Christian Hartmann
Schauspieler Nicholas Reinke
"Besser loslegen, als an Zweifeln verrückt werden"
Interview: Nicholas Reinke geht die Dinge an
In der Komödie "Drei Stunden" spielt Nicholas Reinke den verträumten Theaterautor Martin, der beinahe die Chance versäumt, seiner besten Freundin seine Liebe zu gestehen. Die Liebe zum Theater verbindet Reinke mit dieser Figur. Der 1980 geborene Schauspieler stürzt sich lieber ins Leben, als in seinem stillen Kämmerlein verpassten Gelegenheiten hinterher zu trauern. Die Frage, ob Männer und Frauen nur gute Freunde sein können, wird jedoch auch im Interview mit Filmreporter.de nicht abschließend geklärt.
erschienen am 23. 07. 2013
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Claudia Eisinger und Nicholas Reinke haben "Drei Stunden"
Vom Rohschnitt schockiert
Ricore Text: Die Dreharbeiten zu "Drei Stunden" liegen ja schon ein bisschen zurück. erinnern sie sich noch daran?

Nicholas Reinke: So dunkel. Zwei Jahre ist das schon her. Eigentlich verrückt, dass es oft so lange dauert, bis ein Film ins Kino kommt.

Ricore: Was dachten sie, als sie den Film zum ersten Mal sahen?

Reinke: Da habe ich zum ersten Mal in meinem Leben einen Film im Rohschnitt gesehen. Ich war ein bisschen schockiert, weil ja alles noch nicht fertig war. Der Ton ist die ganze Zeit gesprungen, das war ungewohnt. Drei Monate später sah ich den Film bei den Hofer Filmtagen und war sehr happy. Es ist wirklich ein riesiger Unterschied zwischen Rohfassung und einem fertigen Film.

Ricore: Gibt es Parallelen zwischen der Hauptfigur Martin und ihnen?

Reinke: Schon. Martin will ja Theaterregisseur werden und ich bin ja übers Theater zum Film gekommen. Ich habe schon viele junge Regisseure kennengelernt, von daher hatte ich einen guten Zugang zu der Figur. Der Unterschied zwischen Martin und mir ist allerdings, dass er sehr lange braucht in seinem Leben, um zu Potte zu kommen. Er sitzt in seinem Kämmerlein und schreibt jahrelang an seinem Stück und traut sich nicht, dafür Gelder zusammenzusuchen. Er ist sehr grüblerisch. Das ist bei mir nicht so. Wenn ich etwas vorhabe, mache ich das auch, weil ich es auch nicht aushalte, da so lange in meinem Kämmerlein darüber nachzudenken.

Ricore: Haben sie keine Zweifel?

Reinke: Ich warte einfach nicht, bis die Zweifel zu groß werden. Natürlich zweifele auch ich, aber ich denke mir immer, besser loslegen als an Zweifeln verrückt werden. Das versuche ich grundsätzlich zu beherzigen.

Ricore: Hätten sie Isabel also auch schneller gesagt, was Sache ist? Bei Martin hatte man ein wenig den Eindruck, dass er seine Gefühle gar nicht bemerkt hat.

Reinke: Das ist ein Thema, das wir lange diskutiert haben, wie glaubwürdig es ist, dass sich einer sich so lange nicht traut, diesen Schritt zu machen und versucht, die Frau für sich zu gewinnen. Wahrscheinlich hat er ein paar Momente verpasst und dann hat sich das so eingeschlichen. Wenn man einmal beste Freunde ist, ist ja schwerer, diesen Schritt zu gehen, weil man plötzlich etwas zu verlieren hat. Nämlich einen Freund. Wenn man das wagt, ist es ja relativ klar, dass man danach nicht mehr Freunde bleiben wird. Aber je länger man wartet, umso schwerer ist es, sich zu überwinden. Martin brauchte diesen Druck von außen, dass Isabel für drei Jahre weg ist. So habe ich mir das erklärt.

Ricore: Haben sie so etwas selbst schon erlebt?

Reinke: Ja. Allerdings war ich da zehn Jahre jünger als Martin im Film. Ich war sehr lange sehr gut mit einem Mädchen befreundet, über Jahre. Ich kann mich noch genau an den Tag erinnern, als ich diese Situation nicht mehr ausgehalten habe und mich traute, ihr meine Liebe zu gestehen.

Ricore: Und dann?

Reinke: Wir waren kurz zusammen. Aber danach hatten wir dann gar nichts mehr miteinander zu tun. Daran ist die Freundschaft tatsächlich zerbrochen.

Ricore: Bereuen sie im Nachhinein, diesen Schritt gewagt zu haben?

Reinke: Ich bereue es überhaupt nicht. So etwas passiert. Und vorher habe ich jahrelang gelitten. Das ist ja auch keine Lösung. Da ist es mir lieber, dass es einmal richtig weh tut, als jahrelang immer ein bisschen.

Ricore: Können Männer und Frauen denn überhaupt Freunde sein?

Reinke: Ich habe mal gehört, dass die Deutschen da im Vergleich anders sind, als andere Nationen. Denn hier ist eine Freundschaft zwischen Frauen und Männern wenigstens möglich, ohne dass immer solche Dinge wie Verführung oder Begehren unterschwellig mitschwingen. Aber ganz ehrlich gesagt, weiß ich nicht, ob das dauerhaft wirklich geht. Aber wahrscheinlich schon.
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Nicholas Reinke bedient Claudia Eisinger und Christian Ammermüller
Nicholas Reinke in den Isarauen heimisch geworden
Ricore: Was denn jetzt?

Reinke: Naja, meistens ist es ja dann doch so, dass bei einem von beiden die Situation kippt. Zumindest habe ich noch nicht erlebt, dass so was dauerhaft unkompliziert bleibt. Ich hatte eine sehr gute Freundin, mit der ich lange wie Bruder und Schwester befreundet war, doch irgendwann stand auf einmal dann doch diese Frage im Raum. Und dann muss man sich entscheiden und am Ende ist vielleicht einer verletzt oder beide. Schwierig.

Ricore: Bei Martin und Isabel schien es ja so, dass sie auf die Partner des anderen auch eifersüchtig waren.

Reinke: Schon. Obwohl ja hauptsächlich über Isabels Partner gesprochen wird, die sie auf ihren Reisen trifft. So lange es ein Spiel bleibt, kann man ganz gut damit umgehen, aber wenn man plötzlich selbst betroffen ist, wird es schwierig, damit spielerisch umzugehen.

Ricore: Isabel und Martin beschließen, es miteinander zu versuchen. Aber im Grunde verfolgt doch weiterhin jeder seine eigenen Ziele.

Reinke: Ja, eigentlich ist keiner von beiden wirklich bereit, irgendwelche Abstriche zu machen. Das ist vielleicht das Moderne an dieser Beziehung in einer Zeit, wo man einfach so viele Möglichkeiten hat, was die Partnersuche angeht. Warum soll man Abstriche machen. Klar, in dem Moment, wenn Kinder dazu kommen, wird es anders. Da muss die Frau zwangsweise erst mal zurücktreten. Vor 50 Jahren wäre die Frau natürlich nicht nach Afrika gegangen, sondern hätte den Mann bei seiner Theaterkarriere unterstützt. Es ist schwieriger geworden, zusammen einen Lebensentwurf zu finden.

Ricore: Weil aber auch keiner verzichten will.

Reinke: Ja schon. Eigentlich haben Isabel und Martin das Ganze nur hinausgeschoben.

Ricore: Wären sie selbst mit Isabel nach Afrika mitgegangen?

Reinke: Meistens ist es ja so, dass dann einer unglücklich wird, wenn er irgendwo ist, wo er keine Aufgabe hat. Was soll Martin in Afrika, wenn er nicht die Welt retten will. Auf Dauer wird er auch sehr unattraktiv für die Frau werden, wenn er nicht irgendwas auf die Reihe kriegt. Wenn er nur Bier trinkend in der Hängematte liegt... Aber wenn sie dableibt und ihm vorwirft, dass sie für ihn ihren Traum aufgegeben hat, wäre das auch keine Lösung.

Ricore: Sie leben in München.

Reinke: Ja, schon seit elf Jahren. Aufgewachsen bin ich in Kempen am Niederrhein. Dann bewarb ich mich an verschiedenen Schauspielschulen und bin in München genommen worden. Natürlich wollte ich erst, wie alle anderen auch, nach Berlin, aber die Ernst Busch Schauspielschule hat mich nicht genommen und dann hatte ich das Glück, an der Otto-Falckenberg-Schule einen Platz zu kriegen.

Ricore: Haben sie sich inzwischen mit München arrangiert? Zu Berlin ist es ja doch ein Unterschied.

Reinke: Berlin ruft mich nicht mehr so laut. Zumal es ja auch sicherlich ein Standortvorteil ist, wenn man mal strategisch denkt. In Berlin gibt es ja so viele Schauspieler... Ich habe das Glück, hier in München eine relativ humane Miete zu zahlen. Und ich liebe die Stadt mittlerweile auch.

Ricore: Was mögen sie an München?

Reinke: Es ist eine Stadt, die alles bietet und in der man sich trotzdem manchmal wie auf dem Land vorkommt. Keine Hektik der Großstadt. Früher, also vor 15 Jahren, dachte ich, ich würde nie in einer Großstadt leben. Und im Endeffekt hat sich das bewahrheitet. München verbindet die Gegensätze zwischen Stadt und Land sehr gut.

Ricore: Was ist ihr Lieblingsplatz in der Stadt?

Reinke: Die Isar ist wahnsinnig schön, die ganzen Isarauen. Ich bin oft beim Maxmonument, weil es da einfach nicht so voll ist. Da ist viel mehr Platz, wenn man sich mal entspannt ins Gras legen will. Anders als am Flaucher. Ich habe drei Jahre in Gegend zwischen dem Kiosk beim Flaucher und Gärtnerplatz gewohnt. Da muss man ja nur aus der Tür fallen und kann gleich Party machen. Das hat mir aber irgendwann gereicht. Schlaf ist ja nicht zu unterschätzen.
Christian Hartmann
Schauspieler Nicholas Reinke
In Berlin lassen sich die Leute mehr treiben
Ricore: Wo wohnen sie jetzt?

Reinke: In Haidhausen. Da ist es sehr schön. Das Schlachthofviertel mag ich auch gerne. Aber das ändert sich jetzt drastisch. Es wird viel gebaut. Das Westend wird auch immer schicker. Irgendwann gibt es dann gar keine Nischen mehr in München. Es ist eigentlich schon jetzt eine Stadt ohne Nischen.

Ricore: Wo gibt es das beste Eis in München?

Reinke: Als ich am Glockenbach gelebt hab, war ich ein großer Jessas-Fan. Mittlerweile gehe ich aber zu Sarcletti. Die haben jetzt auch einen Laden in Haidhausen.

Ricore: Was ist der große Unterschied zwischen München und Berlin?

Reinke: In Berlin lassen sich die Leute mehr treiben. Wenn man hier um zwölf Uhr mittags Boule spielen geht, wird man auch schon mal angeschimpft, geh gefälligst arbeiten. Deswegen schadet München überhaupt nicht der Produktivität. Man ist ja auch unter Druck produktiv zu sein, weil man sich die Stadt sonst nicht leisten kann.

Ricore: Was sind denn ihre nächsten Pläne?

Reinke: Zurzeit schreibe ich mit Boris Kunz, dem Regisseur von "Drei Stunden", an einem Drehbuch. Ende Juli haben wir den Abgabetermin für die erste Fassung. Das ist das Schöne, dass aus dieser ersten gemeinsamen Arbeit, jetzt etwas Neues entstanden ist. Ich bin mit der Idee für einen neuen Film auf ihn zugegangen und er war begeistert. Wir konnten auch Khaled Kaissar, den Produzent von "Drei Stunden" für das Projekt gewinnen. Wir haben also vor, in derselben Konstellation sehr bald wieder einen Film zu drehen.

Ricore: Die Idee stammt also von ihnen?

Reinke: Ja. Für mich ist das auch eine neue Erfahrung, eine Idee, die man hat, in einen Film zu packen. Es wird eine Liebeskomödie verbunden mit einem Workingclass-Film. Es spielt in einem Fastfoodrestaurant, in dem sich zwei Menschen kennen- und lieben lernen. Im Moment sehen wir aber noch den Wald vor lauter Bäumen nicht.

Ricore: Schreiben sie regelmäßig an dem Drehbuch?

Reinke: Ich versuche natürlich, mich zu disziplinieren. Mal gelingt es mir besser, mal schlechter. Zum Glück habe ich mit Boris Kunz einen sehr fleißigen Autor an meiner Seite. Er ist die treibende Kraft.

Ricore: Wie funktioniert die Zusammenarbeit? Haben sie Meinungsverschiedenheiten?

Reinke: Bis jetzt lief es tatsächlich sehr harmonisch ab, das ist einfach eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit. Streit kann ja auch fruchtbar sein, aber das gab es bislang nicht, weil wir uns grundsätzlich einig sind, in welche Richtung die Geschichte gehen soll.

Ricore: Sie spielen Theater, drehen Kinofilme und schreiben jetzt ein Drehbuch. Haben sie das Gefühl, im Leben angekommen zu sein?

Reinke: Mal mehr und mal weniger. Ich führe ein Leben, das durch den Beruf als Schauspieler mit großen Hochs und Tiefs verbunden ist. Ich bin auf jeden Fall angekommen in dem was ich mache. Ich möchte Schauspieler sein. Ich lebe meinen Traum, aber manchmal ist es auch ein wenig Alptraum.

Ricore: Was machen sie, wenn sie mal in einem Tief sind?

Reinke: Ich mache viel Sport. Und ich versuche, mich nicht zu sehr davon einnehmen zu lassen. Das bringt ja auch gar nichts. Das klingt jetzt etwas floskelhaft, aber man muss weiter machen. Alles andere ist langweilig.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 23. Juli 2013
Zum Thema
Nicholas Reinke verbringt die ersten 20 Jahre seines Lebens in Kempen am Niederrhein. Als er beschließt hatte, Schauspieler zu werden, bewirbt er sich an mehreren Schauspielschulen. Letztlich verschlägt es ihn an die Münchner Hans-Christian Schmids "Requiem". Nicholas Reinke ist mittlerweile regelmäßig in Theater- und Fernsehproduktionen zu sehen.
Drei Stunden (Kinofilm)
"Drei Stunden" handelt von der jungen Weltverbesserin Isabel (Claudia Eisinger) und dem aufstrebenden Schriftsteller Martin (Nicholas Reinke), die sich in einander verlieben, ohne sich ihre Liebe einzugestehen. Als Isabel wegen eines Umweltprojekts nach Mali reisen soll, entschließt sich Martin zu handeln. Sein Liebesgeständnis am Flughafen hat jedoch nicht die erhoffte Wirkung. Boris Kunz hat mit seinem Kinodebüt eine romantische Komödie inszeniert, in der sich - dem Genre gemäß - der Liebe..
2024