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James McAvoy in "Drecksau" unter Drogen?
Höllentrip nach schottischer Art
Interview: James McAvoy: Drogen, Sex, Korruption
Der schottische Schauspieler James McAvoy ist spätestens seit seiner Rolle in "Der letzte König von Schottland - In den Fängen der Macht" dem interessierten Filmpublikum ein Begriff. Für die gleichnamige Verfilmung von Irvine Welshs Roman "Drecksau" bekleidet McAvoy die Figur des enthemmten Polizisten Bruce Robertson aus Edinburgh, der mit allen Mitteln um seine Beförderung kämpft. In einem Dickicht aus sexueller Begierde und Drogenmorast droht der Gesetzeshüter unterzugehen. Mit uns sprach der Glasgower Mime James McAvoy über seine Vorliebe für schmutzige Witze und schottische Eigenheiten.
erschienen am 18. 10. 2013
Ascot Elite Entertainment Group
James McAvoy in "Drecksau"
Glasgower sind authentischer und witziger
Ricore: Was denkt ein Glasgower über Edinburgh?

James McAvoy: Es gibt diesbezüglich tatsächlich eine Konkurrenzsituation. Wir Glasgower halten uns für authentischer und witziger - auch wenn die Bewohner von Edinburgh das sofort verneinen würden. Die Bewohner von Edinburgh sprechen zudem einen Vikinger-Akzent, haben eine Burg mitten in ihrer Stadt und die Queen verbringt dort ihren Urlaub - das sagt doch wirklich alles.

Ricore: Hätte "Drecksau" auch in Glasgow spielen können?

McAvoy: Im Grunde kann die Story überall spielen, weil die Thematik universell ist. Ein Mann mit einem mentalen Zusammenbruch ist überall zuhause. Es muss kein Polizist sein, auch ein Anwalt oder Zahnarzt kann in eine solche Schieflage geraten. Jedoch ist der Autor Irvine Welsh die Stimme von Edinburgh, insofern war es immer klar, dass der Film auch dort gedreht wird. Welsh besticht durch seinen schwarzen Humor, seine authentischen Dialoge und den versauten Hyperealismus. Ich mag diese Art von Humor. In diesem Sinne bin ich auch eine Drecksau. Meine Frau muss mich oft zügeln.

Ricore: Nach "Trance - Gefährliche Erinnerung" spielen Sie in "Drecksau" erneut eine Figur mit psychischen Problemen. Wie kommt das?

McAvoy: Das hängt in erster Linie von den Rollenangeboten ab. Ich kann nicht sagen, ob diese Auswahl etwas mit meiner aktuellen Lebenssituation zu tun hat oder ob es einfach Zufall ist. Tatsächlich genieße ich diese Figuren, aber ich suche nicht bewusst nach ihnen. Mir kommt es darauf an, dass ich die jeweilige Rolle und das Drehbuch mag. Das Drehbuch zu "Drecksau" war beispielsweise eines der besten, welches ich je gelesen habe. Am Ende entscheidet jedoch das Publikum, ob es mich wiederholt in einer solchen Rolle sehen will oder nicht.

Ricore: Was war das Besondere an Ihrer Rolle in "Drecksau"?

McAvoy: Meine Rollenfigur Bruce Robertson ist psychisch viel beschädigter als beispielsweise meine Rollenfigur Simon in "Trance - Gefährliche Erinnerung". Bruce ist im Endstadium und er lässt alles geschehen in seiner völlig aus den Fugen geratenen Scheinwelt. Er ist ein wütender Mann, der den Bullen reitet - bis zum Ende.
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Selbstlosigkeit? In "Drecksau" für James McAvoy ein Fremdwort
James McAvoy: viel Whiskey getrunken
Ricore: Wie haben Sie sich der Figur im Vorfeld angenähert?

McAvoy: Während der Dreharbeiten habe ich viel Whiskey getrunken und mich ein wenig gehen lassen, um der Figur näher zu kommen. Allerdings unterscheiden sich die Ängste von Bruce elementar von meinen. Ich habe keine Probleme meine Rechnungen zu zahlen und meine Frau hat mich auch nicht verlassen. Im Vorfeld habe ich mich gefragt, warum jemand so menschenverachtend geworden sein kann. Ich musste anfangen mich in der Rolle zu hassen, um Bruce näher zu sein. Meiner Meinung nach, sind auch soziale Misstände dafür verantwortlich, dass Bruce ein solcher Mensch geworden ist. Man kann sein Verhalten damit nicht entschuldigen oder rechtfertigen, aber begründen. Bruce ist ein Sklave seiner Ängste vor seinen Mitmenschen. All dies ist auf sein schlechtes Verhältnis zu seinem Vater zurückzuführen, der ihn schon von klein auf als Drecksau betitelte. Bruce fühlt sich wertlos und versucht über sein Verhalten anderen gegenüber eine Überlegenheit herzustellen. Gegen Ende des Films bewahrheitet sich jedoch die Prophezeihung des Vaters.

Ricore: Wie wirkt sich eine Rollenfigur auf Ihr reales Leben aus?

McAvoy: Nicht allzu sehr. Bruce ist mir leichter gefallen als andere Figuren, weil er wenig mit mir zu tun hat. Das hat zwar Energie gekostet, aber trotzdem wusste ich immer was zu tun war. In meinem Umfeld gab und gibt es Menschen mit psychischen Problemen und daran habe ich mich orrientiert in meiner Interpretation. Die Darstellung von psychischen Problemen in "Drecksau" ist darüber hinaus nicht dokumentarisch angelegt, sondern eher überdreht. Ein Film der dadurch unterschiedlichste Reaktionen beim Publikum hervorruft.

Ricore: Haben Sie Angst durch diese Rolle viele Sympathien bei Ihren Fans zu verspielen?

McAvoy: Nicht wirklich. Eventuell finden sie die Figur nicht sympathisch, aber genau dann habe ich einen guten Job gemacht. Ich denke nicht, dass die Zuschauer meine Rollen auf mich persönlich übertragen. Auf meinem Sterbebett möchte ich irgendwann in ferner Zukunft zurückblicken und stolz darauf sein, dass ich Dinge ausprobiert habe. Manches funktioniert, manches nicht. Seit 18 Jahren arbeite ich als Schauspieler, das härtet ab und macht einen in seinen Entscheidungen selbsbewusster.

Ricore: Sind Sie als Schauspieler angekommen?

McAvoy: Ich liebe das, was ich tue. Es hat lange gedauert, um dorthin zu kommen wo ich heute stehe und zu merken, dass ich den Beruf wirklich einmal lieben könnte. Am Anfang kam immer die existenzielle Angst vor der Zukunft hinzu. Diese Angst ist mittlerweile gewichen.
20th Century Fox
Ein echter Schotte: James McAvoy in "Der letzte König von Schottland"
Selbstlosigkeit beeindruckt mich
Ricore: Was inspiriert Sie?

McAvoy: Selbstlosigkeit beeindruckt mich. Menschen die handeln ohne zuerst ihren eigenen Vorteil im Auge zu haben, finde ich großartig. Das ist gerade im Rahmen der menschlichen Evolotion von allerhöchster Bedeutung.

Ricore: Mögen Sie die öffentliche Aufmerksamkeit?

McAvoy: Wenn es mit meinem Beruf zu tun hat, mag ich die Aufmerksamkeit. Es gehört einfach dazu. Doch es ist nicht so, dass ich Red-Carpet-Events überaus liebe - ich habe mich einfach damit arrangiert. Manchmal können solche Veranstaltungen auch sehr witzig sein, allerdings schätze ich andere Dinge an dem Beruf des Schauspielers sehr viel mehr.

Ricore: Was ist schottisch an Ihnen?

McAvoy: Mein Akzent, meine Vorliebe für fritiertes Essen und meine Leidenschaft für eine unterdurchschnittliche Fußballnationalmannschaft. Im Grunde weiß ich nicht genau was typisch schottisch ist. Dies ist im Moment jedoch eine große Frage im Land, denn es gibt demnächst das Referendum bezüglich der Unabhängigkeit Schottlands von Großbritannien.

Ricore: Unterstützen Sie das Referendum?

McAvoy: Ich bin in dieser Frage unentschieden, doch selbst wenn ich eine Meinung hätte, würde ich Sie nicht verraten. Ich traue Politikern nicht, denn die meisten sind korrupt und verbreiten Lügen. Allerdings bin ich Schauspieler, der dafür von Berufswegen bezahlt wird, etwas vorzutäuschen. Insofern unterscheide ich mich nicht so sehr von einem Politiker. Aus diesem Grund halte ich mich auch mit meiner Meinung zurück.

Ricore: James McAvoy, wir bedanken uns für das Gespräch.
erschienen am 18. Oktober 2013
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