ARD Degeto/Sabine Finger
Senta Berger und Cornelia Froboess auf dem Set von "Almuth und Rita"
Dem Leben Form geben
Interview: Erzieht Cornelia Froboess Senta Berger?
Vor mehr als 50 Jahren spielten sie in der Komödie "Junge Leute brauchen Liebe" mit, ohne allerdings auch nur eine gemeinsame Szene zu haben. Für die ARD-Produktion "Almuth und Rita" treten Senta Berger und Cornelia Froboess erneut gemeinsam vor die Kamera - und prallen dabei wie Feuer und Wasser aufeinander. Sie verkörpern zwei Frauen, die gegensätzlicher kaum sein könnten, im Lauf der Zeit aber immer mehr Sympathien füreinander entwickeln. "Freundinnen" sollte das Drama ursprünglich heißen. Im Interview mit Filmreporter.de verraten die beiden Charakterdarstellerinnen, ob gegensätzliche Menschen tatsächlich Freunde werden können.
erschienen am 30. 01. 2014
ARD Degeto/Sabine Finger
Senta Berger in "Almuth und Rita"
Zarte Annäherung
Ricore Text: "Almuth und Rita" endet mit der zarten Annäherung der beiden gegensätzlichen Charaktere. Hat ihre Freundschaft über den Abspann des Films hinaus eine Chance?

Senta Berger: Ich weiß nicht, ob sie wirkliche Freundinnen werden. Zu einer wirklich tiefen Freundschaft fehlen vielleicht einige Komponenten. Die meisten langjährigen Freundschaften werden in jungen Jahren geschlossen. Da zählt die gemeinsame Erfahrung, die man miteinander geteilt hat. Ich glaube dennoch, dass etwas bleiben wird. Almuth und Rita werden sich sehen und miteinander sprechen. Rita wird Almuth nach wie vor eine praktische Stütze sein. Almuth wird das, was Rita über sich geschrieben hat, lesen. Sie haben auf jeden Fall eine gemeinsame Basis, auch wenn sie sicher noch einige Konflikte austragen werden.

Ricore: Woher nimmt Rita die Geduld gegenüber dieser schwierigen und unzugänglichen Almuth?

Cornelia Froboess: Zum einen weil sie das Geld nötig hat. Rita muss arbeiten, weil ihr Mann keinen Job hat. Zum anderen liegt es daran, dass Almuth sie wirklich interessiert. Sie weiß, dass sie im Grunde nicht böse ist. Sie spürt, dass ihre rüde Art einen Hintergrund hat. Rita weiß, dass durch die Beziehung zu ihrer Tochter und der Erfahrung mit ihrem Mann ein Schleier der Frustration und Trauer über dem Leben Almuths liegt. Mit ihrem proletarischen Herz macht sie sich Sorgen um ihre Arbeitgeberin. Rita ist eine reflektierende Frau, andere Menschen interessieren sie. Das ist größer als die Verwundungen, die sie anfangs von Almuth zugefügt bekommt.

Ricore: Lässt sich der Spruch 'Gegensätze ziehen sich an' auch auf Freundschaften anwenden?

Berger: Es kommt drauf an, wie die Freundschaft gewachsen ist. Ich bin nach dem Krieg in sehr engen Verhältnissen aufgewachsen. Mit Cousin, Cousine und der Schwester meiner Mutter. Wir saßen gemeinsam im Bombenkeller, haben aus dem gemeinsamen Suppentopf gegessen, gingen gemeinsam in die Volksschule. Obwohl meine Cousine ganz anders ist und ich sie mir als erwachsene Frau sicher nicht ausgesucht hätte, verbindet uns ein selbstverständliches, liebesvolles Verhältnis. Ich kann sie jederzeit anrufen und mit ihr über alles reden.

Ricore: Und wenn gegensätzliche Naturen keine gemeinsame Erfahrung haben, steht eine Freundschaft dann auf verlorenem Posten?

Berger: Man sollte schon auf einer Wellenlänge liegen. Ich habe eine Freundin in Berlin, die ich mit Anfang 20 kennengelernt und mit der ich noch immer sehr verbunden bin. Wir haben eine gemeinsame Lebenseinstellung und haben sehr viel miteinander gelacht.

Froboess: Wenn die Gegensätze zu groß sind, dann frag ich mich tatsächlich, wie man zusammenkommen soll. Es ist schwierig...

Berger: Bist du mit jemand befreundet, der vom Theater kommt?

Froboess: Oberflächlich. Intimfreundinnen habe ich überhaupt keine. Ich habe niemals jemand an mich herangelassen.

Berger: Es liegt daran, dass du sehr früh die Conny warst. Das musste man Gleichaltrigen immer erklären. Ich war auch schon sehr früh die Senta Berger. Es ist schwierig, seinem Umfeld zu verdeutlichen, dass man eigentlich ganz normal ist, ganz anders als das Bild in der Öffentlichkeit. Das ist eine Hürde, die man überspringen muss. Hinzu kommen die ständigen Städte- und Länderwechsel. Bis meine beiden Kinder geboren wurden, war ich nie an einem Ort. Vor diesem Hintergrund sind 'normale' Freundschaften schwierig.

Ricore: War es schwierig, Karriere und Mutterrolle unter einen Hut zu kriegen?

Berger: Ich bin oft gefragt worden, wie ich bei meinem Beruf Zeit für meine Kinder finden konnte. Als Freiberufler kann man Beruf und Familie besser einteilen. Das war anders, als ich am Theater engagiert war. Nachdem ich vormittags Probe hatte, holte ich den einen von der Schule ab, und den anderen vom Kindergarten. Ab 16 Uhr war ich nervös und hatte verschwitzte Hände, weil ich um 18 Uhr wieder am Theater sein musste. Nach der Aufführung war man um elf oder halb zwölf zu Hause und am nächsten Morgen ging alles von vorne los. Das war hart, weil einem die Zeit für private Dinge fehlte. Eine Schauspielerin, die morgens probt und abends spielt hat keine Freunde.
ARD Degeto/Sabine Finger
Cornelia Froboess in "Almuth und Rita"
Senta Berger: Wir haben uns nie aus den Augen verloren
Ricore: Sie standen bereits 1960 bei "Junge Leute brauchen Liebe" gemeinsam vor der Kamera...

Berger: Wir spielten in dem Film zwar mit, hatten aber keine gemeinsame Szene.

Ricore: Wie war das erneute Zusammentreffen?

Froboess: Wir haben uns nie aus den Augen verloren und haben uns immer mal wieder gesehen. Wir blieben auf dem Laufenden, was unsere Karrieren angeht. Ich habe Sentas Sachen im Fernsehen gesehen, während sie mit ihrem Mann oft im Theater war. Wenn ihnen die Vorstellung gefiel, riefen sie mich an. Oder es war umgekehrt. [An Senta Berger gerichtet] Es blieb eine schöne Verbundenheit, ohne dass wir uns regelmäßig gesehen haben, oder?

Berger: Eigentlich schade, dass wir uns nicht öfter sehen.

Froboess: Umso schöner ist es um unsere Verbundenheit.

Berger: Ich habe dieses Grundvertrauen zu Cornelia. Beim Drehen sowieso. Wir sind beide erwachsen und wissen, worum es in unserem Beruf geht.

Froboess: Wir müssen keine Karriere mehr machen.

Berger: Stimmt, aber du meinst, dass man sich gegenseitig etwas beweisen meint zu müssen. Dass man in so ein dummes Konkurrenzdenken verfällt. Es gibt öfter mal Kollegen, die diese ihre Bedeutung durch eine gewisse Anzahl von Großaufnahme unterstreichen wollen. Die zählen dann nach. Hat der Partner eine bekommen, will ich jetzt auch meine Großaufnahme haben. Das ist so dumm. Das ist unprofessionell. Es geschieht natürlich aus Unsicherheit. Als ob eine Großaufnahme etwas mit Qualität oder Erfolg zu tun hätte. Das gibt’s natürlich mit uns beiden nicht, weil von unserem Metier zu viel verstehen und wissen, dass es damit überhaupt nichts zu tun hat. Eine Großaufnahme hat weder mit Erfolg noch mit Qualität zu tun. Gut bist su selber immer dann, wenn deine Partner gut sind,

Ricore: "Almuth und Rita" beginnt mit dem letzten Arbeitstag Almuths. Gibt es auch bei Schauspielerin den letzten Arbeitstag?

Froboess: Den gibt es nicht wirklich...

Berger: Es sei denn, sie entscheiden sich bewusst für ein Berufsende. Es gibt genug Schauspieler, die sagen: So, jetzt ist genug. Der Schauspieler zieht sich nicht vom Beruf zurück, der Beruf zieht sich vielmehr vom Schauspieler zurück.

Ricore: Das heißt, die Rollen werden weniger.

Berger: Es dünnt aus. Aber gut, habe ich mir in den letzten drei Jahren immer wieder gesagt und habe dann doch erstaunlicherweise sehr viel gearbeitet.
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Senta Berger und Cornelia Froboess als ungleiche Freundinnen in "Almuth und Rita"
Cornelia Froboess: Kino wird für's jüngere Publikum gemacht
Ricore: Dünnen die Rollen in der Kino-, Fernseh- oder Theatersparte mehr aus?

Berger: Kino wird hauptsächlich für jüngeres Publikum gemacht. Das ist vor allem in Deutschland so. Hier kann man als ältere Frau unter Umständen die Mama von Til Schweiger spielen, wenn man das möchte (lacht). Fernsehen ist eher eine Plattform, in der die Wirklichkeit reflektiert wird. Da werden noch Geschichten über Frauen und Männer unseres Alters erzählt, eben weil es diese Geschichten in der Wirklichkeit gibt.

Ricore: In "Almuth und Rita" erfährt Almuth durch Ritas Einfluss eine Persönlichkeitsveränderung. Können sich Menschen ändern?

Berger: Nicht wenn man mit ihm verheiratet ist (lacht). Wenn man den Gedanken zulässt, dann ist das möglich. Ich merke an mir, dass sich einige Eigenschaften im Lauf der Zeit vergröbert haben. Meine Ungeduld zum Beispiel. Damit setze ich mich oft ins Unrecht. Dann sehe ich an der Reaktion meines Umfeldes, hauptsächlich meines Mannes, dass die Menschen meine Tonart nicht richtig finden. Das will ich nicht und darum denke ich oft darüber nach. Ich nehme mir immer wieder vor, mich zu bessern. Ich glaube nicht daran, dass sich ein Mensch grundlegend ändern kann. Aber er kann seine Schwächen erkennen und zulassen, dass andere ihn auf sie aufmerksam machen. Mir gelingt das durchaus.

Froboess: Ich finde auch, dass der Mensch bereit soll, sich zu erneuern. Es gibt viele Menschen, die sich scheiden lassen und dann nach Indien gehen. Die Frage ist, ob daraus was wird oder ob es nicht eher einer Flucht gleichkommt. Ich kann diese Frage schwer beantworten. Ich lebe nicht alleine, insofern stellt sich mir diese Frage nicht. Wir haben beide eine sehr große Familie und stehen somit permanent unter Kontrolle, durch die Kinder und Enkelkinder.

Ricore: Im Film erteilt Almuth dem Modell Erziehung nach Spaßprinzip eine Absage. Wie stehen Sie dazu?

Froboess: Dagegen bin ich auch. Ich bin sowas von konservativ (lacht). Meine Enkelkinder lass ich erst vom Tisch aufstehen, wenn wir alle mit dem Essen fertig sind. Meine Kinder schauen mich manchmal erschrocken an und sagen: 'Mama, lass' sie doch aufstehen' - 'Nein', sage ich, 'wir sitzen einmal am Tag zusammen.' Ich bin furchtbar, ich weiß (lacht). Interessanterweise sind nur meine Kinder sauer auf mich, die Enkelkinder überhaupt nicht (lacht). Sie sind nicht beleidigt.

Berger: Allein die beiden Worte, Spaß-Prinzip, schließen einander aus (lacht). Ich bin nicht prinzipiell veranlagt. Dennoch finde ich, dass man dem Leben eine gewisse Form geben sollte. Eine Form, die das Leben erträglicher macht - für das spätere Leben der Kinder. Für die 68er-Genreation war ich eigentlich zu alt, aber ich habe einiges aus der Zeit mitbekommen und auch sehr kritisch beäugt. Die Anarcho-Kinderläden in Berlin oder Amerika haben bei mir nicht nur eine gute Resonanz gehabt. Man konnte genau sehen, was hier an späterer Lebensunfähigkeit angelegt war. So kam es dann letztlich auch. Manche Auswüchse der 680er waren dumm und überzogen, wenn man sie sich genau anschaut. Trotzdem war dieser Schritt für unsere gesamte Gesellschaft sehr wichtig.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 30. Januar 2014
Zum Thema
Almuth und Rita (Kinofilm)
Senta Berger blickt auf eine beachtliche Theater- und Filmkarriere zurück. In Wien geboren, wendet sie sich bereits 14-jährig der Schauspielerei zu. Als sie 20 Jahre alt ist, zieht sie nach Hollywood, in der Hoffnung, eine internationale Karriere zu starten. Tatsächlich dreht sie bald an der Seite von Charlton Heston, Frank Sinatra, Dean Martin, Richard Harris, George Hamilton, Kirk Douglas, John Wayne und Yul Brynner. Michael Verhoeven kennen. 1966 heiratet das Paar und bekommt zwei Söhne...
Cornelia Froboess ist nicht nur eine von Deutschlands versiertesten Theaterschauspielerinnen, ihr Werdegang steht auch für eine wichtige Phase der Nachkriegsgeschichte. Mit "Pack die Badehose ein" singt sie Deutschland 1953 als Siebenjährige aus der Depression. Zusammen mit Peter Alexander und Rex Gildo prägt sie die deutschen Kinojahre der 1960er Jahre wie keine andere. Prof. Dr. Hellmuth Matiasek zum Salzburger Landestheater geholt. Aus ihrer Zusammenarbeit resultiert eine Liebe, die..
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