davon bewegt wird. Wenn die Leute dann filmische Bezüge zur Realität politisch interpretieren, ist das der Grund dafür. Es gefällt mir, in dieser übersteigerten Realität zu arbeiten und mich mit Gotham anstatt New York oder Chicago zu beschäftigen. Das ist befreiend und ermöglicht es, dem Publikum eine universellere Erfahrung zu bieten. Auf diese Weise können die Leute es eher so interpretieren wie sie möchten. Das macht einen Teil des Reizes dieser Filme aus und ist unvermeidlich.

Ricore: "Dark Knight" war ein riesiger kommerzieller Erfolg, der auch von der Kritik gefeiert wurde. Wie hoch sind Ihre Erwartungen beim neuen Film?

Nolan: Der Erfolg des vorherigen Films erzeugt eine Menge Druck. Doch man muss das vergessen und versuchen, einen tollen Film zu machen. Wenn dann der Filmstart bevorsteht, macht mir das durchaus Angst, doch dem Erfolg des vorherigen Films hinterherzujagen, wäre verrückt. Der Film war ein Phänomen, das keiner wirklich erklären kann. Es ist einfach passiert und ist großartig, doch meine Verantwortung liegt darin, einen Film für das Studio zu machen, der das Geld wieder hereinholt. Das ist der eigentliche Druck, den ich verspüre.

Ricore: Ist dies das Ende der Reise oder denken Sie, dass es ein Sprungbrett für mehr Batman-Filme sein könnte?

Nolan: Für mich war das Wichtigste, unsere Geschichte zum Abschluss zu bringen. Ich habe an Batman fast zehn Jahre gearbeitet und es war unglaublich. Es war definitiv eine Reise, die nun zu Ende ist und ich gehe mit einer gewissen Traurigkeit. Doch ich muss mich nicht von all diesen Leuten verabschieden, mit denen ich zusammengearbeitet habe. Ich kann auch weiterhin mit ihnen arbeiten. Aber ich muss den Charakteren Lebewohl sagen und das ist irgendwie bittersüß für mich. Das ist eine wirklich wichtige Zeit in meinem Leben gewesen.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 25. Juli 2012
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2024