Ascot Elite
Benno Fürmann in "Der blinde Fleck"
Demokratische Aufklärung behindert
Interview: Benno Fürmann von Weichspülern gelangweilt
In Daniel Harrichs "Der blinde Fleck" spielt Benno Fürmann den Journalisten Ulrich Chaussy. Der recherchiert in den 1980er Jahren die Hintergründe des Oktoberfest-Attentats. Die nebulösen Umstände, welche die Aufklärung des Falls bis heute verhinderten, bringen auch den deutschen Star ins Grübeln, wie er im Interview verrät. Benno Fürmann erscheint mit dunkler Hose und einem dicken, schwarzem Strickpulli. Er trägt eine schwarze Brille, hinter der seine blauen Augen wachsam hervorblicken und auf mir ruhen. Der Dreitagebart betont das markante Grübchen am Kinn.
erschienen am 25. 01. 2014
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Benno Fürmann in "Der blinde Fleck"
Figur mit Leidenschaft
Ricore Text: Herr Fürmann, warum haben Sie die Rolle angenommen? Nur wegen der spannenden Story oder spielten auch politische Beweggründe eine Rolle?

Benno Fürmann: Mit der Rolle habe ich mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Eine spannende Geschichte, aber auch eine Figur mit Leidenschaft und das ist es ja, was man als Schauspieler will. Man will einen Menschen spielen, der einen starken Motor hat. Das ist spannend für den Zuschauer. Und dann noch der politische Hintergrund, der zeitrelevanter ist denn je. Die Geschichte offenbart große Parallelen zur Gegenwart.

Ricore: Inwiefern?

Fürmann: Da ist das Problem der Geheimdienste, die von den demokratischen Organen entkoppelt ihr eigenes Ding machen. Das ist heute genauso gefährlich wie damals. Zwar kommen immer wieder Dinge ans Tageslicht, eine Menge aber auch nicht. Der Quellenschutz wird immer als Totschlagargument benutzt, das ist aber nicht immer akzeptabel.

Ricore: Können Filme denn etwas bewirken?

Fürmann: Ich finde, "Der blinde Fleck" ist ein wichtiger Film, der auch schon viel Gutes angerichtet hat. Wir haben ihn im Bayerischen Landtag gezeigt und darauf wurde Ulrich Chaussy zugesichert, dass es jetzt Akteneinsicht geben würde, die es bisher für viele Akten nicht gab.

Ricore: Die Nähe zu der Geschichte um die NSU ist ziemlich beängstigend.

Fürmann: Absolut. Die NSU-Thematik und der NSA-Skandal - wer weiß, was noch für Geschichten auftauchen, vereinfachen natürlich die Rezeption unseres Films. Er ist dadurch eben nicht antiquiert, sondern brandaktuell. Man sieht, dass wir diese Baustellen noch nicht in den Griff bekommen haben. Wie kontrolliert man einerseits Geheimdienste und stellt sicher, dass man eine von demokratischen Organen kontrollierte Transparenz schafft. Und auf der anderen Seite müssen Geheimdienste ihre Arbeit tun können, nämlich einen Staat schützen. Wenn Geheimdienste aber staatliche Institutionen untermauern oder V-Leute Gelder kassieren, bei denen man nicht mehr genau weiß, sind die jetzt Nazi oder Informanten, dann gibt es noch viel zu tun.

Ricore: Wieso hat sich Ulrich Chaussy so auf diesen Fall eingeschossen?

Fürmann: Ich glaube, Ulrich Chaussy ist überdurchschnittlich intelligent. Es gibt im Film diesen Aha-Moment. Er will eigentlich nur eine kleine Story machen, aber dann hört er etwas, was überhaupt nicht mit den vorhergehenden Informationen zusammenpasst und denkt, Moment mal! Also spult er sein Tonband zurück, und so kommt Puzzleteil um Puzzleteil zusammen. Es ist unglaublich, gegen wie viele Wände er im Verlauf seiner Recherchen gerannt ist. Drei Jahrzehnte! Immer wieder verlieren sich Spuren im Dunkel. Von vielen wurde er nicht mehr richtig ernst genommen, die dachten, er hat einen Sprung in der Schüssel. Von wegen Verschwörungstheorien. Doch letztendlich hat ihm die Zeit Recht gegeben, bei dem, was alles ans Licht gekommen ist.

Ricore: Das Attentat ist doch fast in Vergessenheit geraten, dabei gab es 13 Tote und über 200 Verletzte. Ist es nicht verwunderlich, dass nur Einzelkämpfer Ulrich Chaussy das Ganze aufklären wollte?

Fürmann: Das ist eine Frage, die ich mir auch gestellt habe, warum Chaussy der Einzige war, der sich mit dem Thema beschäftigt hat. Wie kann es passieren, dass er in der damaligen Zeit so wenig politischen Rückhalt bekam? Das ist mir unerklärlich.
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Benno Fürmann will in "Der blinde Fleck" das Oktoberfestattentat aufklären
Benno Fürmann: "Ich bin eher impulsiv"
Ricore: Wissen Sie, wie die Berichterstattung in den Medien war?

Fürmann: Anfangs war das Thema sehr präsent. Quick und andere Zeitungen berichteten über Langemann und wie toll der die Lage gehandhabt habe. Aber es wurde unheimlich schnell dieser Einzeltäter präsentiert, ohne allen Indizien nachzugehen. Das war eine praktische Erklärung, die allen ihren Seelenfrieden zurückgab. Wie brauchen einen Täter, wir haben einen Täter, Klappe zu, Affe tot.

Ricore: Klingt beinahe zu schön...

Fürmann: Genau, denn so einfach war es ja nicht. Dass ein Jugendlicher im Alleingang eine Bombe von dieser Größe konzipiert, baut, transportiert und zur Detonation bringt - ohne jegliche Hilfe - ist schon schwer vorstellbar. Es gab ja noch nicht mal das Internet, für die Anleitung zum Bombenbasteln.

Ricore: Sind Sie und Ulrich Chaussy sich vom Wesen her ähnlich?

Fürmann: Ich bin eher impulsiv und Ulrich Chaussy neigt dazu, Sachen erst einmal zu Ende zu denken. Regisseur Daniel Harrich musste mich während der Dreharbeiten öfter drosseln, damit es nicht zu emotional wurde. Ich sollte meine Rolle eher investigativ-intellektuell anlegen. Es war aber auch nie unserer Ansinnen, dass ich Ulrich kopieren sollte, sondern dass ich eine durch Ulrich Chaussy inspirierte Figur spiele. Die Zuschauer sollten eine spannende Reise mit einem Journalisten erleben.

Ricore: Wie ist denn die Figur Meier zu verstehen, der Informant Chaussys?

Fürmann: Meier steht metaphorisch dafür, dass es immer wieder Hinweise gab, aber auch immer wieder verschlossene Türen. Er ist eine erfundene Figur, die ziemlich nebulös und schwer greifbar bleibt. Was ist überhaupt seiner Funktion? Wie kann man jemanden ausfindig machen, von dem man so wenig weiß?

Ricore: Was war die Motivation von Regisseur Daniel Harrich, diesen Film zu machen? Im Abspann werden die Namen der Opfer genannt, so scheint beinahe, als sei er persönlich betroffen.

Fürmann: Dadurch, dass das als Tat eines Einzelnen abgetan wurde, haben die Opfer bislang auch keine Gerechtigkeit erfahren. Zum einen ist Daniel Münchner. Zum anderen ist er ein sehr umtriebiger Mensch, der mich gerade aus dem Sudan angerufen hat, wo er an einer Dokumentation über Waffenhandel gearbeitet hat. Ich war ja auch im Sudan. Für das Oktoberfest-Attentat hatte er sich ursprünglich einen dokumentarischen Ansatz überlegt. Doch dann haben er und Chaussy gemerkt, dass das ein unheimlich spannender Stoff für einen Politthriller sein könnte.

Ricore: Haben Sie durch den Film nun eine Ahnung, wer die wahren Drahtzieher des Attentats gewesen sein könnten?

Fürmann: Ich habe so meine Vermutungen. Fakt ist, dass unter Franz Josef Strauß - wie das auch im Film erzählt wird - die Wehrsportgruppe Hoffmann nicht verboten wurde, weil Strauß gesagt hatte, das sei nicht ernst zu nehmen. Wenn ein paar Leute Lust haben, im Tarnanzug durch den Wald zu flitzen, dann können sie das doch machen. Doch nach Chaussys Recherchen gab es ganz klare Beweise, dass Köhler - ein Einzeltäter nach Ansicht der ermittelnden Behörden - Verbindungen zur Wehrsportgruppe Hoffmann hatte. Das heißt, wenn herausgekommen wäre, dass die Täter, die im Herzen Münchens auf dem Oktoberfest diese Bombe explodieren ließen, aus dem Umfeld der Wehrsportgruppe Hoffmann kamen, hätte das für die Regierung Strauß überhaupt nicht gut ausgesehen. Das ist einer der Hintergründe, der das Ganze in einem anderen Licht erscheinen lässt.
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August Zirner und Benno Fürmann in "Der blinde Fleck"
Beweise in Karlsruher Asservatenkammer vernichtet!
Ricore: Aber auch dass wesentlich später wichtige Beweise in einer Karlsruher Asservatenkammer wegen Platzmangel vernichtet wurden, hört sich abenteuerlich an.

Fürmann: Ja. Fakt ist, dass innerhalb des Staatsschutzes gemauert wurde und der demokratischen Aufklärung dessen, was damals passiert ist, alle möglichen Knüppel zwischen die Beine geworfen wurden.

Ricore: Was hat Sie an Ulrich Chaussy am meisten interessiert?

Fürmann: Ich wollte wissen, wie man es schafft, über so eine lange Zeit an einer Sache dran zu bleiben. Ich selbst bin eher ein Kurzstreckenarbeiter. Ich mag das Komprimierte, zwei, drei Monate alles zu geben, was man anzubieten hat und danach zieht man wieder den Stecker.

Ricore: Was ist wahr und was ist im Film hinzuerfunden?

Fürmann: Meine ersten Fragen waren natürlich auch, was im Drehbuch ist erfunden, was real. Die traurige Wahrheit ist, dass das meiste real ist.

Ricore: Der Film hat eine ganz klare Haltung, so etwas ist im deutschen Kino selten geworden.

Fürmann: Viele Filme versuchen, möglichst keinem auf die Füße zu treten. Das führt dann zu so einem Weichspülprogramm, was ich eher ermüdend finde. Dass ein Film Stellung bezieht ist eine Seltenheit und er hat ja auch schon etwas bewegt. Dadurch dass wir den Film im Bayerischen Landtag vorgeführt haben, haben wir neue Akteneinsicht erhalten.

Ricore: Sind Sie im letzten Jahr etwas kürzer getreten?

Fürmann: Ja. Meine Frustration ist, dass ich so gerne ein Macher wäre, aber nicht die Gabe zum schreiben habe. Insofern bin ich immer abhängig als Schauspieler. Und in manchen Jahren ist die Zahl inspirierender Drehbücher sehr klein. Wenn ich es mir dann irgendwie finanziell erlauben kann, drehe ich auch nicht. Doch in diesem Jahr hatte ich insgesamt sechs Sachen auf dem Tisch, die ich spannend fand. Das waren aber nicht alles Hauptrollen.

Ricore: Wie kommen Sie denn damit klar, wenn Sie weniger arbeiten?

Fürmann: Ich liebe das (grinst). Das ist wie mit Sport. Wenn ich drei Tage nicht zum Sport gehe, fehlt es mir, aber nach einer Woche will ich meine Pantoffeln gar nicht mehr ausziehen. Dann mache ich mir noch einen Assamtee und setzt mich auf die Couch. Aber dann wieder aufzustehen und zu sagen, so, jetzt lege ich mich nachts auf irgendeine Straßenkreuzung und spiele, dass mir der Zeh abgeschossen wurde, da muss man sich erst mal aufraffen.

Ricore: Sie spielen in Kino- und Fernsehfilmen. Finden Sie, dass Fernsehen in letzter Zeit interessanter geworden ist?

Fürmann: Ja. Allerdings habe ich das schon immer so gesehen. Es hat sich einfach nur bewahrheitet. Meine ersten Arbeiten mit Bernd Schadewald oder Dominik Graf, das waren Fernsehspiele, die für mich wichtig waren. Fernsehen war immer ein Medium, in dem ich mich sehr zu Hause gefühlt habe. Ich habe nie einen Unterschied zwischen Kino und Fernsehen gemacht. Jeder Regisseur versucht, den bestmöglichen Film unter den gegebenen Umständen zu machen. Vom Spiel her macht das für mich keinen Unterschied.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch!
erschienen am 25. Januar 2014
Zum Thema
Das Bombenattentat auf das Münchner Oktoberfest 1980 erschüttert die ganze Nation. Bei dem Terrorakt kommen 13 Menschen ums Leben, 211 werden verletzt. Die Hintergründe der Tat werden nie in Gänze aufgeklärt. Anhand der Recherchen von Radioredakteur Ulrich Chaussy wird der Fall filmisch aufgerollt. Mit Benno Fürmann in der Hauptrolle erzählt der Film ein spannendes Stück deutscher Geschichte, das vor dem Hintergrund der NSU-Prozesse brandaktuell ist.
Benno Fürmann entwickelt sich binnen kurzer Zeit vom leichten Seriendarsteller zum ernstzunehmenden Schauspieler. Zunächst für Und tschüss!" im Einsatz, arbeitet er mittlerweile mit renommierten Regisseuren wie Christian Petzold ("Wolfsburg"), Lars Becker ("Kanak Attack") und Tom Tykwer ("Der Krieger und die Kaiserin") zusammen.Sin Eater - Die Seele des Bösen" und "The Mutant Chronicles" mit. Shrek"-Reihe. In der Naturdokumentation "Das grüne Wunder - Unser Wald" fungiert Fürmann als Erzähler...
2024