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Robert Redford auf dem Sundance Film Festival 2012
Mensch zwischen den Mächten
Interview: Humanist Robert Redford
Während der Ära des New Hollywood, der kurzen Periode, in der das klassische Erzählkino und künstlerischer Anspruch zusammenfallen, dreht Robert Redford seine größten Filme. Er ist ein Unangepasster, engagiert sich für das Independent-Kino und führt ab 1980 auch Regie. In ihrer Haltung stets kritisch gegenüber der US-Politik, handeln seine Filme primär von Menschen, ihren Gefühlen und Motiven. "The Company You Keep - Die Akte Grant" ist so ein typischer Redford-Film. Der Thriller zeigt einen Ausschnitt aus der Geschichte Amerikas und erzählt von Menschen, die sich innerhalb eines Systems positionieren und mit den Konsequenzen ihrer Entscheidungen zurechtkommen müssen. Im Interview mit Filmreporter.de erklärt Redford seinen Platz in der wechselhaften Geschichte seines Landes.
erschienen am 25. 07. 2013
Concorde Film
Robert Redford in "The Company You Keep - Die Akte Grant"
Sundance eine Zeitverschwendung?
Ricore Text: Es ist schön, Julie Christie an Ihrer Seite zu sehen. Haben Sie mit ihr gedreht, weil sie ein wichtiger Protagonist der 1970er Jahre ist?

Robert Redford: Ja, ich habe sie für das ausgewählt, wofür sie stand, als wir jung waren. Wir waren beide politisch sehr aktiv. Unsere Karrieren fingen ungefähr zur gleichen Zeit an, hatten zur gleichen Zeit Erfolg, wurden zur gleichen Zeit bekannt. Unabhängig davon ging es bei der Besetzung auch darum, was richtig für die Charaktere ist. Es hätte auch andere Möglichkeiten gegeben. Ich schätze die Schauspielqualitäten von Julie schon immer. Sie ist eine wahrhafte Person. Was immer sie als Schauspielerin tut, es kommt immer Wahres dabei heraus.

Ricore: Sie haben im Verlauf Ihrer Karriere viele Veränderungen innerhalb der Filmindustrie mitgekriegt. Zugleich haben Sie selbst wesentlich zu diesen Veränderungen beigetragen haben. Wie sehen Sie das?

Redford: Ich möchte keine falsche Bescheidenheit vortäuschen. Was den zweiten Teil Ihrer Frage angeht, sollten andere ein Urteil fällen. Mir fällt es schwer zu sagen, dass ich Veränderungen bewirkt habe. Das würde zu egozentrisch klingen. Ich weiß nur, dass ich immer etwas Neues und anderes machen wollte. Etwas, von dem ich dachte, dass es notwendig ist. In den 1970er Jahren durfte ich große Filme mit tollen Geschichten machen. "So wie wir waren", "Der große Gatsby" und "Zwei Banditen" waren großartige Filme mit interessanten Charakteren. Außerdem wollte ich immer kantige Geschichten erzählen und ich hatte das Glück, das ich die Möglichkeit dazu hatte. Zum Beispiel ließ man mich "Bill McKay - Der Kandidat" oder "Jeremiah Johnson" machen. Das waren zwar Low-Budget-Filme, die aber unter dem Dach großer Studios entstanden. Ich durfte in meinem Leben große und kleine Filme machen, wobei ich letztere persönlich interessanter fand.

Ricore: Wie ist die Situation heute?

Redford: Heute ist es anders. 1979 habe ich die Veränderung kommen sehen. Das Hollywood, wie wir es kannten, begann zu schrumpfen und sich immer mehr zu zentralisieren. Es ist mehr denn je ein Geschäft, das sich vor allem für Geld interessiert. Und weil das meiste Geld von jungen Menschen zu holen ist, macht es vor allem Filme für diese Zielgruppe. Die Folge sind Blockbuster wie "Superman: Man of Steel", Filme mit viel Action und Spezialeffekten. Diese Fokussierung geht zulasten kleinerer Filme.

Ricore: Sie haben wesentlich zur Entwicklung des kleinen Films beigetragen, nicht zuletzt durch die Förderung des Independent-Films mit dem Sundance Film Festival.

Redford: Ich war mir damals sicher, dass die kleinen Filme eine Marktnische haben könnten. Also frage ich mich, welchen Beitrag ich dafür leisten könnte. Ich startete eine Non-Profitorganisation, die ein Labor für junge Filmemacher sein sollte. Ich frage Kollegen, Autoren, Regisseure, Kameramänner und Cutter, ob sie nicht mit jungen anstrebenden Filmemachern arbeiten wollten, die neue, frische Ideen haben. Ich dachte, wenn wir mit diesen neuen Stimmen zusammenarbeiten und ihnen helfen, ihre Fertigkeiten weiterzuentwickeln, können sie wenigsten ihre ersten Filme fertigstellen. Fünf, sechs Jahre später stellte ich fest, dass wir uns in einer Sackgasse befinden. Hollywood stellte eine Verbindung zum Theater her und investierte viel Geld. Für den Independent-Film blieb kein Raum. Das führte zur Idee des Sundance Film Festivals. Es sollte zur Plattform werden, auf der unabhängige Filme gezeigt werden und die Filmemacher ihre Werke mit anderen teilen konnten.

Ricore: Ein ehrgeiziges Unternehmen, das an den Kampf zwischen David und Goliath erinnert.

Redford: Viele versuchten, mich davon abzuhalten. Sie sagten mir, dass ich mit dem Sundance Lab meine Zeit verschwenden würde, da es ein Non-Profit-Unternehmen sei. Ich sagte, dass ich es wenigstens versuchen wolle. Am Anfang war es schwer. Die ersten fünf, sechs Jahre waren ein Überlebenskampf. Dann fing es an, größer zu werden. Wir bauten mehr Kinos und immer mehr Filme standen auf dem Programm. Heute gibt es in Park City [Bundesstaat Utah; die Redaktion] ca. 14 Kinos, die von etwa 60.000 Menschen besucht werden. Auf der einen Seite ist das ein großer Erfolg, weil das Festival seinen Zweck erfüllt. Ob es mir allerdings noch Spaß macht? Nein, nicht so wie noch am Anfang. Es hat mich viel gekostet, nun möchte ich wieder zurück zu dem, was ich liebe.
Concorde Film
The Company You Keep - Die Akte Grant
Robert Redford: Ich mache Filme über Menschen
Ricore: Inwiefern ist auch "The Company You Keep" ein Independent-Film?

Redford: Weil es kein Film ist, mit dem man Geld verdienen kann (lacht). Es ist ein Low-Budget-Film, bei dem Freunde und Schauspielkollegen einverstanden waren, für wenig bis gar kein Geld mitzuspielen. Andererseits haben sie nicht nur meinetwillen mitgemacht, sondern weil "The Company You Keep" Charaktere hatte, die sie gerne spielen wollten. Nichtsdestotrotz war es schwer, den Film wegen des begrenzten Budgets zu realisieren. Weil ich ihn aber sehr gerne machen wollte, sagte ich: 'Egal, was wir in der Hand haben, wir müssen es durchziehen.'

Ricore: Betrachten Sie sich als politischen Filmemacher, oder als jemanden, der Filme über Menschen macht?

Redford: Ich mache Filme über Menschen. Wenn ich meine Art des Filmemachens kategorisieren müsste, würde ich drei Ebenen nennen. Das erste ist die Geschichte, dann die Charaktere und schließlich Emotionen. Als Kind wuchs ich in einer Arbeiter-Familie auf, in der es nicht viel zur Unterhaltung gab. Aus diesem Grund las ich sehr viel. Man musste mir immer Geschichten erzählen, um mich zu beruhigen. Wenn ich nicht ins Bett gehen wollte, erzählte man mir eine Geschichte und ich war glücklich. Geschichten sind also sehr wichtig für meine Filme. Dann kommt die Frage nach den Charakteren, welche die Geschichte beleben. Hier fühlte ich mich schon immer von komplexen Charakteren angezogen. Die Emotionen schließlich resultieren aus den Charakteren und sie füttern die Geschichte.

Ricore: Finden sich all diese Elemente auch in "The Company You Keep"?

Redford: Ja, "The Company You Keep" erzählt eine Geschichte, zu der ich einen engen Bezug habe. Ich war zwar nicht Teil der Weathermen-Bewegung, habe aber mit ihr sympathisiert. Die Regierung hatte junge Menschen in den Krieg geschickt, die sich und andere für etwas opfern sollten, an das sie nicht glaubten. Das war ein unmoralischer Krieg. Darüber stimmte ich mit den Weathermen überein.

Ricore: Woran sind die Weathermen letztlich gescheitert?

Redford: Der politische Körper, der das Land regierte, war zu stark. Nixon und seiner Regierung war es gelungen, den Weathermen Einhalt zu gebieten. Aus diesem Grund entschloss sich die Bewegung, ihre Standpunkte mit Gewalt zu verdeutlichen. Als das passierte, wusste ich, dass das der Anfang vom Ende ist. In dem Moment, als sie zu Gewalt als Maßnahme griffen, fingen die Weathermen an, sich selbst aufzufressen.

Ricore: Und was ist der menschliche Aspekt, den Sie in diesem Kapitel der US-Geschichte sahen?

Redford: "The Company You Keep" handelt von Menschen, die in den Untergrund gingen, um frei zu bleiben. Das faszinierte mich schon immer. Früher konnte ich aber noch keinen Film darüber machen, weil das Thema zeitlich zu nah an den damaligen Ereignissen war. Also legte ich die Idee auf Eis. Vor ein paar Jahren dachte ich, dass es nun an der Zeit ist. Es ist nun Teil der amerikanischen Geschichte und kann als amerikanische Geschichte erzählt werden. Es sollte aber kein Film über die damalige Zeit werden. Vielmehr sollte er von jenen Menschen handeln, die eine falsche Identität angenommen haben und bis heute im Untergrund leben.
Concorde Film
Regisseur und Hauptdarsteller Robert Redford ("The Company You Keep - Die Akte Grant"
Komplexität und Grauzonen der Charaktere
Ricore: Es geht also um die Gewissensfrage.

Redford: Mich interessierte, wie diese Menschen 30 Jahre später leben, wie sie sich fühlen. Welche Opfer mussten sie bringen, indem sie all die Jahre unter falschen Namen lebten? Und dann reizte mich ich an dem Stoff natürlich auch die Konstellation Jäger und Gejagte. Also genau das, was mich an "Die Elenden" von Victor Hugo immer so faszinierte. Das Thema Verfolgung zieht so ziemlich durch jeden meiner Filme. Nicht zuletzt mochte ich die Komplexität und die Grauzonen der Charaktere. So gingen einige in den Untergrund, distanzierten sich von ihren Überzeugungen und bereuten ihre Handlungen. Andere resignierten und waren traurig, dass die Bewegung keinen Erfolg hatte. Wiederum andere, wie zum Beispiel die von Julie Christie gespielte Figur, blieben bis zuletzt Radikale und ihren Idealen treu. In "The Company You Keep" konnte ich alle diese Elemente zusammenfügen und zugleich einen Ausschnitt aus der Geschichte Amerikas zeigen.

Ricore: Gibt es etwas, das Sie als Künstler bereuen?

Redford: Nein, in meinem beruflichen Leben gibt es nichts, das ich bereue. Ich habe das Glück das zu tun, das ich immer tun wollte. Es hat mich viel gekostet. Andererseits war es für mich sehr wichtig, unabhängig von Firmenzwängen zu sein. Ich habe hart daran gearbeitet, damit sich daran nichts ändert. Es fühlt sich sehr gut an, auch wenn es manchmal sehr schmerzvoll war.

Ricore: Inwiefern schmerzvoll?

Redford: Wenn man zum Beispiel mit Feindseligkeit konfrontiert wird, weil man sich außerhalb des Mainstreams bewegt. Wenn man den Eindruck hat, dass die negativen Gefühle einen davon abhalten, das zu tun, was man gerne tun würde. Schmerzvoll auch in dem Sinne, als manchmal Menschen auf mich zukamen, die mir viel Geld geboten haben, damit ich Filme mache, die ich nicht machen wollte. Dann wiederum wurden mir keine Rollen angeboten, weil viele mich für verrückt hielten. Sie sagten, das einzige, das mich interessiere, Sundance ist. Er lebt in den Bergen in Utah und macht keine Filme mehr, dachten sie. Das meine ich auch mit schmerzlich: die Tatsache, wie über mich gedacht wurde, wo ich doch nur meine Unabhängigkeit bewahren wollte. Ich habe das aber alles überlebt. Heute weiß ich, dass Veränderungen unvermeidbar sind. Man muss mit der Zeit gehen.

Ricore: War diese Erkenntnis auch der Grund, wieso Sie eine Rolle in der Marvel-Verfilmung "Captain America - The Winter Soldier" angenommen haben?

Redford: Es ist eine kleine Rolle. Ich habe sie angenommen, weil es ganz anders ist, als das, was ich bis jetzt gemacht habe. In Zukunft werde ich noch in einigen Filmen machen, die neu für mich sind. Zum Beispiel in "A Walk in the Woods", eine Komödie mit Nick Nolte. Ich wollte schon immer eine Komödie machen.

Ricore: Können Sie sich in der Rolle eines Superhelden vorstellen?

Redford: Um ehrlich zu sein, wollte ich schon immer einen Charakter verkörpern, der zwischen zwei Mächten gefangen ist. Einen Menschen, der zwar ein Individuum ist, aber von Kräften beherrscht wird, die sich seiner Kontrolle entziehen. Das war in "Die drei Tage des Condor" der Fall und das war in "Die Unbestechlichen" ähnlich, der von Journalisten erzählte, die sich für ihre Geschichte durch zahlreiche Widerstände kämpfen mussten.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 25. Juli 2013
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2024