Ascot Elite Entertainment Group
Jon S. Baird, Regisseur von "Drecksau"
Mit Sting auf der Reeperbahn
Interview: Jon S. Bairds Deutschland-Faible
Im Jahr 2005 gelingt dem Schotten Jon S. Baird mit "Green Street Hooligans" ein erster Achtungserfolg als Produzent . Die Milieustudie über englische Hooligan-Gruppen findet auch bei eingefleischten Fußballfans Anerkennung. In seinem neuen Werk "Drecksau" begibt sich der Regisseur, Produzent und Drehbuchautor erneut in die gesellschaftliche Niederungen. Nach dem Roman von Irvine Welsh schickt Baird seinen Hauptdarsteller James McAvoy auf einen Höllentrip voller Sex- und Drogenexzesse. Mit uns spricht Filmemacher Jon S. Baird unter anderem über den schwarzen Humor der Deutschen und interessante Begegnungen im Hamburger Rotlichtmilieu.
erschienen am 18. 10. 2013
Odd Lot Entertainment
Stand schon immer auf harte Typen: Jon S. Bairds "Hooligans"
Schwarze Komödie mit Liebesgeschichte
Ricore: Inwieweit ist die Story von "Drecksau" ein Spiegelbild der schottischen Gesellschaft?

Jon S. Baird: Die Schotten sind die unzufriedensten Menschen auf der ganzen Welt. Sie sind chronisch deprimiert, weil sie ihre Underdog-Existenz satt haben. Diese Stimmung wird in dem Film aufgenommen, jedoch eher theatralisch denn dokumentarisch. Die Deutschen haben für mich übrigens den gleichen Sinn für schwarzen Humor wie die Schotten. Nicht umsonst kommt der Begriff Schadenfreude aus Deutschland. Deshalb hoffe ich auch, dass die deutschen Zuschauer "Drecksau" mögen werden.

Ricore: Welche Berührungspunkte haben Sie persönlich mit der Szene in Edinburgh, wie sie Irvine Welsh in "Drecksau" beschreibt?

Baird: Ich betrachte die Geschichte als überzogene Komödie in einem dramatischem Umfeld. Genau dies war mein Zugang. Ich bin mit Comedy-Sendungen der BBC aufgewachsen, damit kenne ich mich aus. Ich wollte "Drecksau" von Anfang an als schwarze Komödie inklusive einer tragischen Liebesgeschichte realisieren. Irvine Welsh unterstützte mich in dieser Idee.

Ricore: Warum könnte "Drecksau" nicht in London spielen, ist vielmehr in Edinburgh angesiedelt?

Baird: Weil alle Geschichten von Irvine Welsh in Edinburgh spielen. Er ist dort aufgewachsen, seine Storys stammen von dort und sind auf das dortige Milieu zugeschnitten. Es ist für einen Regisseur sehr wichtig, innerhalb einer Umgebung zu erzählen, aus der sich eine Geschichte entwickelt hat. Die Authentizität ist so gewährleistet.
KiWi Paperback
Vorlage für Jon S. Bairds Film: Irvine Welshs "Drecksau"
Sting fiel der Schere zum Opfer
Ricore: Wie ist Ihre Beziehung zu Irvine Welsh?

Baird: Irvine ist mittlerweile einer meiner besten Freunde. Vor fünf Jahren traf ich ihn erstmals und es hat sich eine Freundschaft entwickelt. Es war für mich deshalb einfacher zu fragen, ob ich seinen Roman adaptieren darf. Er hat mich beim Drehbuch unterstützt und stand mir jederzeit mit Rat und Tat zur Seite. Irvine hat nicht den dunklen Charakter, den ihm die Öffentlichkeit unterstellt. Er ist eher ein großer Teddybär mit einem riesigen Herz.

Ricore: Wie schwer fiel Ihnen die Adaption des Romans?

Baird: Wie bei jeder Adaption gibt es 1.000 Wege die ans Ziel führen. Ich hätte den Film auch sehr viel düsterer und ernsthafter aussehen lassen können, aber so habe ich die Geschichte nicht interpretiert. Meine Adaption sollte sich durch Herz, Härte und Humor auszeichnen.

Ricore: Einge Szenen von "Drecksau" spielen in Hamburg. Wie kam es dazu?

Baird: Laut dem Roman spielen die Szenen in Amsterdam, jedoch war uns die Grachtenstadt zu banal. Wir kamen schnell auf Hamburg, weil es dort ebenfalls ein großes Rotlichtviertel gibt. Zudem hatten wir einen deutschen Koproduzenten. Hamburg war großartig, weil die Ehefrau des britischen Musikers Sting, Trudie Styler, zu unserem Produzententeam gehört und Sting gerade ein Konzert in Berlin spielte, als wir in Hamburg drehten. Wir haben ihn dort besucht. Am nächsten Tag kam er zu uns nach Hamburg und traf uns am Set auf St. Pauli. Er hat sogar einen kleinen Cameo-Auftritt in "Drecksau", der allerdings dem Schnitt zum Opfer fiel.
Ascot Elite
Eddie Marsan und James McAvoy in "Drecksau"
Jon S. Baird: schottischer Akzent etwas verblasst
Ricore: Ist es für Sie als Schotte einfacher, mit schottischen Darsteller zu arbeiten?

Baird: Das Drehbuch zu "Drecksau" ist in Englisch verfasst. Erst während der Dreharbeiten haben wir die Schauspieler angewiesen, in schottischem Akzent zu sprechen. Im Grunde handelt es sich nur um die Aussprache, weil es nur wenige Begriffe gibt die sich vom Wortbau komplett unterscheiden.

Ricore: Wie oft werden Sie auf Ihren schottischen Akzent angesprochen?

Baird: Ich lebe seit fast 17 Jahren in England, weil meine Frau Engländerin ist. Deshalb ist mein schottischer Akzent etwas verblasst. Wenn ich aber in Schottland bin, rede ich wie früher auch, mit starkem Dialekt. Ich komme aus dem Nordosten von Schottland und das klingt dann wie eine komplett andere Sprache.

Ricore: Welcher Regisseur ist Ihr Vorbild?

Baird: Ich bewundere Stanley Kubrick. Seine Filme sind immer anders. Die Ausstattung, die Anordnung und das Sujet seiner Werke varriert, ohne an Qualität zu verlieren. "Drecksau" kann daher auch als kleine Referenz zu Kubricks "Uhrwerk Orange" verstanden werden.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 18. Oktober 2013
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2024