ARD Degeto/BBC/Hartswood Films
Benedict Cumberbatch in "Sherlock"
"Ich sah einen Mann an einem Baum hängen!"
Interview: Benedict Cumberbatch braucht Abstand
An Benedict Cumberbatch führt derzeit kein Weg vorbei. 2013 war er mit weißen Haaren als WikiLeaks-Gründer Julian Assange zu sehen. Ende des Jahre folgte "Der Hobbit: Smaugs Einöde (3D)" und in diesem Jahr sind Oscar-Favorit "12 Years a Slave" und "Im August in Osage County" in den Kinos. Der Brite sieht sich als Filmarbeiter, der wegen seiner Leistung geschätzt werden will und nicht wegen seiner prägnanten linken Augenbraue, die übrigens eine eigene Facebook-Fanseite hat.
erschienen am 23. 01. 2014
TOBIS Film
Benedict Cumberbatch und Chiwetel Ejiofor in 12 Years a Slave
Der erste Tag ist meisten am aufregendsten...
Ricore Text: Herr Cumberbatch, Sie scheinen der derzeit am härtesten arbeitende Schauspieler zu sein.

Benedict Cumberbatch: Naja, gerade jetzt sitze ich nur vor einigen Aufnahmegeräten. Da gibt es sicherlich Leute, die härter arbeiten als ich. (lacht)

Ricore: Stimmt. Doch im Kino sind Sie momentan so präsent wie kaum ein anderer. "Star Trek: Into Darkness 3D", "Inside Wikileaks - Die fünfte Gewalt" und "Der Hobbit: Smaugs Einöde (3D)" und "12 Years a Slave" sind gerade in den Kinos...

Cumberbatch: Aber Sie wissen doch, wie die Filmindustrie funktioniert. Oft vergeht zwischen dem Dreh und dem Kinostart eines Films viel Zeit. Und jetzt starten gerade viele Filme. Aber natürlich ist das toll und ich bin auf jeden meiner Filme fürchterlich stolz.

Ricore: Wenn Sie sich an die Dreharbeiten zu "12 Years a Slave" zurückerinnern, welcher Tag ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?

Cumberbatch: Der erste Drehtag. Ich musste mich an die Hitze und das Pferd gewöhnen. Außerdem sah ich einen Mann an einem Baum hängen, der um sein Leben rang. In diesem Teil Amerikas ist das schon ein heftiges Bild. Der erste Tag ist meisten am aufregendsten, aber das war auch eine der wichtigsten Szenen des Films. Natürlich habe ich mich auf meine Rolle vorbereitet und viel über diese Zeit gelesen, ich weiß, was damals geschehen ist. Aber nichts bereitet einen darauf vor, so etwas zu sehen.

Ricore: Die Dreharbeiten fanden an den Originalschauplätzen statt.

Cumberbatch: Ja, wir drehten in Louisiana, einem Staat, in dem Sklaven systematisch ausgebeutet wurden. Mein Filmhaus war früher das Haus eines Plantagenbesitzers. In der Szene komme ich aus der Ferne angeritten und von dort sieht man nicht die Absicherung am Strick. Ich sah einen schwarzen Mann am Baum baumeln. Das war einfach nur erschreckend.

Ricore: Warum wollten Sie Teil dieses Films sein?

Cumberbatch: Wegen der Geschichte, wegen der anderen Schauspieler und natürlich, weil ich mit Steve McQueen arbeiten wollte. Ich bewundere seine Arbeit. Er ist ein Meister seines Fachs. Egal wie klein die Rolle auch wäre, ich hätte für alles vorgesprochen. Ich glaube nicht, dass er mich beim Casting erkannte, aber später erzählte er mir, seine Frau habe gesagt: 'Was, du hast Sherlock gecastet?' (lacht).

Ricore: In Ihrer Rolle in "Im August in Osage County" müssen Sie singen. Wie war das?

Cumberbatch: Nun, das müssen Sie mir sagen. In der Schule, machte ich viel Musik, ich sang im Chor, spielte in Bands und in Musicals. Ich spiele auch Klavier, wäre aber gerne besser.
Paramount Pictures
Star Trek: Into Darkness 3D
Benedict Cumberbatch weiß, die Geige zu halten
Ricore: Für "Sherlock" lernten Sie Geige zu spielen.

Cumberbatch: Na, das ist stark übertrieben. Ich lernte, die Geige so zu halten, dass es aussieht als würde ich spielen.

Ricore: Nicht nur bei "12 Years a Slave", auch bei "August: Osage County" sind große Schauspieler dabei. Meryl Streep, Julia Roberts... Machte Ihnen das Angst?

Cumberbatch: Ich war umgeben von legendären Schauspielern, die ein legendäres Theaterstück auf die Leinwand bringen. Meryl Streep kann man einfach nur bewundern. Du sitzt mit ihr an einem Tisch und bewunderst sie einfach nur. Alles was sie tut hat seinen Sinn. Und sie wirkt immer so ungezwungen, gleichzeitig aber auch von großer Grazie. Es war sehr inspirierend, mit ihr zu arbeiten.

Ricore: Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie "12 Years a Slave" zum ersten Mal sahen?

Cumberbatch: Ich war einfach nur sprachlos. Es war an einem Freitag Abend in Soho. Ich kam aus dem Studio und verfiel in tiefes Grübeln. Alles hängt auf irgendeiner Ebene mit der Ausbeutung der Sklaven zusammen, selbst wenn reiche Leute etwas Gutes taten und eine Kirche erbauten. Das zieht sich bis in unsere Zeit. Eigentlich wollte ich Steve gratulieren und eine Nachricht in mein Telefon tippen, aber ich konnte es nicht, denn selbst für unsere Handys werden in irgendwelchen Minen Kindern unter fürchterlichen Bedingungen ausgebeutet. Das alles traf mich wie ein Schlag.

Ricore: Wie erging es Ihnen während der Dreharbeiten, waren sie abends deprimiert?

Cumberbatch: Nein. Wir erzählen zwar einen wichtige, schlimme Geschichte, aber das ist Teil des Jobs. Ich war mehr ergriffen als ich den fertigen Film sah, aber nicht während der Dreharbeiten. Da muss man sich vom Geschehen distanzieren, um die Figur spielen zu können. Und ich hatte auch keine Rolle, die einen besonderen Zuspruch benötigte. Das wäre eher bei anderen der Fall gewesen. Aber auch Michael Fassbender, der in einer Szene gerade noch völlig außer sich gerät, ist nach Drehende der erste, der wieder Witze macht.

Ricore: Gibt es eine Figur im Film, die Sie nicht mochten?

Cumberbatch: Nein, ich habe keine Lieblingsfiguren und also auch keine, die ich hasse. Ich sehe die Dinge nicht schwarz-weiß. Auf der einen Seite sieht man beispielsweise, den Ärger, die Wut und die Barbarei von Edwin Epps, doch bei allem, was er Patsey antut, liebt er sie doch trotzdem, obwohl von ihm verlangt wird sie zu hassen. Er kann diese Gefühle einfach nicht kontrollieren. Das macht ihn meiner Meinung nach nicht zu einem schlechteren Menschen als beispielsweise William Ford, den ich spiele, und der sich seine Doppelmoral aufgebaut hat. Jede Figur hat ihre Berechtigung.

Ricore: Was denken Sie über Mary Epps, ist sie nicht grausam.

Cumberbatch: Auf den ersten Blick natürlich. Aber auch bei ihr muss man sehen, dass sie wirklich von der Tatsache gequält wird, dass ihr Mann eine Sklavin begehrt. Sie ist eine Frau, der Unrecht angetan wird, gefangen in einer schrecklichen Ehe. Also ist sie grausam zu Patsey, um in Wahrheit Epps zu bestrafen. Auch meine Figur weiß, dass er falsch handelt, aber er unternimmt nichts dagegen. Er ist zwar nicht so gefährlich für die Sklaven, weil er sie nicht auspeitscht, doch auch Ford handelt moralisch fragwürdig.
Constantin Film
Benedict Cumberbatch und Daniel Brühl, in "Inside Wikileaks - Die fünfte Gewalt"
Der Druck bleibt
Ricore: Hat sich mit dem Erfolg der Druck verändert, der auf Ihrer Arbeit als Schauspieler lastet?

Cumberbatch: Nein. Ich versuche jede Rolle so zu behandeln, als wäre es mein erster Job. Ich muss meine Arbeit immer unter Beweis stellen. Der Druck bleibt also der gleiche. Ich mache mir Gedanken darüber, ob ich das Vertrauen erfüllen kann, das der Regisseur oder wer auch immer in mich setzt. Ehrlich gesagt schätze ich mich sogar sehr glücklich, dass immer mehr Menschen mir Vertrauen entgegenbringen und mir unterschiedliche Rollen anbieten.

Ricore: Fällt es Ihnen schwer unter den Angeboten auszuwählen?

Cumberbatch: Nein, überhaupt nicht. Es ist nicht schwierig, eines auszusuchen, sondern einfach nur gut, auf das nächste richtige warten zu können. Allerdings fällt mir das Warten schon ein wenig schwer, denn ich liebe meine Arbeit.

Ricore: Ihre Eltern sind ebenfalls Schauspieler. War es immer klar, dass Sie in deren Fußstapfen treten?

Cumberbatch: Absolut nicht. Sie waren sehr großzügig zu mir, und eröffneten mir jede Möglichkeit, einen anderen Beruf zu ergreifen. Doch nach einem Auftritt, noch während der Uni, sagte mein Vater zu mir: 'Du bist schon jetzt besser als ich es jemals war'. Das ist das großartigste, was ein Vater seinem Sohn sagen kann. Und er sagte außerdem, dass er mich bei allem unterstützen werde und er es nicht erwarten könne, meinen Erfolg zu sehen.

Ricore: Können Sie Ihren Erfolg genießen?

Cumberbatch: Es gibt Vorteile und Nachteile.

Ricore: Wussten Sie, dass es auf Facebook eine Fanseite über Ihre linke Augenbraue gibt?

Cumberbatch: (lacht). Nein. Ich frage mich, wer die Zeit hat, so etwas zu machen. Mir ist es lieber, wenn die Leute meine Arbeit wertschätzen und nicht meine linke Augenbraue. Meine Arbeit ist natürlich von öffentlichem Interesse, aber alles andere sollte privat bleiben.

Ricore: Wie fühlt sich ein guter Tag vor der Kamera an?

Cumberbatch: Einfach wie ein guter Arbeitstag. Manchmal führen auch die schlimmsten Gefühle beim Drehen zum besten Arbeitsergebnis.

Ricore: Daniel Brühl sagte nach dem Dreh von "Inside Wikileaks - Die fünfte Gewalt" er würde keine wichtigen Dinge mehr in Emails schreiben.

Cumberbatch: Das hätte er auch schon davor nicht machen sollen.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch!
erschienen am 23. Januar 2014
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Benedict Cumberbatch wird als Sohn des Schauspieler-Paares Timothy Carlton und Wanda Ventham das Talent in die Wiege gelegt. Bereits während seiner Schulzeit an der Londoner Danny Boyle ihren vorläufigen Höhepunkt.Tipping the Velvet". Es folgen Serienauftritte unter anderem in "Heartbeat", "Spooks - Im Visier des MI5" und "Cambridge Spies". Die erste größere Charakterrolle verkörpert er 2004 in dem britischen Fernsehfilm "Hawking - Die Suche nach dem Anfang der Zeit", in dem er rund zehn Jahre..
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