Buena Vista International (Germany)
Jodie Foster in: Flightplan - Ohne jede Spur
Ich bin emotional eher zurückhaltend
Interview: Jodie Foster über Schüchternheit
Jodie Foster ist seit 39 Jahren im Filmgeschäft tätig. Mit drei hatte sie ihren ersten Auftritt und überzeugte seitdem in mehr als vierzig Spielfilmen, die ihr neben zahlreiche Auszeichnungen und auch zwei Oscars für "Angeklagt" und "Das Schweigen der Lämmer" einbrachten. Nun spielt die 42-Jährige in "Flightplan - Ohne jede Spur", dem US-Debüt des Stuttgarter Regisseurs Robert Schwentke, eine Mutter, deren Kind auf einem Flug nach Amerika spurlos verschwindet. Im Berliner Luxushotel Adlon trafen wir die Powerfrau und allein erziehende Mutter zum Gespräch.
erschienen am 31. 10. 2005
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Regisseur Robert Schwentke mit Hauptdarstellerin Jodie Foster am Set von Flightplan
Ricore: Mrs. Foster, der Verband professioneller Flugbegleiter rief zum weltweiten Boykott Ihres Filmes auf, weil Sie Stewards mit unhöflichem und teilnahmslosem Verhalten portraitieren. Wie ist Ihre Sicht der Dinge?

Jodie Foster: "Flightplan" ist ein Genre-Film, ein Thriller, von dem wir nicht im Geringsten behaupten, dass er die Luftfahrtindustrie glaubwürdig portraitiert. Allein durch die Ausgangslage dürfte doch jedem einleuchten, dass wir hier nicht die reale Welt zeigen. Wir gehen davon aus, dass jemand in ein Flugzeug einsteigt und niemand etwas von seinem Kind mitbekommt - trotz Passkontrollen und voll besetzten Passagierreihen. Klar ist das etwas utopisch. Unser Film ist deshalb als eine Art fiktive Welt zu sehen, in der wir vor allem eines erzeugen wollen: Spannung.

Ricore: Dennoch behandeln Sie durchaus aktuelle Probleme und Themen: Die Angst vor Terroristen zum Beispiel oder die oftmals grundlose Furcht, wenn mit uns Araber in einen Flieger einsteigen.

Foster: "Flightplan" ist ganz klar ein Film über die Welt nach dem 11. September. Dabei hat es vorschnelle Rassenkategorisierungen aber schon immer gegeben, nicht nur in den USA. Ein einfaches Beispiel: Sie sind weiblich, gehen durch eine dunkle Gasse und plötzlich kommen Ihnen zwei Farbige entgegen. Was tun Sie? Wechseln Sie auf die andere Straßenseite? Wir alle haben diese Urängste, egal wie stark die Völker mittlerweile durch die Globalisierung zusammengewachsen sind.

Ricore: In "Flightplan" spielen Sie diese Angst mit gewohnt brillanter Intensität. Wie fühlen Sie sich in Ihre Rollen ein?

Foster: Ich war nie auf einer Filmschule. Ich wäre mit Sicherheit nicht Schauspielerin geworden, wenn ich es nicht schon meine ganze Kindheit über gemacht hätte. Eigentlich bin ich niemand, der durch die Welt geht und sein Herz sofort jedem öffnet. Ich bin ziemlich reserviert, was Gefühle angeht - und gerade deswegen fällt mir das Schauspielen alles andere als leicht. In diesem Zusammenhang finde ich es interessant, dass Deutschland immer ein besonderer Ort für meine Filme war. Insbesondere "Nell" hat in Deutschland mehr Interesse geweckt als in anderen Ländern. Vermutlich, weil ich der deutschen Mentalität sehr nahe bin. Die Deutschen sind ja emotional auch eher zurückhaltend.

Ricore: Gibt es denn eine typische Jodie-Foster-Rolle, zu der Sie immer wieder zurückkommen?

Foster: Ich denke schon. Oft spiele ich in unterschiedlicher Ausprägung immer denselben Typ Mensch: Eine Frau, die alleine steht und sich nirgends zugehörig fühlt. Über vielen meiner Rollen liegt deshalb auch eine Art Trauerschleier. Oft passt in meinem Film die persönliche Erfahrung, die jemand durchmacht, nicht wirklich zu der Welteinstellung der anderen.

Ricore: Wenn man Sie so reden hört, wird man die Vermutung nicht los, dass es zwischen Ihnen und Ihrem Rollentyp durchaus Parallelen gibt.

Foster: Vermutlich. Allerdings werde ich Ihnen heute nicht offenbaren, wer die wirkliche Jodie Foster ist. Ich kann mich zum Beispiel in Kyle, der Mutter in "Flightplan", wieder erkennen. Im Fall der Fälle würde ich vielleicht ähnlich reagieren.
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Jodie Foster in "Flight Plan"
Ricore: Sie selbst haben eine siebenjährige Tochter. Hat das Ihre Art zu spielen beeinflusst?

Foster: Ich habe schon vor der Geburt meiner Tochter viele Mütter gespielt. Allerdings spüre ich seit ihrer Geburt eine neue Form der Bindung, die ich nicht erklären kann. Die Erfahrung wirkt sich sicherlich auf die Intensität aus, mit der ich solche Rollen spiele.

Ricore: Nun sind Sie seit mehreren Jahrzehnten im Geschäft, und obwohl Sie regelmäßig arbeiten, werden die Intervalle zwischen Ihren Filmen immer größer. Ist die Familie der Hauptgrund für diese Freiräume?

Foster: Ja. Ich habe vier Filme am Stück gedreht, als ich zwölf Jahre alt war. Ich habe dieses Leben gelebt und brauche es einfach nicht mehr. Anstelle der Arbeit ist etwas anderes getreten. Mein neuer Alltag ist prall gefüllt, und ich will nichts von dem verpassen. Ich will nicht, dass eine Babysitterin mein Leben lebt. Es muss sich schon um ein wirklich gutes Drehbuch handeln, dass ich gewillt bin, das alles eine Zeitlang hinter mir zu lassen.

Ricore: Viele weibliche Hollywoodstars beklagen sich darüber, dass mit zunehmendem Alter die Rollenangebote dünner werden. Sie haben damit keine Probleme?

Foster: Aber natürlich! Auch ich bekomme weniger angeboten. Überhaupt sind die Vierziger für jede Frau eine schwierige Zeit. Auch in privater Hinsicht. Man verändert sich nicht mehr großartig, die Kids sind noch nicht erwachsen und irgendwie steht man zwischen den Stühlen. Was die Karriere angeht, so ist diese Zeitspanne wie eine Wartezeit zwischen jungen und reifen Rollen. Allerdings kommt mir zugute, dass ich nie das typische Bond-Girl war und mir auf Teufel komm raus dieses Image halten muss. Ich habe auch zwischen meinem sechzehnten und vierundzwanzigsten Lebensjahr den schwierigen Übergang vom Kinderstar zum ernst zunehmenden Schauspieler geschafft. Ich sehe dem allen also eher gelassen entgegen.

Ricore: Wo genau liegt für Sie noch die Herausforderung?

Foster: Zum einen will ich nur noch mit Regisseuren drehen, die ich wirklich bewundere. Ich habe festgestellt, dass ich auch bei einem guten Drehbuch keine Höchstleistung bringen kann, wenn ich den Regisseur für einen Idioten halte. Dafür muss ich mich ihm viel zu sehr öffnen. Ich will Visionären wie Jean-Pierre Jeunet oder Spike Lee über die Schulter schauen und etwas dazulernen. Zum anderen freue ich mich tierisch auf mein Alterwerk. Die Rollen, die man im hohen Alter bekommt, können irrsinnig interessant sein. Ich denke, dass ich meine Karriere später in eine völlig neue Richtung treiben werde, die ich heute Kraft meiner Statur und meines relativ jungen Gesichtes noch nicht spielen kann.

Ricore: Was genau hat Sie dazu bewogen, in einem Ihrer nächsten Filme die umstrittene deutsche Künstlerin Leni Riefenstahl zu spielen, die wegen ihrer Nähe zum Nationalsozialismus bis zu ihrem Tod im Kreuzfeuer der Kritik stand?

Foster: Ich spiele fast nie biografische Rollen, und diese erschien mir eine ganz besonders schwierige Herausforderung. Leni Riefenstahl ist eine herausragende Persönlichkeit. Sie war auch Jahrzehnte nach der NS-Zeit nicht in der Lage, Bedauern für das auszudrücken, was passiert war. Und gleichzeitig war sie bis kurz vor ihrem Tod mit 101 Jahren noch so smart, gewitzt und clever, wie man es selten bei Menschen dieses Alters sieht. Der Film wird mit Sicherheit kontrovers, und ich bin auf Kritik von allen Seiten eingestellt. Aber damit kann ich leben.
erschienen am 31. Oktober 2005
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