Paramount Pictures
Jon M. Chu auf der Londoner Premiere von "G.I. Joe: Die Abrechnung"
Geschichtenerzähler dank G.I. Joe?
Interview: Aufsteiger Jon M. Chu
Wie kommt man darauf, einen Tanzfilmexperten für einen Actionfilm mit einem 100-Millionen-Dollar Budget zu engagieren? Bis dato inszenierte Jon M. Chu zwei Filme "Step Up"-Reihe sowie die Konzertdokumentation "Justin Bieber 3D - Never say Never". Nun wechselt er für "G.I. Joe: Die Abrechnung 3D" in ein härteres Genre. Im Gespräch mit Filmreporter.de spricht Chu über seinen Weg zum Filmemacher und sein besonderes Verhältnis zu den "G.I. Joe"-Spielfiguren.
erschienen am 28. 03. 2013
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Jon M. Chu hat nach Tanzfilmen den Actioner "G.I. Joe: Die Abrechnung" inszeniert
Ricore: Was bedeutet G.I. Joe für Sie?

Jon M. Chu: Ich bin mit G.I. Joe aufgewachsen. Ich hatte die ganzen Spielfiguren und habe die Cartoons gesehen. Beim Spielen mit den Figuren habe ich das Geschichtenerzählen gelernt. Ich habe riesige Abenteuer im Garten inszeniert. Darüber nun einen Film zu machen, ist großartig. Bei G.I. Joe geht es auch darum, wie man ein besserer Mensch wird und Führungsstärke beweist. Wir versuchen, diese Elemente in den Film einzubringen. Es geht nicht nur um Explosionen - obwohl wir davon natürlich eine Menge haben.

Ricore: Was bedeutet G.I. Joe für die amerikanische Kultur insgesamt?

Chu: Es gibt verschiedene Generationen von G.I. Joes. Auf den ersten G.I. Joe geht der Begriff 'Actionfigur' zurück, weil die Macher das nicht Puppe nennen wollten. Nach mehreren Spielzeugserien kamen dann die Comics und eine Cartoonserie, den ich jeden Tag nach der Schule gesehen habe. Das war total übertrieben und großartig. Ich hatte noch nie zuvor Soldaten und Ninjas miteinander kämpfen sehen. Das war ein Mash-Up, bevor es Mash-Ups gab. All diese verschiedenen Facetten wollen wir zusammenbringen. Bruce Willis spielt sozusagen die Original-30-Zentimeter-Actionfigur. Er ist der Mentor für den neuen Joe aus der Cartoon-Ära.

Ricore: Sie sagen, durch G.I. Joe haben Sie Storytelling gelernt. Was hat Sie dazu bewogen, Filmemacher zu werden?

Chu: Ich war ein verwöhntes Kind. Ich liebte es schon immer zu zeichnen. Und meine Eltern hatten eine kleine Super-8-Kamera, mit der ich kleine Filme mit meinem Spielzeug inszeniert habe. Dann habe ich Urlaubsvideos gedreht und solche Sachen. Ich habe meinen Vater dazu bewegt mir ein Mischgerät zu kaufen, damit ich die Aufnahmen schneiden konnte. Ich habe ein Video von all unseren Urlauben gemacht. Meine Eltern haben geweint, als ich ihnen das gezeigt habe. Da dachte ich: heilige Scheiße, das ist ja großartig. Ich habe einfach weitergemacht und heute darf ich das glücklicherweise meinen Beruf nennen.

Ricore: Hatten Sie einen Plan B, falls es mit dem Filmemachen nicht geklappt hätte?

Chu: Ehrlicherweise gab es keinen Plan B. Ich habe mich nach der Schule nur für drei Universitäten beworben, die alle Film-Studiengänge haben. Die University of Southern California hat mich aufgenommen. Vielleicht war ich naiv. Ich dachte, ich würde das einfach ewig machen. Ich habe gar nicht daran gedacht, ob ich jemals dafür bezahlt würde. Es wäre ok gewesen, den Rest meines Lebens Hochzeitsvideos zu machen. Das habe ich während der Schule gemacht. Ich liebte es mit visuellem Storytelling zu experimentieren. Es ist heute übrigens immer noch so: wenn meine Filme schlecht laufen und ich nie wieder einen Job als Regisseur bekommen würde, dann wäre das sicher hart. Aber ich glaube, es gibt heute genug Jobs, in denen man filmen und schneiden kann. Der Drang, etwas zu erschaffen, ist für mich größer als jeder andere.
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G.I. Joe: Die Abrechnung
Ricore: Sie haben am Anfang ihrer Karriere auch Drehbücher geschrieben. Können Sie sich vorstellen, wieder in diese Richtung zu gehen?

Chu: Ja, auf jeden Fall. Ich liebe das Schreiben und arbeite auch als Regisseur gerne mit den Autoren zusammen. Die Synergie zwischen Regisseur und Drehbuchautor ist toll und wichtig für einen Film. Aus solchen Kontakten habe ich unglaublich viel gelernt. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt.

Ricore: Wie sind Sie eigentlich dazu gekommen, Tanzfilme zu machen?

Chu: Ich habe als Kind viele Instrumente gelernt: Klavier, Schlagzeug, Geige. Dadurch hatte ich viel Kontakt zu Tänzern und habe auch selbst ein paar Tanzstunden gehabt. Leider war ich nie besonders gut. Irgendwann habe ich angefangen, Sachen mit befreundeten Tänzern aufzunehmen. Ich wusste nicht viel übers Tanzen aber es hat viel Spaß gemacht. An der Uni habe ich einen Musical-Kurzfilm gemacht, darüber habe ich die Regie beim zweiten "Step Up"-Film bekommen. Damals wusste ich nicht viel übers Hip-Hop-Tanzen. Mit diesem Film wurde ich da irgendwie reingezogen. Ich brachte den Blick von außen mit. Ich konnte gut entscheiden, was funktioniert und was nicht. Und ich konnte mich gut auf die Story konzentrieren, weil ich viele der technischen Aspekte nicht verstand. Genauso war es bei der Justin Bieber-Tour-Dokumentation. Ich war kein Fan sondern wusste nur ungefähr, wer das ist. Ich konnte die Erfahrung mit dem Publikum teilen, herauszufinden wer er ist. Sogar bei G.I. Joe ist das so, obwohl ich gut darüber Bescheid weiß. Ich habe versucht, mich in jemanden hineinzuversetzen, der nichts über G.I. weiß.

Ricore: Wie schwierig war der Übergang von Musik- und Tanzfilmen zu einem großen Actionfilm?

Chu: Es gibt einige Gemeinsamkeiten. Die Zusammenarbeit mit einem Kampf-Choreographen ist ähnlich wie mit einem Tanz-Choreographen. Die Art und Weise, wie man den Raum einteilt und wie man mit dem Kameramann zusammenarbeitet, um das Ganze aufzunehmen, ist sehr ähnlich. Die Logistik ist unterschiedlich aber alles was zählt ist die Magie zwischen Darsteller und Kamera. Sobald man in den Schnittraum geht, vergisst man ohnehin das ganze Drumherum am Set. Insofern sind die Unterschiede am Ende gar nicht so groß.

Ricore: Wenn Sie so viel Wert auf die Story legen, ist Ihnen das konkrete Genre dann letztendlich egal?

Chu: Ich liebe es, unterschiedliche Genres auszuprobieren. Der Prozess, ein neues Genre zu entdecken und zu erschließen, ist in meinen Augen das, worum es beim Filmemachen geht. Im Moment möchte ich noch mehr über Action lernen. Ich kann es kaum erwarten, noch einen Actionfilm zu machen und neue Dinge auszuprobieren.
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Dwayne Johnson und Jon Chu am Set von "G.I. Joe: Die Abrechnung"
Ricore: Abgesehen von G.I. Joe: welchen Film würden Sie wirklich gerne machen?

Chu: Einen konkreten Film habe ich da nicht vor Augen. Aber ich würde sehr gerne einen Dinosaurier-Film und einen Roboter-Film machen.

Ricore: Welche Schauspieler waren denn bei "G.I. Joe: Die Abrechnung" schon an Bord, als Sie zu dem Projekt stießen?

Chu: Als ich hinzustieß waren noch gar keine Darsteller engagiert. Wir haben zuerst versucht, Dwayne 'The Rock' Johnson zu verpflichten. Wir wussten, dass er der Typ ist, diese ikonische Actionfigur zu spielen. Er hat die Präsenz und personifiziert G.I. Joe besser als jeder andere, den wir kennen. Als wir ihn hatten, ging es weiter. Wir brauchten für die Rolle des Joe Colton jemanden, der da mithalten kann. Da war wiederum Bruce Willis die perfekte Wahl.

Ricore: Die Filme, die Sie bisher gemacht haben, sind bei der Kritik eher schlecht angekommen, waren aber große Publikumslieblinge. Interessiert es Sie, was Kritiker schreiben?

Chu: Ich versuche, Filme für alle zu machen. Das schließt die Kritiker mit ein. Ich lese ständig Filmkritiken. Es ist gut, die Perspektive von jemandem zu sehen, der eine Menge Filme guckt. Die Diskussion übers Filmemachen ist etwas sehr Gutes. Wenn ich eine schlechte Kritik über einen meiner Filme lese, tut das natürlich weh. Aber das ist nun mal unser Geschäft. Wir sind in einer der wenigen Branchen tätig, in der die Öffentlichkeit dein Werk beurteilt und jeder sich wie ein Experte fühlt. Filme sind wie Musik. Jeder hat seinen eigenen Geschmack und jeder hat eine Meinung.

Ricore: Sie wollten G.I. Joe in 3D machen, stimmt das?

Chu: Wir haben am Anfang darüber gesprochen. Wir hatten nicht genug Zeit und Ressourcen, den Film wirklich gut in 3D zu machen. Wir mussten die Entscheidung treffen: wollen wir es schnell und billig machen oder eben nicht.

Ricore: Sie haben bereits in 3D gedreht. Wollen Sie das wiederholen?

Chu: Ich liebe 3D. Wir stehen gerade erst am Anfang, die Grammatik von 3D-Filmen zu lernen. Die Möglichkeiten sind riesig.

Ricore: Welches Projekt machen Sie als nächstes?

Chu: Wir müssen G.I. Joe erst noch fertigstellen. Ich hatte noch keine Zeit, mir zu überlegen, was ich als nächstes machen will.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 28. März 2013
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Der 1979 in Palo Alto geborene Regisseur und Drehbuchautor Jonathan Murray "Jon" Chu liebt den Tanz. In vielen seiner Filme wird gesungen und getanzt. Angefangen hat der frühere Student der When the Kids Are Away" über die 'geheime' Tanzleidenschaft von Hausmüttern. Step Up 3D - Make Your Move" den ersten 3D-Tanzfilm heraus. Auch privat ist Chu tanzbegeistert. Er gehört zu einer Tanzgruppe namens AC/DC bzw. 'Adam/Chu Dance-Crew'.
In "G.I. Joe: Die Abrechnung" bekommt es Roadblock (Dwayne Johnson) mit seiner Elite-Einheit G.I. Joe wieder mit der mörderischen Organisation Cobra zu tun. Deren Anführer Zartan (Arnold Vosloo) hat die US-Regierung infiltriert und trachtet danach, sich die Welt untertan zu machen. Als er einen mörderischen Anschlag auf Roadblocks Truppe verübt, schört dieser Rache. Unterstützung bei seinem Gegenangriff bekommt er von General Joe Colton (Bruce Willis). Wie "G.I. Joe - Geheimauftrag Cobra" kann..
2024