Ascot Elite
Matthew McConaughey hat 25 Kilo für die Rolle abgenommen
"Es war nicht exzentrisch, so viel abzunehmen"
Interview: Ist das Matthew McConaughey?
Matthew McConaughey ist kaum wiederzuerkennen, als er zum Interview erscheint. In "Dallas Buyers Club" spielt er mit eingefallenen Wangen und Schnauzbart einen abgehalfterten Rodeo-Cowboy. Jetzt trägt er einen weißen Pullover, der verrät, dass er seine alte und beim weiblichen Publikum gern gesehene Statur wiedergewonnen hat. McConaughey ist charismatisch. Er ist sich seines Erfolges bewusst, ohne arrogant zu sein. In Amerika wird bereits von der McConausance gesprochen. Im Interview mit Filmreporter.de erklärt der Texaner, wie es dazu kam, dass er sich vom romantischen Helden zum Anti-Held wandelte.
erschienen am 11. 02. 2014
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Matthew McConaughey in "Dallas Buyers Club"
Karriere neu ausgerichtet
Ricore Text: Sie haben die Goldene Kamera bekommen. Haben Sie schon von diesem Preis gehört?

Matthew McConaughey: Das habe ich tatsächlich. Von Regisseur William Friedkin. Auszeichnungen bedeuten, dass meine Arbeit wahrgenommen und geschätzt wird. Damit sagen mir die Leute, dass ich mich weiterentwickelt habe und dass die Rolle, die ich spiele, im Gedächtnis bleiben wird.

Ricore: Ihre Rollen haben sich tatsächlich sehr verändert. Haben Sie irgendwelche Pillen geschluckt?

McConaughey: (lacht und kramt scherzhaft in seiner Hosentasche) Wollen Sie auch welche? Im Ernst, das waren keine Entscheidungen, die ich bewusst getroffen habe. Allerdings hatte ich mich bewusst zurückgezogen, um meine Karriere neu auszurichten. Ich war zwar sehr glücklich mit meiner Karriere, aber ich wollte auch andere Filme machen. Die wurden mir jedoch nicht angeboten. Also beschloss ich, eine Pause einzulegen. Ich sprach mit meiner Frau und sagte, die Miete können wir weiter zahlen und wir werden auch immer etwas zum Essen auf dem Tisch haben. Also lass uns einfach abwarten, was passiert.

Ricore: Und wie ging es dann weiter?

McConaughey: Ich sagte sechs Monate alle Rollenangebote ab, und dann erhielt ich über ein Jahr gar keine neuen Angebote mehr. Aber dann, im zweiten Jahr, kam plötzlich ein Anruf von William Friedkin für "Killer Joe", Steven Soderbergh meldete sich wegen "Mud" und ich bekam die Rollen in "Bernie" und "The Paperboy". Seither habe ich kontinuierlich gearbeitet.

Ricore: Sie haben sich vom Held zum Anti-Held gewandelt.

McConaughey: In gewisser Weise ja. Ich denke nicht, dass mir diese Rollen vor drei Jahren angeboten worden wären. Allerdings bin ich mir sicher, dass ich sie auch damals hätte spielen können. Aber dann wurde ich zu irgendjemandes neuer Idee. Ich kann nur sagen, dadurch dass ich mich selbst vom Markt genommen habe, konnte ich mich als Marke neu erfinden. Allerdings nicht aktiv, die Dinge sind einfach auf mich zugekommen.

Ricore: Haben Sie sich von den körperlichen Strapazen Ihrer Rolle in "Dallas Buyers Club" wieder völlig erholt?

McConaughey: Absolut. Ich habe wieder 44 Pfund zugenommen, meine Energie ist wieder da. Allerdings werde ich erstmal etwas schlanker bleiben. Doch wenn es eine neue Rolle erfordert, werde ich natürlich wieder trainieren.

Ricore: Sie haben für die Rolle Ron Woodroofs fast 25 Kilo (47 Pfund) abgenommen. Wie hat es sich angefühlt, sich so ausgemergelt im Spiegel anzusehen.

McConaughey: Nun, für mich war das nicht eine Veränderung von einem Tag auf den anderen, sondern ein kontinuierlicher Prozess. Ich wusste auch nicht genau, ab welchem Gewicht es genug sein würde, ab wann ich mich als Ron fühlen würde. Aus den geplanten 35 wurden 47 Pfund. Aber dann wachte ich eineinhalb Wochen vor Drehbeginn morgens auf und wusste es plötzlich, das ich angekommen war.

Ricore: Wie haben Sie es geschafft, so viel abzunehmen?

McConaughey: Ich habe eine Art Mantra, das mir hilft, die Dinge wie ein Mann anzugehen: Wenn du mit dem Unausweichlichen konfrontiert wirst, arrangiere dich damit. Es wäre mir peinlich gewesen, wenn es mir nicht gelungen wäre, genug für die Rolle abzunehmen, denn dann hätte ich meine Arbeit nicht ordentlich gemacht. Jedes mal wenn ich mich also vor der geöffneten Kühlschranktür wiederfand, erinnerte ich mich selbst daran, dass ich nicht in einem Land lebe, in dem die Menschen Hunger leiden, dass ich nicht in einem Konzentrationslager bin, sondern dass ich lediglich kleine Portionen gesunden Essens zu mir nehme. Ich würde davon nicht sterben. Die Herausforderung hat mich gereizt.

Ricore: Fiel es Ihnen schwer, durchzuhalten?

McConaughey: Nein. Ich saß ja nicht zu Hause rum und habe Däumchen gedreht. Ich habe mich auf die Rolle vorbereitet. Zwar hätte ich mich nicht mit Leuten im Steakhouse getroffen, aber ich bin trotzdem raus gegangen. Und meine Familie hat mich unterstützt.
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Gegensätze ziehen sich an: Jared Leto und Matthew McConaughey
Keine exzentrische Idee
Ricore: Haben sie sich keine Sorgen gemacht?

McConaughey: Wieso sollten sie? Wir sind eine ziemlich abenteuerlustige Familie. Und falls sich irgendjemand Sorgen machte, hat er es nicht gesagt, weil er ohnehin wusste, dass ich es durchziehen würde. Ich habe es ja so gesund wie möglich gemacht und zudem mit einem Arzt gesprochen.

Ricore: Das passt zu Ihrem Motto: Spiel die Rolle nicht, sondern sei es.

McConaughey: Genau. Es war keine exzentrische Idee, so viel abzunehmen, sondern es lag in meiner Verantwortung, um der Figur gerecht werden zu können.

Ricore: Wie hat sich Ihre Körperwahrnehmung verändert?

McConaughey: Ich brauchte weniger Schlaf, ich hab mehr geschrieben als jemals zuvor in meinem Leben. Wenn man sich etwas wegnimmt, also in meinem Fall das Essen, muss man sich etwas anderes zurückgeben. Ich hatte plötzlich jeden Tag sechs Stunden mehr zur Verfügung, die musste ich füllen, mich ablenken, damit ich nicht ständig ans Essen denke. Also setzte ich mich mit Ron auseinander.

Ricore: Haben Sie damit gerechnet, dass der Film und Ihre Leistung so begeistern aufgenommen werden würde? Sie haben bereits die Golden Globes gewonnen und sind für sechs Oscars nominiert.

McConaughey: Darüber habe ich keine Sekunde nachgedacht. Ich war so mittendrin, dass ich nicht an das Ergebnis dachte. Als ich das Drehbuch las, fand ich zwar, dass es etwas Besonderes ist und wenn wir es richtig machen, könnte es für Aufmerksamkeit sorgen. Aber was hinterher daraus wird, kann man nicht voraussehen. Überlegen Sie mal: 25 Drehtage und das Budget, da standen die Chancen gut, dass wir den Film ordentlich fertigstellen können.

Ricore: Was hätte denn schiefgehen können?

McConaughey: Zum Beispiel, dass wir zwar einen einigermaßen guten Film über das Thema AIDS machen, von dem die Leute denken, den sollten wir uns ansehen, der aber letztlich nicht gut unterhält. Aber uns ist es in diesen 25 Tagen gelungen, einen wirklich tollen Film auf die Beine zu stellen.

Ricore: Und jetzt haben Sie sogar die Chance auf einen Oscar. Wie fühlt sich das an?

McConaughey: Das ist großartig. Schließlich ist das nicht mein Hobby, sondern meine Arbeit. Auch wenn solche Nominierungen nicht der Grund sind, weshalb ich zur Arbeit gehe. Überlegen Sie mal, wir sind für den besten Film, Schnitt, Drehbuch, Haupt- und Nebendarsteller und sogar Haare und Make-Up nominiert.

Ricore: Was gab es für Probleme während der Dreharbeiten?

McConaughey: Schon vorher gab es ein Problem, nämlich dass fünf Wochen vor Drehbeginn die Finanzierung zu platzen drohte. Aber das ließen wir nicht nach außen dringen, denn wir wollten den Film unbedingt machen und blieben dran. Noch acht Tage vor Drehbeginn rief mich Jean-Marc Vallée an und sagte, Matthew, ich habe keine Ahnung wie wir den Film machen sollen. Aber wenn du in acht Tagen da bist, bin ich auch da. Und ich antwortete, ich werde da sein. Und wir haben es geschafft.

Ricore: Hört sich an als seien Sie ziemlich dickköpfig.

McConaughey: Natürlich. Wenn es um etwas geht, woran ich glaube! Aber ich bin nicht so ein Sturkopf wie Ron. Das ist der größte Dickkopf, der mir je begegnet ist. Aber er hatte auch die größten Gegner. Man kann nur hoffen, dass man einen solchen Willen hat, wenn man dem Tod gegenübersteht.
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Matthew McConaughey in "Dallas Buyers Club"
Matthew McConaughey: "Daran hatte ich etwas zu knabbern"
Ricore: Man fragt sich, wo er diese Lebensenergie hernahm.

McConaughey: Ja, er kämpfte immer weiter, auch als sein Körper immer schwächer wurde.

Ricore: Hat diese Rolle ihr Verhältnis zu Leben und Tod verändert?

McConaughey: Nein, eigentlich nicht. Es gibt eine Szene, da teilt die Ärztin Ron mit, dass er sterben werde und rät ihm, in eine Selbsthilfegruppe zu gehen. Und er antwortet: 'ich sterbe und sie sagen mir, ich sollt mir in so einer Gruppe eine Umarmung abholen?' Das war der Punkt, an dem er verstand, dass er wirklich sterben wird. Daran hatte ich etwas zu knabbern. Aber es ist doch oft so, wenn Leute wissen, dass sie definitiv bald sterben werden, werden sie noch einmal richtig lebendig. Ich sehe es ja an meiner Mutter, die jetzt über 80 Jahre alt ist. Sie schläft kaum noch, weil sie findet, dafür keine Zeit mehr zu haben.

Ricore: Es gibt Gerüchte, Ron Woodroof sei bisexuell gewesen, im Film wird er aber heterosexuell dargestellt.

McConaughey: In all meinen Recherchen ist nie das Thema Bisexualität aufgetaucht. Ich habe mit seiner Familie und Freunden gesprochen und sein Tagebuch gelesen. Ich bin mir also ziemlich sicher, dass er hetero war. Dennoch haben wir keine Biografie gedreht, sondern nur einen Kinofilm, der auf wahren Begebenheiten beruht. In Wirklichkeit gab es beispielsweise keine Rayon. Und auch Dr. Eve Saks setzt sich aus drei verschiedenen Ärzten zusammen. Um eine dynamische Handlung zu haben, fügten wir verschiedene Dinge zusammen, um die Geschichte zu erzählen. Seine Familie ist sehr zufrieden mit dem Ergebnis, soweit ich weiß.

Ricore: In amerikanischen Medien wird Ihre neue Rollenwahl als "McConausance" (die Renaissance des Matthew McConaughey) beschrieben. In welchen Filmen wird man Sie künftig sehen?

McConaughey: Die meisten dieser Rollen haben mich gefunden, nicht ich sie. Ich kann nur sagen, ich möchte Filme machen, die mich interessieren. Ich will Rollen, die mich herausfordern, in denen ich meinen Mann stehen kann. Natürlich hilft der Gehaltscheck manchmal bei der Entscheidung, aber in erster Linie will ich Erfahrungen machen. Ich sage nicht, dass ich von nun an nur noch diese Anti-Helden spielen will. Ehrlich gesagt habe ich momentan sogar ein paar sehr interessante Liebesgeschichten auf dem Tisch, die ich sehr spannend finde.

Ricore: Aktuell wird im amerikanischen Fernsehen die Krimiserie "True Detectives" ausgestrahlt, in der Sie mit Woody Harrelson spielen. Was reizte Sie, in einer Fernsehserie mitzuspielen.

McConaughey: Dass man überlegten muss, als Filmschauspieler eine Fernsehrolle anzunehmen, gehört doch längst der Vergangenheit an. Viele Serien haben gezeigt, dass hier die Qualität extrem hoch ist. Wenn klar ist, dass man nur eine bestimmte Anzahl von Folgen dreht und nicht Jahr um Jahr weitermachen muss, dann werden wesentlich mehr Schauspieler diesen Schritt machen. Solche Serien bieten ganz andere Möglichkeiten bei der Vertiefung der Charaktere, denn die wird beim Film als erstes gestrichen. Aber es ist doch eigentlich das Interessanteste. Bei Serien, zumindest bei "True Detective" hat man dafür mehr Zeit, weil die Handlung nicht so schnell vorangetrieben werden muss.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 11. Februar 2014
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Wie viele Schauspielkollegen bricht auch Matthew McConaughey sein Jurastudium ab und schreibt sich stattdessen an der Filmhochschule ein. Nach kleineren Rollen schafft er sein Durchbruch in "Die Jury". Während der Dreharbeiten verliebt er sich in Kollegin Sandra Bullock, mit der er fünf Jahre lang liiert ist. Nach mehreren romantischen Komödien wie "Zum Ausziehen verführt" ist er 2011 in "Der Mandant" wieder in einem Drama zu sehen. Camila Alves verheiratet. Die beiden haben drei Kinder.
2024