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David Kross & Emilia Schüle beim Filmfest München 2015
'Wir mussten früh erwachsen werden'
Interview: David Kross und Emilia Schüle zu "Boy7"
Den einen kann man getrost als Hollywoodstar bezeichnen; die andere war ein 'freches Mädchen' und strebt inzwischen ein Imagewechsel an: David Kross und Emilia Schüle. Für den sozialkritischen Thriller "Boy7" stehen die beiden zum ersten Mal gemeinsam vor der Kamera. Darin spielen sie zwei junge Menschen, die auf der Suche nach ihrer Vergangenheit sind. Im Interview mit Filmreporter.de sprechen sie über Mut, Ängste und angedeutete Sexszenen.
erschienen am 19. 08. 2015
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David Kross in "Boy7"
David Kross: über sich hinauswachsen
Ricore Text: Herr Kross, Sie spielen in "Boy7" einen jungen Mann, der sich beherzt gegen ein repressives System stellt. Was bedeutet Mut für Sie?

David Kross: Mut ist für mich, sich einer Sache trotz mulmigen Gefühls im Bauch zu stellen. Mut ist, über sich selbst hinauswachsen.

Emilia Schüle: Getting out of the comfort zone. Sich den Ängsten stellen, die man hat.

Ricore: Sucht man diese Herausforderung auch in Rollen?

Kross: Ja, bei mir passiert das automatisch. Es macht einen großen Teil des Schauspieler-Berufs aus, mit Nervosität und Angst umzugehen.

Ricore: Was sind Ihre größten Angstrollen?

Kross: Ich bin vor jedem Dreh aufgeregt. Es fühlt sich immer an, als wäre es der erste Film und als wüsste ich nicht, wie man schauspielert. Das liegt sicher auch daran, dass ich keine Schauspiel-Ausbildung absolviert, sondern mir das Handwerk mit den Projekten selber angeeignet habe. Das hat andererseits aber auch den Vorteil, dass man wachsamer ist. Ein gewisses Maß an Nervosität ist gar keine schlechte Sache.

Ricore: Wie viel Mut hat es erfordert, die angedeutete Sexszene in "Boy7" zu spielen?

Kross und Schüle: ( lachen).

Kross: 'Angedeutete Sexszene!' Das ist gut...

Schüle: Ja, das war das mutigste, das wir tun mussten (lacht).

Ricore: Bei Ihnen, Frau Schüle, kommt noch hinzu, dass Sie eine Frau spielen, die eine sehr auffällige Erscheinung ist.

Schüle: Ja, ich musste mich für die Rolle krass verändern und hatte echt Schiss. Lara hat so ziemlich gar nichts mit mir zu tun. Sie ist ganz und gar auf Anti eingestellt. Vor solch einer Verwandlung hat man als Schauspieler mehr Angst, als vor einer Kussszene.

Ricore: Markiert "Boy7" bei Ihnen einen weiteren Schritt weg vom "Freche Mädchen"-Image?

Schüle: Ich bin schon seit "Tatort" auf der Suche nach Rollen, die nichts mit mir zu tun haben und mich herausfordern. Das hat ganz gut geklappt und es wird noch einiges kommen (lacht).
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Emilia Schüle in "Boy7"
Emilia Schüle: alle wollen Liebe
Ricore: Finden Sie nicht auch in den entferntesten Figuren auch Eigenschaften, die Sie mit den Figuren gemeinsam haben?

Schüle: Alle Figuren, so unterschiedlich sie auch sein mögen, haben immer eines gemeinsam: Sie alle wollen Liebe. So sehr sie sich hinter etwas verstecken mögen, diese Sehnsucht verbindet sie alle. Das ist etwas, das auch mich auszeichnet.

Ricore: Sie haben beide sehr früh mit der Schauspielerei begonnen. Würden Sie sich als frühreif bezeichnen?

Schüle: Ich mache den Beruf jetzt schon seit zehn Jahren.

Kross: Krass.

Schüle: [schaut fragend]

Kross: Das meine ich nicht ironisch. Es ist erstaunlich...

Schüle: (lächelt). Wenn man so früh mit der Schauspielerei beginnt, ist man sehr oft mit erwachsenen Menschen konfrontiert. Ich hatte schon als Teenager enge Freundschaften mit Kollegen, die schon über 40 waren. Man muss sehr früh unterschiedliche Welten vereinen. Man übernimmt früh Verantwortung. Insofern wird man tatsächlich früh reif.

Kross: Da wir sehr früh angefangen haben zu arbeiten, mussten wir sehr früh erwachsen werden. Vor allem wenn man die Hauptrolle in einem Film spielt, übernimmt man viel Verantwortung.

Schüle: Mir ist aufgefallen, dass ich durch den Beruf einiges verpasst habe. Seitdem ich mit der Schule fertig bin, nutze ich die Zeit, um viele Dinge nachzuholen. Früher habe ich vieles versäumt, weil ich in meiner Freizeit gedreht habe.

Ricore: Was sind das für Dinge?

Schüle: Hobbys zum Beispiel. Tanzen, Musik, Freunde.

Ricore: Herr Kross, wie war das bei Ihnen?

Kross: Klar, viele Sachen, die Jugendliche gewöhnlich machen, etwa Reisen nach der Schule, konnte ich nicht machen. Ich muss aber auch sagen, dass ich das gar nicht so sehr vermisst habe. Denn durch die Schauspielerei taten sich mir viele Möglichkeiten auf, Reisen etwa oder viele interessante Menschen kennenlernen.
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Intimer Moment: David Kross & Emilia Schüle ("Boy7")
Früher Ruhm
Ricore: Sie wurden sehr früh auch mit Ruhm und Bekanntheit konfrontiert. Spürten Sie dadurch Einschränkungen?

Schüle: Ich konnte mir ein gewisses Maß an Anonymität bewahren. Berlin ist eine große Stadt. Dadurch, dass man sich für Rollen zum Teil sehr verändert, spürte ich keinerlei Veränderungen.

Kross: Emilia wird auf der Straße sicher öfters erkannt als ich...

Schüle: Wie bitte?

Kross: Ja tatsächlich. Während des Drehs zu "Boy7" ist mir was Lustiges passiert. Als wir Abends mal aus waren. kam jemand auf mich zu fragte: Hat dir schon jemand erzählt, dass du genauso aussiehst wie David Kross? (lacht).

Ricore: Was war Ihre Antwort?

Kross: 'Nein, das hat mir noch niemand erzählt.' Daraufhin hat sie mich erschrocken angeschaut und ist weitergegangen (lacht). Nein, ansonsten ich spüre auch keine Eingrenzungen wegen meines Berufs.

Ricore: Dabei sind Sie doch ein Hollywoodstar. Frau Schüle, wie empfanden Sie die Arbeit mit einem Schauspieler, der es bis in die Traumfabrik geschafft hat?

Kross: (mit wegwerfender Geste) Ach …

Schüle: Am Set hatten wir mal einen Riesen-Lachflash. Es war sehr früh, etwa vier, fünf Uhr am Morgen. Wir mussten für eine Szene etwas vorlesen und dabei eine bedeutungsschwere Miene aufsetzen. David tat so, als probe er für "Der Vorleser 2" (lacht).

Kross: Das war der einzige Hollywood-Moment, den ich hatte (lacht).

Ricore: Müssen aus der heimischen Produktion schon besondere Rollenangebote kommen, um Sie zu interessieren.

Kross: Nein, ich unterscheide nicht zwischen nationalen, internationalen und Hollywood-Filmen. Für mich war "Boy7" ein spannendes Projekt, bei dem ich unbedingt mitmachen wollte. Ich dachte bestimmt nicht, dass ich deswegen meine Hollywood-Karriere sausen lassen würde. Ich finde es schön, dass man sich in Deutschland an solche Genre-Projekte wagt. Und dass daraus kein amerikanischer Abklatsch herauskommt, sondern etwas eigenes.

Ricore: Verspüren Sie einen Erwartungsdruck, Karriere-Höhepunkte wie die Zusammenarbeit mit Steven Spielberg zu toppen?

Kross: Klar, als Schauspieler ist man abhängig von Rollen. Da bin ich keine Ausnahme, jeder Schauspieler hat das Problem. Es gab bei mir auch Zeiten, dass ich nicht so viele Rollen zur Auswahl hatte. Das ist keine leichte Zeit. Dann gibt es wiederum Phasen, in den man mit Angeboten überschüttet wird. Das gehört zum Job dazu und das macht ihn letztlich so aufregend.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 19. August 2015
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