StudioCanal
Gary Oldman in "Dame, König, As, Spion"
Verloren in der Moderne?
Interview: Technikmuffel Gary Oldman
Gary Oldman gehört zu Hollywoods besten Charakterdarstellern. Trotzdem wird der Brite erst 2012 für seine Darstellung in dem Spionage-Thriller "Dame, König, As, Spion" für einen Oscar nominiert. Ein geradezu unverzeihliches Versäumnis. Nun ist Oldman in der gleichnamigen Neuverfilmung von Paul Verhoevens Science-Fiction-Klassiker "RoboCop" auf der Leinwand zu sehen. Im Gespräch mit Filmreporter.de verrät der 55-Jährige, was er vom Originalfilm aus dem Jahr 1987 hält und wie sich José Padilha in seinem "RoboCop" der Vorlage näherte. Außerdem spricht Oldman über das Hollywoods Studiosystem und der Schwierigkeit, seinen neuen Film auf die Beine zu stellen.
erschienen am 12. 02. 2014
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Gary Oldman im 2014er Remake von "RoboCop"
Debatte über Konflikt zwischen Verstand und Gefühl
Ricore Text: Inwieweit unterscheidet sich "RoboCop" vom Original aus dem Jahr 1987?

Gary Oldman: Das schöne ist, dass sowohl José als auch ich "Robocop" sehr mochten. Ich sah mir den Film noch einmal an und merkte, dass er besser ist, als ich ihn in Erinnerung hatte. Er hat einige interessante Ideen, die José für seine Version ausgebaut hat. Dafür musste er das Original komplett auseinandernehmen. "RoboCop" ist weder Remake noch Reboot, José hat den Film quasi neu erfunden. Er ging so vor, wie Tomas Alfredson in "Dame, König, As, Spion". Tomas hatte dieses großartige Buch und diese äußerst erfolgreiche Fernsehserie im Nacken und hat trotzdem sein eigenes Ding durchgezogen. Dabei hat er den Geist der Vorlage und der Charaktere bewahrt. Genau darum ging es auch José und mir bei "RoboCop".

Ricore: Sie erwähnten die vielen Ideen, die im Originalfilm enthalten sind. Ist "RoboCop" für Sie mehr als ein Science-Fiction?

Oldman: Der Film erzählt eine Art Frankenstein-Geschichte und wirft darüber hinaus viele Fragen auf. Der Mann hat keine Wahl und seine Erzeuger erlauben ihm auch keine. Er wird verletzt und wenn er aufwacht, ist er ein Roboter. Er muss einen bestimmten Prozess durchmachen. Er versucht, sich in der Gesellschaft zu integrieren und eine Beziehung zu seinem Kind aufzubauen. José ging es darum, das Menschliche und das Dilemma des Menschseins zu zeigen. Wir haben den Film immer wieder umgeschrieben und verbrachten vier Wochen im Scheideraum, um alles Überflüssige aus der Handlung zu eliminieren. "Robocop" mag ein Genrefilm sein, das heißt aber nicht, dass er dumm sein muss.

Ricore: Was meinen Sie mit 'dumm'?

Oldman: "Iron Man" fliegt von Malibu nach Afghanistan. Das ist dumm (lacht). Warum ist er nicht in London? Er könnte doch im Marriott Hotel am Heathrow Flughafen Unterkunft finden (lacht). So etwas wollte José nicht haben. Es ging ihm um die interne Logik des Films. Er wollte machbare und plausible Handlungen zeigen. Wir zeigen Roboter, die es tatsächlich geben könnte. Sie haben Nerven und Muskeln, die sie mit dem Verstand kontrollieren können. Es ist keine Science Fiction, es sind wissenschaftliche Tatsachen.

Ricore: Vermittelt "RoboCop" eine Botschaft?

Oldman: Er öffnet eine Debatte über den Konflikt zwischen Verstand und Gefühl, zwischen Seele bzw. Gott und dem Kosmos. Er fragt nach dem, was wir tun dürfen, wenn wir es tun können. Wenn wir die Möglichkeit haben, etwas zu tun, sollten wir es dann tun? Mit diesen Fragen wird der Film immer aktuell bleiben. Er zeigt, dass wir ständig etwas in die Welt hinausschicken und dabei die Gefühle und das Gewissen außer Acht lassen. Worin besteht der Unterschied zwischen einem Jungen, der den Joystick seiner Playstation bedient und einem Piloten, der von seinem Flugzeug eine Rakete abfeuert? Ich sehe keinen.

Ricore: Begeistern Sie sich für Technologie und technische Geräte?

Oldman: Nein, da bin ich hoffnungslos verloren.

Ricore: Können Sie ein Smart-Phone bedienen?

Oldman: Mit einem Smart-Phone werde ich noch fertig. Ich habe einen 16-jährigen und einen vierzehnjährigen Sohn. Wenn ich technischen Probleme habe, können Sie mir helfen.
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Gary Oldman in "Dame, König, As, Spion"
Gary Oldman: Das Problem sind die Studios
Ricore: Machen die sich darüber lustig, dass Sie so ein Technikmuffel sind?

Oldman: Ja, immer! Etwa, wenn ich versuche, den Fernseher zu reparieren (lacht).

Ricore: Sie sind der erfolgreichste Schauspieler aller Zeiten. Was bedeutet Ihnen das?

Oldman: Ich habe dieses kleine Wettrennen mit Samuel L. Jackson, auch wenn er mich vor einer Weile überholt hat. Ansonsten muss man schon in einem Franchise dabei sein, man muss in einer "Harry Potter"- und einer "Batman"-Serie mitspielen, um mit mir mitzuhalten.

Ricore: Wann werden Sie wieder Regie führen?

Oldman: Ich versuche es gerade.

Ricore: Gibt es Schwierigkeiten...?

Oldman: Das Problem sind die Studios, auf die man angewiesen ist. Sie haben ein bestimmtes Geschäftsmodell und dieses Modell heißt Geld. Hinzu kommt, dass man nicht alles in Los Angeles drehen kann, weil es zu teuer ist. Und so drehen sie entweder in Südafrika, in Kanada oder in New Orleans. Dann wollen sie Steuer-Erleichterungen hier und kriegen eine Absage dort. Dann wollen sie ein bestimmtes Budget einhalten und denken an Profit, noch bevor der Film gedreht ist. So macht man heutzutage Filme. Ich habe zwar ein Drehbuch, das diesem Model aber leider nicht entspricht.

Ricore: Worum geht es?

Oldman: Es heißt "Flying Horse", ist im 19. Jahrhundert angesiedelt und handelt von Eadweard Muybridge. Dem Projekt liegt eine wahre Geschichte zugrunde. Ich habe bereits Ralph Fiennes, Amanda Seyfried, Benedict Cumberbatch und mich engagiert. Das ist offenbar nicht genug. Nein, sie müssen ihren eigenen Film für 15 Millionen Dollar machen und er muss ihrem Modell entsprechen. Man braucht jemanden, der bereit ist, etwas zu riskieren. Die Handlung spielt in San Francisco, aber sie wollen unbedingt in Rumänien drehen, weil ihnen das 100.000 Dollar einspart. Dann wollen sie eine Woche in Irland drehen, weil sie dadurch Steuervergünstigungen bekommen. Es ist so verdammt haarsträubend!
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Gary Oldman mit seiner Schöpfung Joel Kinnaman alias "RoboCop"
Leonardo DiCaprio oder Tom Cruise für die Produzenten...
Ricore: Wer müsste denn noch zusagen, damit sich das Geschäft für die Produzenten lohnt.

Oldman: Wahrscheinlich Leonardo DiCaprio. Ich könnte auch sagen, ich möchte Tom Cruise für der Rolle Leyland Stanfords. Nun ja... (lacht).

Ricore: Wie empfanden sie die Zusammenarbeit mit José Padilha?

Oldman: José ist klug, witzig und extrem talentiert. Auf dem Set von "RoboCop" herrschte eine tolle Atmosphäre. José nimmt nichts allzu ernst. Bei einem Film in der Größenordnung von "RoboCop" hat es sicher Druck vom Studio gegeben. Ich bin sicher, da lief etwas hinter den Kulissen ab. José aber hat diesen Druck niemals mit an den Set gebracht. Er war immer in guter Stimmung und sehr zugänglich.

Ricore: Was für ein Typ Regisseur sind Sie?

Oldman: Ich bin ein Tyrann (lacht)

Ricore: Hören Sie am Set auf Ratschläge anderer?

Oldman: Ja.

Ricore: Vor ihrer Oscar-Nominierung für "Dame, König, As, Spion" sagte Donald Sutherland, dass Sie der beste Schauspieler aller Zeiten ohne eine Oscar-Nominierung seien.

Oldman: Vielen Dank.

Ricore: Wir danken für das Interview...
erschienen am 12. Februar 2014
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2024