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Paul Dano feiert die "Love & Mercy"-Berlinale-Premiere
"Mich reizen komplexe Charaktere"
Interview: Paul Dano: Musik ist das Heroin der Kunst
Paul Dano ist einer der interessantesten US-Schauspieler seiner Generation. Fernab gängiger Klischees sucht sich der 30-Jährige Rollen mit Ecken und Kanten. Jetzt überzeugt er mit seiner Darstellung Brian Wilsons, dem kreativen Kopfes der Beach Boys, in Bill Pohlads Biopic "Love & Mercy". Zur Vorbereitung auf die Rolle kaufte sich Dano neue Kopfhörer, trank Unmengen kalorienhaltiger Shakes und lernte nebenbei auch noch singen. Eine Filmrolle wieder abzustreifen ist, so Paul Dano, "ein bisschen so, als müsste man Freunde verabschieden, die man nie wiedersehen wird", gesteht er im Interview mit Filmreporter.de.
erschienen am 9. 06. 2015
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Elegant: Paul Dano und Kollegin Elizabeth Banks ("Love & Mercy")
Erstmal supertolle Kopfhörer gekauft...
Ricore Text: Was wussten Sie vor der Rolle über die Geschichte von Brian Wilson, dem kreativen Kopf der Beach Boys?

Paul Dano: So gut wie nichts, ich kannte seine Geschichte nicht. Als ich dann das Drehbuch las, war ich sehr berührt. Das Ganze wirkt ja umso tragischer, wenn man die Geschichte mit dem fröhlichen Sound der Beach Boys kontrastiert. Es ist unglaublich, wie er gegen diese inneren Dämonen kämpfend diese großartige Musik schaffen konnte.

Ricore: War von Anfang an klar, dass Brian Wilson von zwei Darstellern gespielt werden würde?

Dano: Ja. Das Drehbuch war eindeutig so geschrieben, dass klar war, dass es dabei um zwei verschiedene Menschen geht, die sich auf der Leinwand deshalb auch nicht total ähnlich sehen müssen. Sie hätten noch nicht einmal das gleiche Geschlecht oder die gleich Hautfarbe haben müssen. Es geht ja um den Gegensatz in seiner Persönlichkeit, um die Entwicklung, die er durchlebt.

Ricore: Wie haben Sie sich auf das musikalische Universum des Films vorbereitet?

Dano: Als erstes habe ich mir supertolle Kopfhörer gekauft (lacht). Mir wurde wahnsinnig viel Material von Aufnahme-Sessions zur Verfügung gestellt, so dass mir der Entstehungsprozess der Musik bewusst wurde.

Ricore: Sie haben sich ihm also über die Musik genähert?

Dano: Ja, ich glaube, der beste Weg Brian Wilson zu verstehen, ist über die Musik. Ich lernte auch singen und Klavier zu spielen.

Ricore: Ist ihnen das leicht gefallen?

Dano: Es war schwer, hat aber auch unglaublich viel Spaß gemacht. Die Songs sind ja sehr eingängig, aber wenn man genau hinhört, erkennt man, wie komplex sie sind.

Ricore: Wie war es, als Sie Wilson zum ersten Mal begegnet sind?

Dano: Er hat eine so starke Persönlichkeit, die spürt man schon, wenn er einfach nur im selben Raum ist. Ich wollte ihn auf einer normalen menschlichen Ebene kennenlernen und ihn nicht sofort zu Details über seinen Vater ausfragen. Er kam zum Set als wir eine Studio-Szene drehten, in dem Studio, in dem er selbst seine Songs aufnahm. Das war anfangs schon etwas einschüchternd. Für ihn war das sicher auch seltsam.
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Paul Dano in "Love & Mercy"
Paul Dano: etwas einschüchternd
Ricore: Haben Sie mit ihm über seine Musik gesprochen?

Dano: Ja, das war das Spannendste bei unseren Gesprächen. Er wollte mit seiner Musik die Menschen einfach nur glücklich machen. Und als er an 'Pet Sounds' arbeitete, befand er sich in einem bestimmten Stadium, wie ein Athlet, der sich auf einen Wettkampf vorbereitet.

Ricore: Macht es einen Unterschied, einen realen Menschen zu spielen?

Dano: Vielleicht hat mich das anfangs etwas unter Druck gesetzt, aber ich habe mich schnell selbst davon überzeugt, die Rolle nicht auf diese Weise anzugehen. Ich vertraute einfach auf Bills [Bill Pohlad, der Regisseur) und Orens [Oren Moverman, der Drehbuchautor] Vision der Geschichte, die sie erzählen wollten. Sie haben einen interessanten Ansatz gewählt, um eine spannende Geschichte zu erzählen. Da hat es sich für mich einfach gut angefühlt, ins kalte Wasser zu springen, auch wenn es ein wenig beängstigend war.

Ricore: Sie scheinen bei Ihrer Rollenwahl sehr spezielle Charaktere zu bevorzugen, man sieht Sie nie als eindimensionalen Superheld.

Dano: Ich glaube, das ist eher eine unbewusste als eine bewusste Entscheidung. Ich wähle die Rolle, die aufregend auf mich wirkt, aus welchem Grund auch immer. Mich reizen komplexe Charaktere, auf die man sich mehr vorbereiten muss.

Ricore: Sehen Sie sich gerne auf der Leinwand?

Dano: Naja, ich sehe gerne den Film, denn das ist etwas, was man zusammen mit einer Gruppe von Menschen gemacht hat, mich interessiert, was am Ende daraus geworden ist. Aber das erste Mal ist meist fürchterlich, erst beim zweiten Mal kann ich den Film dann genießen.

Ricore: Fällt es Ihnen leicht, einen Charakter nach Drehschluss abzustreifen?

Dano: Normalerweise ja, aber diesmal war es etwas schwerer, denn ich mochte Brian so gern und auch die Musik. Es hat so viel Spaß gemacht, deswegen ist es schade loszulassen. Das ist ein bisschen so, als müsste man Freunde verabschieden, die man nie wiedersehen wird.
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Paul Dano als Brian Wilson in "Love & Mercy"
Täglich sechs Mahlzeiten!
Ricore: Wie schnell sind Sie das Gewicht wieder losgeworden?

Dano: Die Leute hassen diese Antwort: das ging einfach und schnell. Das Zunehmen hat viel länger gedauert. Ich habe ungefähr sechs Mahlzeiten täglich zu mir genommen. Blöderweise mag ich Süßigkeiten nicht so gern. Aber dann bin ich auf diese Shakes aus Kokoseis, Banane, Mandelmus und frischen Beeren gekommen. Die waren wirklich lecker.

Ricore: Mögen Sie die 1960er Jahre?

Dano: Ja, das war eine spannende Zeit, da ist so viel passiert. Die Popkultur war damals noch so künstlerisch, wenn man daran denkt, was Phil Spector, die Beatles oder Brian Wilson getan haben. Mich beeindruckt, dass manche Dinge, die junge Menschen damals taten, einen solchen Einfluss auf die Welt hatten.

Ricore: Machen Sie privat Musik?

Dano: Ich spiele mit ein paar Freunden hin und wieder in einer Band, aber nur zum Spaß. Das Schöne ist, dass man sowas, genau wie das Schreiben, alleine machen kann. Zum Schauspielen braucht man immer ein Publikum.

Ricore: Was gibt Ihnen die Musik?

Dano: Musik wirkt am einfachsten und schnellsten. Ich will sie jetzt nicht das Heroin der Kunst nennen (lacht), aber sie ist einfach unmittelbar und universell.

Ricore: Erinnern Sie sich noch an das erste Mal, als Sie einen Song der Beach Boys hörten?

Dano: Vermutlich war ich jung, bin wahrscheinlich Auto gefahren und habe mitgesungen, ich erinnere mich aber nicht daran.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch!
erschienen am 9. Juni 2015
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Love & Mercy (Kinofilm)
Brian Wilson (Paul Dano und John Cusack) ist ein begnadeter Musiker. Mit seiner Band The Beach Boys schreibt er Musikgeschichte, unzählige Hits gehen auf sein Konto. Doch der beispiellose Erfolg bringt auch Probleme. Brian experimentiert mit bewusstseinserweiternden Drogen, wird depressiv und fällt in ein psychisches Tief. Erst in den 1980er Jahren findet er mit der Liebe zu seiner späteren Lebensgefährtin den Rettungsanker. Bill Pohlad hat die Rolle Brian Wilsons mit zwei Schauspielern..
Paul Franklin Dano wächst in New York City und New Canaan, Connecticut auf. Paul studiert nach dem Abschluss der Oberschule englische Literatur an der New Yorker Universität Newcomers - Neue Freunde".Michael Cuestas "L.I.E. - Long Island Expressway" vermisst er seine verstorbene Mutter und begibt sich in einer Notsituation in die Hände eines Päderasten. Einem breiterem Publikum wird er mit dem sehr viel lustigeren, mehrfach ausgezeichneten Überraschungserfolg "Little Miss Sunshine" (2006) und..
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