Universal Pictures International
Hat sichtlich Spaß bei der Realisierung von "Ted": Seth MacFarlane
'Comedy an erster Stelle'
Interview: Vollblutkomiker Seth MacFarlane
Seth MacFarlane hat ein Faible für sprechende Tiere. Während er in seiner Zeichentrick-Serie "Family Guy" den kultivierten Hund Brian synchronisiert, leiht er in seinem Spielfilm-Regiedebüt "Ted" dem titelgebenden Teddy-Bären seine Stimme. Im Interview mit Filmreporter.de spricht MacFarlane über sein Verständnis von Comedy und die Grenzen des Humors.
erschienen am 3. 08. 2012
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Ted
Ricore: Wie ist die Idee zu "Ted" entstanden?

Seth MacFarlane: Als ich vor etwa zehn Jahren bei Hanna-Barbera arbeitete, hatte ich die Idee, eine animierte Serie zu machen. Ich habe das Vorhaben aber erst mal auf Eis gelegt. Als ich dann einen Film machen wollte, habe ich die Idee wieder hervorgeholt und sie diente als Basis für die Geschichte von "Ted". Ein Märchen für Erwachsene daraus zu machen, schien besser zu funktionieren als eine Serie.

Ricore: Ein Märchen für Erwachsene mit anarchischem Charakter.

MacFarlane: In den erfolgreichsten Komödien geht es darum, zu überraschen und das Gegenteil dessen zu tun, was die Leute erwarten. Bei "Family Guy" hatten wir das Problem, dass die Eltern ihre Kinder die Serie anschauen ließen, weil sie dachten: 'Es ist eine Zeichentrickserie, also wird es schon okay sein.' Bei "Ted" hatte ich das Gefühl, dass es so einen Charakter in einem Film dieser Art noch nicht gegeben hatte.

Ricore: Wie wichtig ist es Ihnen, mit Ihrer Arbeit kontrovers zu sein?

MacFarlane: Es geht mir nicht darum, Kontroversen nur um ihrer selbst willen auszulösen. In erster Linie muss es witzig sein. Ist es witzig und kontrovers, ist das eine feine Sache. Wenn man Comedy weiterentwickeln will, muss man sich auf kontroverses Gebiet begeben, so wie Monty Python das beispielsweise in den 1970ern getan haben. Was heutzutage als kontrovers betrachtet wird, wirkt in 15 Jahren aber möglicherweise ziemlich zahm.

Ricore: Wie sehr wurde Ted von Brian aus "Family Guy" inspiriert?

MacFarlane: In erster Linie wurde die Figur von den "Muppets" inspiriert, von der Selbstverständlichkeit, mit der die Charaktere dort behandelt werden. Bei den "Muppets" sind Frösche, Schweine und Bären ein Teil der Gesellschaft und niemand stellt es in Frage. Dieses Gefühl wollte ich in gewisser Weise auch bei "Ted" erzeugen.
20th Century Fox Home Entertainment
Family Guy - Season 8
Ricore: Wie all Ihre Werke, ist auch "Ted" voller Popkultur-Anspielungen. Was fasziniert Sie an Popkultur?

MacFarlane: Ich bin damit aufgewachsen und es macht Spaß, es mit dem Zuschauer erneut zu durchleben. Wenn wir bei "Family Guy" eine Popkultur-Anspielung machen, ist es wie eine gemeinsame Erfahrung, die wir mit dem Publikum teilen wollen. Zudem sagt es etwas über den heutigen Stand der Comedy aus. Das geht zu einem großen Teil auf "Die Simpsons" zurück. Vor den "Simpsons" gab es nicht viele Popkultur-Anspielungen in der Comedy. Fernsehserien haben normalerweise nicht auf andere Fernsehserien verwiesen. Und auf einmal kamen die "Simpsons", die voller Anspielungen auf die Popkultur sind. Dadurch fühlten sich die Charaktere realer an, schließlich spielt man im wahren Leben auch in ganz alltäglichen Gesprächen immer wieder auf die Popkultur an. Das Fernsehen hat das aber lange Zeit nicht berücksichtigt.

Ricore: Gibt es in Ihren Werken Witze, die Sie im Nachhinein gerne zurückgenommen hätten?

MacFarlane: Es gab mal einen über Matt Damon und seine Frau, von dem ich wünschte, wir hätten ihn nicht gemacht. Meistens beurteilt man die Witze mit den anderen Autoren, mit denen man zusammenarbeitet und entscheidet, ob sie zu gemein sind.

Ricore: Wie schwierig fällt es Ihnen zu akzeptieren, wenn einer Ihrer Witze beim Publikum nicht ankommt?

MacFarlane: Ich klammere mich nicht an einzelne Witze, wenn sie bei den Zuschauern nicht ankommen. Wenn man dem Testpublikum sechs Mal den Film zeigt und die Leute bei einem Witz sechs Mal keine Reaktion zeigen, muss der Witz eben raus.

Ricore: Bei "Ted" haben Sie wieder mit einigen Leuten aus "Family Guy" zusammengearbeitet.

MacFarlane: Ja, ich arbeite gerne mit Leuten zusammen, deren Talente ich kenne und denen ich vertrauen kann. Bei dem Film war das wenigstens eine Variable unter vielen unbekannten Faktoren, über die ich Kontrolle hatte. Das ist mein erster Film und ich musste viele Dinge lernen. Worauf ich dabei zählen konnte, waren die Fähigkeiten von Leuten wie Patrick Warburton, Alex Borstein und Norah Jones, mit denen ich schon zuvor zusammengearbeitet hatte.
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Seth MacFarlane ist bei der Arbeit an "Ted" hochkonzentriert
Ricore: Wie schwer war es, den Studio-Verantwortlichen "Family Guy" schmackhaft zu machen?

MacFarlane: Das war aufgrund der "Simpsons" ziemlich einfach. Die "Simpsons" waren sehr erfolgreich und auch "King of the Hill" machte sich damals sehr gut. Fox war hungrig nach mehr Animation, zu der Zeit wollten alle mehr Animation und die Art von Serie, die ich machen wollte, entsprach dem, was sie suchten. Das war zu diesem speziellen Zeitpunkt also nicht allzu hart. Drei Jahre später wäre es wohl viel schwieriger gewesen.

Ricore: Gibt es beim Humor eine Grenze, die Sie nicht überschreiten würden?

MacFarlane: Der Autoren-Raum ist wie eine freie Zone, in der man alles sagen kann, was man will. Selbst wenn es furchtbar anstößig ist, wird nichts zensiert, nichts ist verboten. Nicht alles davon landet schließlich im Drehbuch, doch nur auf diese Weise funktioniert es, nur auf diese Weise kann man wirklich herausfinden, wo die Grenze liegt. Diese Linie kann man nicht alleine finden, wenn man diese Art von Comedy macht. Deshalb hat auch Monty Python so gut funktioniert, weil es eine Truppe von Performern war, die für ein Gleichgewicht untereinander sorgten. Wenn jemand die Linie überschritt, waren die anderen zur Stelle.

Ricore: Im Film gibt es auch Witze, die sich auf die Anschläge des 11. September beziehen. Sie selbst wären beinahe selbst in eines der entführten Flugzeuge gestiegen…

MacFarlane: Ja, ich hatte eine Reservierung in einem der Flugzeuge. Zuvor hielt ich eine Vorlesung an der Rhode Island School of Design, an der ich selbst studiert hatte, und verschlief am nächsten Morgen, da ich einen leichten Kater hatte. Zudem stand auf meiner Buchung 8.15 Uhr, der Flug ging aber schon um 7.45 Uhr los. Als ich am Flughafen ankam, hatten sie bereits das Gate geschlossen. Also wartete ich in der Lounge auf den 11-Uhr-Flug und schlief ein. Als ich aufwachte, sah ich überall auf den Bildschirmen, was passiert war. Schließlich bin ich den ganzen Weg von New York nach Los Angeles mit dem Auto zurückgefahren.

Ricore: Wie schwer war es für Sie, dieses Erlebnis zu verarbeiten?

MacFarlane: Ich war in der Lage, es mit einer gewissen Distanz zu betrachten. Ich habe nicht einen Moment lang gedacht, dass ich für einen höheren Zweck verschont wurde. Ich denke, dass solche Vorstellungen mehr über unser Ego aussagen, als über irgendeine Art von intelligentem Design. Ich meine, soll ich etwa glauben, dass ich von Gott verschont wurde, weil er wollte, dass ich einen Teddy-Bär-Film mache? Flüge werden immer wieder verpasst. Ich selbst hatte auch schon zuvor Flüge verpasst, da ich jemand bin, der immer wieder zu spät kommt. Ich versuche, es rational zu betrachten. Die Wahrscheinlichkeit, dass mir so etwas passiert, war so groß, wie bei jedem anderen auch.
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Ein ganz besonderer Teddy-Bär: Seth MacFarlanes Ted
Ricore: Denken Sie, dass der 11. September die Comedy-Industrie verändert hat?

MacFarlane: Ich denke nicht, dass sich die Comedy-Industrie dadurch verändert hat. Die Comedy, die ich mache, hat sich jedenfalls nicht verändert. Doch wer weiß, schließlich hat es viele andere Dinge verändert. In gewisser Weise ist das ganze Land danach rasend geworden und es erholt sich noch immer davon. Acht Jahre George Bush sind ziemlich übel. Auf flüchtige Weise hat es sicherlich auch die Comedy-Industrie beeinflusst, aber meine Art, an die Dinge heranzugehen, habe ich nicht geändert.

Ricore: Wie politisch sind Sie als Künstler?

MacFarlane: Nun, "Ted" ist nicht politisch, doch bei "Family Guy" und "American Dad" wird es manchmal politisch. Es kommt dabei auf die jeweilige Episode an. Wir wollen nicht belehrend sein, aber wir haben auch keine Angst davor, ein bestimmtes Problem zu thematisieren. Es muss sich die Waage halten, die Witze kommen an erster Stelle. Man kann eine bestimmte Position beziehen, die wir bei "Family Guy" auch vertreten. Wir haben beispielsweise eine Folge gemacht, die sich für die Rechte von Homosexuellen einsetzt. Doch die Comedy kommt an erster Stelle. Wir machen keine Nachrichten-Sendung, die Leute schalten ein, um zu lachen. Wenn wir zudem etwas Satire hinzufügen können, ist das ein Bonus.

Ricore: In welche Richtung wird sich der Humor im US-Kino wohl entwickeln?

MacFarlane: Gute Frage, man weiß nie. Ich bin gespannt, welchen Einfluss "Ted" auf die Komödien der nächsten Jahre haben wird. Der Erfolg von Judd Apatow-Filmen wie "Beim ersten Mal" hatte großen Einfluss auf Komödien für ein erwachseneres Publikum. Wird es bei diesem Film auch so sein? Wer weiß. Man kann nicht vorhersagen, in welche Richtung sich Comedy entwickelt. Jemand wird einen ganz neuen Weg finden, Lacher zu ernten und die Industrie damit voranzutreiben. Doch es ist schwer, es vorherzusagen, da Comedy nicht quantifizierbar ist. Man kann Verallgemeinerungen machen, aber es gibt unzählige Ausnahmen.

Ricore: Haben Sie Angst, dass Ihre Art von Comedy irgendwann überholt sein wird?

MacFarlane: Es gibt Leute, die sagen, dass "Family Guy" diesen Punkt bereits überschritten hat. Ich denke, jeder hat diese Sorgen. Umso wichtiger ist es, furchtlos zu sein und neue Dinge auszuprobieren. Mit "Ted" wollten wir etwas machen, das niemand zuvor gemacht hatte. Der Film nutzt eine Technologie, die zuvor ausschließlich für Action- und Abenteuer-Filme wie "Herr der Ringe" oder "Avatar - Aufbruch nach Pandora" genutzt wurde. Niemand hatte sie bei einer Komödie eingesetzt. Werden die Leute einen animierten Charakter akzeptieren, der in einer Komödie für Erwachsene auf reale Weise dargestellt wird? Es hätte ein Desaster werden können, doch wir haben versucht, furchtlos zu sein, und das ist alles, was man machen kann.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 3. August 2012
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