TOBIS Film
Julia Roberts und Meryl Streep in Im "August in Osage County"
Wenn man dem Vorbild Gewalt antut…
Interview: Julia Roberts würgt Meryl Streep!
Jahrelang träumt Julia Roberts davon, einmal mit Meryl Streep zu spielen. Als es bei der Theaterstück-Adaption "Im August in Osage County" endlich soweit ist, muss sie ihr Vorbild in einer Szene würgen. Ein Traum, der platzt? Keineswegs! Trotz der vielen Strapazen ist die Begegnung mit der dreifachen Oscar-Preisträgerin für Roberts eine 'Entdeckung'. Große Leistungen entstehen durch harte Arbeit, so ihr Fazit. Im Gespräch mit Filmreporter.de verrät die 46-Jährige, welche Erkenntnis sie bei den Dreharbeiten zu dem Drama noch gewonnen hat.
erschienen am 7. 03. 2014
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Trauernde Julia Roberts in Im "August in Osage County"
Auf der Spitze des Berges stand Meryl Streep
Ricore Text: Haben Sie das mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Theaterstück von Tracy Letts gesehen? Wie gefiel es Ihnen?

Julia Roberts: Ich habe es gesehen und liebte es. Ich saß in meinem Stuhl und dachte: Mein Leben wird nie wieder so sein - wie zuvor. Das gleiche dachte ich, als ich die Geschichte gemeinsam mit meinen Schauspielkollegen für die Leinwand adaptierte.

Ricore: Die Dreharbeiten an der ersten Szene soll mehrere Tage gedauert haben. Was war der Grund hierfür?

Roberts: Wir rissen für diese Szene tatsächlich unsere Ärsche auf. Ich hatte in meinem Leben noch nie so hart gearbeitet und ich bin Mutter dreier Kinder (lacht). Es war, wie wenn man jeden Tag einen Berg besteigt. Die einzige Möglichkeit, den Aufstieg zu bewältigen lag darin, uns gegenseitig zu unterstützen. Ob wir das mochten oder nicht. Wir arbeiteten den ganzen Tag und gingen dann nach Hause, um uns frisch zu machen. Danach trafen wir uns bei Meryl, um für den nächsten Tag zu üben. Dieser Schwung musste 19 oder 20 Stunden am Tag dauern, andernfalls hätte die Energie uns verlassen. Das war die beste Erfahrung meines Lebens.

Ricore: Wie haben Sie diese Anstrengung überstanden?

Roberts: Ich weiß nicht, wie wir das acht Tage pro Woche ohne Erholung bewältigen konnten. Aber diese Erfahrung war eine große Entdeckung für mich. Denn auf der Spitze des Berges stand ein Mensch, der jetzt hier irgendwo schläft: Meryl Streep (lacht). Sie zeigte uns, dass es darum geht, hart zu arbeiten. Ich habe noch nie jemand gesehen, der so hart arbeitet wie sie. Sie schnippt nicht einfach mal so mit den Fingern, um plötzlich ein Genie zu sein. Sie war der am härtesten arbeitende Mensch am Set und ich bin sehr dankbar, das aus nächster Nähe gesehen zu haben.

Ricore: Wie wichtig ist für sie die Familie, seit sie Mutter sind?

Roberts: Nicht nur die Familie ist wichtig, sondern Werte im Allgemeinen. Darum geht es im Leben: um Werte. Der Ruhm ist wie eine Sommerbrise, die kommt und wieder vergeht. Worauf es wirklich ankommt, ist zu wissen, wer man ist.
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August in Osage County
Julia Roberts: Es war großartig
Ricore: Wie war es, den Film zum ersten Mal mit Zuschauern zu sehen?

Roberts: Ich hatte ihn vorher nicht gesehen. Ich saß im Kino neben Dermot, dessen Hand ich vor lauter Aufregung so sehr gedrückt habe, dass ich wohl die Blutzirkulation unterbrochen habe. Es war aufregend zu sehen, was wir aus dem Film gemacht haben. Es war ein großartiges Ensemble. Obwohl es viele Szenen gibt, in denen wir gemeinsam auftreten, liebe ich eine besonders: die Busszene mit Benedict und Chris. Es war meine Lieblingsszene im Stück wie im Drehbuch. Zu sehen, wie sie es umgesetzt haben, ist Herz zerreißend. Ich habe zu viel Make-Up aufgetragen, um noch länger über diese Szene zu reden. Sie ist großartig.

Ricore: Stimmt es, dass Meryl Streep einverstanden war, als beste Nebendarstellerin für den Oscar nominiert zu werden, damit sie für die Hauptdarstellerin-Kategorie vorgeschlagen werden?

Roberts: Ich weiß es nicht.

Ricore: Was hat es Ihnen bedeutet, als Sie ihren Oscar gewannen?

Roberts: Es war großartig, kann ich nur weiterempfehlen (lacht).
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Julia Roberts in Im "August in Osage County"
Ganz und gar ausgeglichen?
Ricore: Die Probleme in der Familie im Film resultieren aus angestautem Ärger und Frust. Wie beugen Sie Ärger und Frust vor?

Roberts: Als ob ich in den nächsten zehn Jahren keinen Ärger verspüren würde - ich bin ganz und gar ausgeglichen (lacht).

Ricore: Können Sie uns noch mehr Einzelheiten aus der Zusammenarbeit mit Meryl Streep erzählen?

Roberts: Mit Meryl zu arbeiten war die Erfüllung eines Traums. Es war einschüchternd, mit ihr in solchen Szenen zusammenzuspielen. Meryl zu würgen und ähnliche Sachen gehörten sicher nicht zu den Dingen, die ich mir in all den Jahren vorgestellt habe. Ich dachte, wir würden gemeinsam Tee trinken, mit schrägen Dialekten sprechen und chic gekleidet sein. Als es dann so weit war, habe ich nur geschwitzt und war mit Hinterpolstern ausgestattet. Trotzdem war es toll. Es gab immer wieder Umarmungen, Küsschen und ein 'ich hab' dich lieb'. Das war ein Elixier, das ich brauchte, um am nächsten Tag am Set erscheinen zu können und Meryl erneut zu würgen! Um so etwas Beängstigendes zu tun, muss man Vertrauen haben. Meryl ist bei der Arbeit nicht nur außergewöhnlich und überlegen. Sie sieht auch, was man nicht nur als Schauspieler, sondern auch als Mensch braucht. Dann sorgt sie unentwegt dafür, dass man es bekommt.

Ricore: Was haben Sie bei den Dreharbeiten über sich selbst gelernt?

Roberts: Dass ich es schön finde, das älteste Kind zu sein. In meiner eigenen Familie bin ich die jüngste. Es ist besser, die älteste zu sein (lacht).

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch
erschienen am 7. März 2014
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