Ascot Elite
Regisseur Ken Scott auf der Premiere von "Starbuck" beim 30. Filmfest in München am 29. Juni 2012
'Vatersein ist das schönste im Leben'
Interview: Ken Scott bleibt bodenständig
Ein liebenswerter Verlierertyp in mittleren Jahren wird mit der Tatsache konfrontiert, dass er biologische Vater von 533 Kindern ist. Man könnte die Geschichte von "Starbuck" als irrwitzig bezeichnen, wäre sie nicht in der Realität verhaftet. Regisseur und Drehbuchautor Ken Scott und Koautor Martin Petit haben sich von wahren Fällen inspirieren lassen. Filmreporter.de hat sich mit Scott über die Realität hinter der fiktiven Geschichte unterhalten und ihn dabei auch zu seiner Vaterschaft befragt.
erschienen am 16. 08. 2012
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Starbuck
Ricore: "Starbuck" handelt von einem Mann in mittleren Jahren, der erfährt, dass er biologische Vater von 533 Kindern ist. Wie kommt man auf so eine verrückte Idee?

Ken Scott: Mein Koautor Martin Petit hatte die Idee mit der Samenspende. Wir fanden sie großartig, um das Thema Vaterschaft zu behandeln. Die Geschichte gab uns die Möglichkeit, eine Komödie zu machen, gleichzeitig aber auch dramatische Akzente zu setzen.

Ricore: Waren Sie nie skeptisch, dass die Idee zu weit hergeholt sein könnte?

Scott: Wir hatten uns für eine Komödie entschlossen und legten die Messlatte mit 150 Kindern deshalb absichtlich hoch. Als wir die Geschichte weiter schrieben, wurden wir aber dann doch skeptisch. Wir fragten uns, ob das vielleicht nicht zu viele Kinder sind und ob es die Leute davon abhält, sich mit der Geschichte zu identifizieren. Nachdem wir einige Wochen am Film arbeiteten, kam in den Nachrichten die Meldung über einen Samenspender, der 250 Kinder hat. Wir forschten nach und stießen tatsächlich auf Meldungen über Männer mit dutzenden bis hunderten Kindern. Vor allem stießen wir auf den Fall eines Mannes, der über 500 Kinder hatte. Wir sahen also, dass unsere Geschichte die Realität noch unterbietet und legten deshalb fest, dass es 533 werden sollten.

Ricore: Also ist es gar nicht so selten, wie man meinen mag?

Scott: Ich habe vor kurzem einen interessanten Artikel in der New York Times gelesen. In Nordamerika gibt es mehr Regeln und Gesetze für den Kauf eines Gebrauchtwagens als für Sperma. Das erklärt doch alles. Aus technischer Sicht sind wir dazu tatsächlich im Stande. Aber sollte es auch wirklich so sein? Denn auf der anderen Seite gibt es schließlich die Kinder. Sollten sie überhaupt wissen, wer ihr Vater ist? Für uns ist das ja ganz selbstverständlich. Jeder weiß doch, wer sein genetischer Vater ist. Warum sollten sie das nicht auch wissen? Aber ohne die Anonymität würde keiner mehr spenden und die Kinder würden gar nicht existieren. In der Geschichte gibt es also einen großen Konflikt. Wir haben zwar nicht die Lösung dafür, aber wir zeigen ihn immerhin auf.

Ricore: Wir schwierig ist es, eine Komödie mit einem ernsten Hintergrund zu machen?

Scott: Das ist ein Typ von Komödie, den ich persönlich sehr mag. Ich finde es schön, wenn man im Kino lacht und gleichzeitig etwas Emotionales hat, worüber man reden kann. Bei "Starbuck" diskutiert man über Vaterschaft, Samenspende oder darüber, was es bedeutet, Leben zu geben.

Ricore: Wie sind Sie auf den sehr einprägsamen Titel des Films gekommen?

Scott: Starbuck bezieht sich auf einen Zuchtbullen, der in den 1980er und 1990er Jahren 75 Prozent der Kühe in Nordamerika zeugte. Er hatte seine Karriere in der Nähe von Quebec, wo er ein Star ist. Der Film ist nach ihm benannt.
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Patrick Huard in "Starbuck"
Ricore: Inwieweit ist der Film biographisch?

Scott: (lacht). Na ja, das ist er insofern, als ich drei Kinder habe und mein Koautor zwei. Außerdem habe ich viele Freunde, die Eltern sind. Wir waren also vom Thema Vaterschaft umgeben und hatten entsprechend etwas zu erzählen. Vatersein ist für mich das schönste im Leben - aber auch das schwierigste. Die Bedeutung wird einem erst dann bewusst, wenn man selbst Kinder hat. Wenn sich die Frage aber darauf bezog, ob ich schon einmal Samen gespendet habe, so heißt die Antwort: Nein, das habe ich nicht (lacht). Hätte mir aber jemand mit 18 Jahren einen Fünfziger angeboten, hätte ich es vermutlich gemacht. Jetzt, mit eigenen Kindern, würde ich es auf keinen Fall tun.

Ricore: Hauptfigur David wird aufgrund seiner 533 Kinder von der Gesellschaft schnell als Perverser abgestempelt. Hat das einen realen Hintergrund? Ist Samenspende immer noch ein Tabuthema?

Scott: Es stellt natürlich ein Extrem dar, wenn jemand 533 Kinder hat. Die Leute wissen einfach nicht, wie sie auf so etwas reagieren sollen. Wir wollten natürlich die unterschiedlichen Arten von Reaktionen aufzeigen. Als der Fall jenes Mannes publik wurde, der tatsächlich viele hundert Kinder hatte, war für es einen Tag das ganz große Thema in Montreal. Aber eben nur für einen Tag. Danach redete keiner mehr darüber, viele können sich wahrscheinlich nicht einmal mehr daran erinnern.

Ricore: David macht eine Entwicklung durch und will als Vater Verantwortung übernehmen. Haben Sie sich auch verändert, als sie Vater geworden sind?

Scott: Vater zu werden ist das Größte im Leben eines Mannes. Es ist etwas sehr Wichtiges. Du hast die Garantie dafür, dass es einen Menschen gibt, der für immer in deinem Leben sein wird. Andererseits hat man als Vater natürlich auch eine große Verantwortung. Ich denke aber, dass sich das Leben darum dreht, eigene Kinder zu bekommen.

Ricore: "Starbuck" war in Kanada sehr erfolgreich und hat das Zeug, ähnlich wie die französische Komödie "Ziemlich beste Freunde" auch international ein großer Hit zu werden. Wie erklären Sie sich diesen Erfolg?

Scott: Ich weiß es nicht genau. Ich glaube aber, dass es tatsächlich eine Verbindung zwischen "Starbuck" und "Ziemlich beste Freunde" gibt, ohne genau sagen zu können, worin diese besteht. Ich habe die Regisseure von "Ziemlich beste Freunde" getroffen und wir haben darüber ausführlich diskutiert.
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Regisseur Ken Scott beim Dreh zu "Starbuck"
Ricore: Bei beiden Filmen handelt es sich um "Feel-Good"-Movies. Glauben Sie, dass die Zuschauer im Kino etwas sehen wollen, das ihnen im wahren Leben nicht vergönnt? ist. Ist es eine Art Wirklichkeitsflucht?

Scott: Ja, definitiv. Die Menschen brauchen einen Raum, wo sie das alltägliche Leben vergessen können. Gerade in einer Krise braucht man manchmal eine Auszeit. Damit will ich aber nicht sagen, dass jeder Regisseur "Feel Good"-Filme drehen sollte. Kino ist Teil unserer Kultur. Es sollte die Menschen nicht nur unterhalten, sondern sie auch zum Nachdenken anregen.

Ricore: Bisher haben Sie noch kein Buch verfilmt. Woran liegt das, mögen sie keine Adaptionen?

Scott: Ich habe ein Drehbuch nach einer Buchvorlage verfasst und ich hoffe, dass daraus bald ein Film wird. Darüber hinaus habe ich ein Drehbuch über das Leben eines großen Hockey-Spielers aus Quebec geschrieben. Das ist zwar keine Buchverfilmung im eigentlichen Sinne, aber in gewisser Weise die Adaption eines Lebens. Abgesehen davon geht es mir vor allem darum, an eine Geschichte zu glauben und dass sie erzählt werden muss. Woher sie stammt, spielt keine große Rolle.

Ricore: Wie kommen Sie auf die Ideen Ihrer Filme?

Scott: Das ist immer unterschiedlich. Es gibt nicht den einen Weg, eine gute Idee zu haben. Manchmal kommen sie aus Gesprächen mit anderen Menschen oder sie sind einfach da. Da kommt dir eine Idee und du weißt sofort: Das muss du einfach erzählen.

Ricore: Wie war es bei "Starbuck"

Scott: Da war es genauso. Zwischen der Idee zum Film und der Verwirklichung vergingen zwei Jahre. Das ist enorm schnell. Und es beweist, wie wichtig es uns war, diese Geschichte genau jetzt zu erzählen. Das ist auch der Grund, wieso wir ein Remake des Films machen.
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Regisseur Ken Scott auf der Premiere von "Starbuck" beim 30. Filmfest in München am 29. Juni 2012
Ricore: Es handelt sich um eine US-amerikanische Neuverfilmung mit Vince Vaughn in der Hauptrolle. Wie weit ist das Projekt?

Scott: Wir hoffen, dass es noch dieses Jahr losgehen kann.

Ricore: Bei so einem Remake gibt es ja immer die Befürchtung, dass einiges vom Original verloren geht. Wie gehen Sie damit um?

Scott: Das ist einer der Gründe, warum ich den Film selbst machen will. Es gibt so viele Remakes, die nicht an das Original herankommen. Trotzdem gilt es natürlich auch hier, den Film nicht zu kopieren. Das US-amerikanische Publikum ist ein anderes, entsprechend muss das Remake ein anderes sein. Wir hoffen, diesen Balanceakt gut hinzubekommen, aber wir haben gute Partner, mit denen das klappen sollte.

Ricore: War es schwierig, diese zu finden?

Scott: Das Interesse war groß. Viele Studios wollten ein Remake des Films machen. Neben den richtigen Partnern haben wir auch tolle Schauspieler gefunden. David wird von Vince Vaughn gespielt, der ein toller Darsteller ist. Er hat sich gefreut, dabei zu sein. Ich hoffe, dass der Film ein würdiges Remake abgeben wird. Daran bin ich natürlich persönlich interessiert.

Ricore: Sie haben das Wort "hoffen" benutzt. Haben Sie Angst dass Ihnen das nicht gelingen wird?

Scott: Es gibt kein Filmprojekt, bei dem man sich absolut sicher sein kann. Im Filmgeschäft gibt es keine Erfolgsrezepte, auch wenn es dieselbe Geschichte ist. Dazu spielen zu viele Faktoren hinein. Man kann nur hoffen, dass die Geschichte, die man erzählt, beim Zuschauer ankommen wird. Jeder, der etwas anderes behauptet, ist ein Illusionist. (lacht).

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 16. August 2012
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2024