Warner Bros
Elijah Wood ohne Ring in: Alles ist erleuchtet
Elijah Wood über sein Leben nach Frodo
Interview: Wenn nicht jetzt, wann dann?
Elijah Wood hat etwas Faszinierendes. Vielleicht sind es seine blauen Augen, mit denen er sein Gegenüber in Gesprächen zu durchdringen scheint, vielleicht ist es auch die Ehrlichkeit, die sich der 24-jährige Schauspieler trotz des Welterfolgs von "Der Herr der Ringe" bewahrt hat. Eines zumindest ist sicher: Elijah Wood hält nichts von blank geputzten PR-Gesprächen und hat auch kein Problem damit, Stellung zu beziehen. Ein Gespräch mit dem Amerikaner über das Leben nach der Saga, seinen neuen Film "Alles ist erleuchtet" und das Gefühl, zum ersten Mal selbst Wäsche zu waschen.
erschienen am 18. 12. 2005
Warner Bros
Elijah Wood ist nicht nur im Film ein nachdenklicher junger Mann
Ricore: Mr. Wood, können und wollen Sie Ihrem Ruf als Hobbit Frodo jemals wieder los werden?

Elijah Wood: Schwer einzuschätzen. Ich versuche zumindest nicht bewusst davonzulaufen. Aber dadurch, dass ich neue Filme drehe, entferne ich mich automatisch immer weiter von dieser Rolle. Und irgendwann werden die Zuschauer auch wieder jemand anderen in mir sehen als nur Frodo, da bin ich mir sicher.

Ricore: Seit " Der Herr der Ringe"...

Wood: Weil ich mich von meiner Faszination leiten lasse. Als Michel Gondry mich zum Beispiel für "Vergiss mein nicht!" haben wollte, war ich bei unserem ersten Treffen so hibbelig, dass es fast schon peinlich war. Ich bin ein großer Fan seiner Musikvideos, dass ich regelrecht davon besessen war, Teil seiner Arbeit zu werden. In solchen Momenten ist es mir völlig egal, ob eine Story bei der breiten Masse zieht oder nicht.

Ricore: Haben Sie sich bei Ihrem neuesten Projekt "Alles ist erleuchtet" absichtlich für Qualität und gegen die Kasse entschieden? Elijah

Wood: Als Schauspieler habe ich immer die Philosophie vertreten, mich mit meinen Rollen zu fordern und nie zu wiederholen. Nun ist "Der Herr der Ringe" noch immer sehr präsent in der Öffentlichkeit - und entsprechend stieg meine Bekanntheit in den letzten Jahren an. Ich hoffe, dass das nun auch einem so kleinen Film wie "Alles ist erleuchtet" nützt. Denn würde mir dieser Low-Budget-Film nicht sehr am Herzen liegen, hätte ich ihn natürlich nicht gedreht.

Ricore: Es ist schon verwunderlich, wie einfach Sie der Regieneuling Liev Schreiber verpflichten konnte...

Wood: Für mich stellt sich die Frage nach der Erfahrung nicht. Ich habe selbst noch so viel zu lernen, dass ich allein danach entscheide, ob mir die Vision einer Person liegt. Als ich mich mit Liev traf, hatte er eine sehr präzise Vorstellung davon, wie er die Story inszenieren wollte. Und das hat mich so beeindruckt, dass ich die Reise mit ihm gemeinsam machen wollte.
Warner Bros
"Jonathan sollte keinesfalls wie eine Karikatur wirken"
Ricore: Was genau fasziniert Sie an der Geschichte des jungen amerikanischen Juden Jonathan, der in Ungarn nach den Wurzeln seiner Familie sucht?

Wood: Das Drehbuch ist unglaublich charmant geschrieben. Schon beim ersten Lesen empfand ich die Charaktere als so lebhaft und schillernd, dass ich sie förmlich vor Augen sehen konnte. Und dann natürlich die herrliche Ausgangslage: Ein verschlossener Eigenbrötler landet mit all seinen Macken in einer dreckigen Karre, die er mit einem vermeintlich blinden Ukrainer, dessen Sohn und einem Hund teilen muss.

Ricore: Inwieweit basiert der Film tatsächlich auf dem Bestsellerbuch von Jonathan Safran Foer?

Wood: Liev hat der Geschichte ein Stück entnommen und sich darauf fixiert. Im Rahmen dessen liefert er seine eigene Version der Story. Ich persönlich kannte das Buch vorher gar nicht. Ich hatte es mir zwar vor den ersten Proben gekauft, dann aber doch beschlossen, es nicht zu lesen. Es hätte mich vielleicht zu sehr verwirrt oder mich zumindest wieder ein Stück weit von Lievs Version entfernt. Ich habe mich also lieber auf meinen Part konzentriert.

Ricore: Wie gehen Sie an so eine Rolle heran?

Wood: Zuerst versuchte ich, ein Mittelding zwischen Komik und Drama zu finden: Jonathan sollte keinesfalls wie eine Karikatur wirken, die sich ständig dämlich benimmt. Der Witz ergibt sich bei uns, wenn überhaupt, aus einer eigentlich dramatischen Ausgangslage. Für mich war und ist er ein ernst zunehmender Fremdling in einer realen Umgebung. Inspiriert wurde ich durch Peter Sellers' Rolle in "Willkommen, Mr. Chance". Dieser Film hat mir vor Augen geführt, wie man Ruhe und Getragenheit spannend spielen kann. Bei dieser Rolle sind kleine Nuancen unglaublich wichtig. Seine innere Reise vollzieht sich nämlich nicht unbedingt offen sichtbar.

Ricore: Sie selbst werden von Personen Ihres Umfelds auch gerne als Eigenbrötler bezeichnet. Sehen Sie das ähnlich?

Wood: In bestimmter Hinsicht schon: Ich bin seit meinem achten Lebensjahr Schauspieler und wurde sehr viel schneller erwachsen als andere Jugendliche, die eine normale Schule besuchten. Von ganz früh an erlebte ich andere Dinge, stand in ständigem Kontakt mit Erwachsenen und musste Verantwortung übernehmen. Das hat mich persönlich natürlich enorm geprägt, mich aber auch ein bisschen von meinen Gleichaltrigen isoliert.
Warner Bros
Elijah Wood will nicht nur in Blockbuster-Produktionen mitspielen
Ricore: Was macht Sie glücklich?

Wood: Ach, so vieles: Film und Musik zum Beispiel. Oder meine Familie und meine Freunde, die überhaupt das Wichtigste in meinem Leben sind. Auch Reisen macht mich glücklich - und gutes Essen, das mir auf der Zunge zergeht. Und nicht zu vergessen: viel Schlaf!

Ricore: Eine jüdische Thematik wie in "Alles ist erleuchtet" könnte bei der jungen Generation Deutschlands wieder eine oftmals diskutierte Frage aufwerfen: Wie lange sollen wir uns für das schuldig fühlen, was vor über einem halben Jahrhundert passiert ist?

Wood: In meinen Augen dürfen wir nicht vergessen, dass Vorfahren eben nur Vorfahren sind. Sie sind nicht wir! Sie mögen uns ein Stück weit definieren, aber für das, was sie getan haben, sind wir ab einem bestimmten Zeitpunkt einfach nicht mehr verantwortlich. Das gilt auch für euch Deutsche.

Ricore: Kann Schuld also verjähren?

Wood: Unsere Verantwortung beginnt in dem Moment, indem wir auf die Welt kommen. Wir können nichts für die Umstände, in die wir geboren werden. Ich weiß, dass manche auch die junge Generation Deutschlands noch verurteilen- aber in meinen Augen ist das absolut lächerlich. Natürlich verstehe ich aber, dass manche sich trotzdem noch für die Vergehen ihrer Nation schuldig fühlen. Auch wir Amerikaner müssen uns ab und an diese Frage stellen.

Ricore: Sprechen Sie von etwas Bestimmtem?

Wood: Ich kann mich erinnern, dass vor etwa fünf Jahren die farbige Bevölkerung Amerikas von der Regierung eine Entschuldigung für die Sklaverei einfordern wollte. Da habe ich mich auf gefragt, ob das wirklich seine Berechtigung besitzt. Ich verstehe und respektiere zwar einerseits den Antrieb der farbigen Bevölkerung, muss aber gleichzeitig sagen, dass das alles weit zurückliegt und wir damit nicht mehr das Geringste zu tun haben. Sehen Sie die Parallelen? Es ist hochinteressant, wie sich die Menschheit mit ihrer Geschichte auseinandersetzt und wie sie in den verschiedenen Ländern gewichtet wird.

Ricore: Sie selbst sind auch jüdischer Herkunft. Sind Sie interessiert an der Geschichte Ihrer Familie?

Wood: Ja, und mein Verlangen nach Input wird immer stärker. Ich weiß, dass ich Vorfahren in Deutschland und Polen habe und möchte dem nachgehen. Ich weiß noch nicht viel, aber das möchte ich ändern. Vielleicht mit einer ähnlichen Reise wie in diesem Film. Ich will nicht so sein wie der typische Amerikaner, der sich durch völliges Desinteresse an seiner Kultur und Geschichte auszeichnet. Unsere Nation ist vor vielen Jahren aus der ganzen Welt zusammengekommen, um etwas Neues und Eigenständiges zu erschaffen. Amerika ist ein Schmelztiegel der Kulturen - und gerade wir sind an Geschichte so desinteressiert. Das ist nicht gerade eine Eigenschaft meines Volkes, auf die ich stolz sein kann. Wenn ich um die Welt reise, habe ich fast schon das Gefühl, dass andere Völker mehr über Amerika wissen als wir selbst.
Warner Bros
Elijah Wood in: Alles ist erleuchtet
Ricore: Wie tun Sie gegen das Vergessen?

Wood: Ich hebe Dinge gerne auf, auch wenn ich bei weitem nicht so organisiert dabei bin wie Jonathan. Wann immer ich eine Erinnerung mit etwas verbinde, kann ich mich nicht davon trennen, auch wenn es nur ein Foto, ein Stein oder ein zerfetztes Stück Papier mit Notizen ist. Ich bin ab und an nämlich gerne mal sentimental.

Ricore: Ihr Elan ist offensichtlich: Angeblich starten Sie in Kürze sogar ein eigenes Musiklabel...

Wood: "Simian Records" repräsentiert nichts anderes als meine Liebe zur Musik. Seit ich denken kann, wollte ich durch irgendeine öffentliche Plattform meine tiefe Zuneigung zur Musik zeigen. Mit meinem Label möchte ich Bands, an die ich glaube, auf die Sprünge helfen. Mir geht es dabei nun wirklich nicht ums Geld - nur um die Sache an sich. Es tut mir allerdings auch persönlich sehr gut, mich noch mit etwas anderem zu beschäftigen als mit Film. Leidenschaft für eine Sache zu entwickeln und sie von Beginn an zu formen und zu erweitern gibt mir Antrieb. Ich lerne einfach gerne dazu und hieve mich auf ein neues Niveau - denn im Grunde ist das ja auch der Sinn unseres Lebens.

Ricore: In einem Ihrer nächsten Projekte spielen Sie Iggy Pop...

Wood: Mitte nächsten Jahres ist es vermutlich soweit, ja. Die Rolle macht mir so viel Angst wie selten etwas zuvor. Iggy Pop ist eines meiner Idole - und ihn zu spielen gehört für mich zu meinen bislang größten Herausforderungen.

Ricore: Wie versetzt man sich in einen Drogenjunkie, der gleichzeitig der Visionär einer ganzen Musikbewegung war?

Wood: Ich werde wohl mit Bewegungstraining starten, um seine Gestik zumindest annähernd nachahmen zu können. Und dann werde ich mir jede Menge Kilos abtrainieren müssen. Ich bin zwar an sich ein recht schlanker Typ, aber für Iggy wird es nicht reichen: Es war so abgemagert und gleichzeitig muskulös, dass ich noch die ein oder andere Hungerkur vor mir habe.

Ricore: Ihre Mutter wird sich Sorgen machen. Leben Sie noch immer gemeinsam in Santa Monica?

Wood: Nein, inzwischen bin ich ausgezogen. Ich wohne jetzt alleine in einem Haus am Venice-Beach. Bis vor kurzem hat mir meine Mutter immer die Wäsche gewaschen. Zum ersten Mal in meinem Leben kümmere ich mich jetzt selbst darum. Was für eine Offenbarung!

Ricore: Wie lebt es sich mit der neuen Art von Verantwortung?

Wood: Ich gebe mein Bestes: Auch wenn die Bäume bei mir im Garten inzwischen so ausgewachsen sind, dass die Nachbarn sich vermutlich bald beschweren werden. Da merkt man dann plötzlich, was man an seiner Mutter alles hatte. (lacht)
erschienen am 18. Dezember 2005
Zum Thema
Im zarten Alter von acht Jahren hat der in Cedar Rapids, Iowa geborene Elijah Wood seinen ersten Leinwandauftritt in "Zurück in die Zukunft II". In den folgenden Jahren ist er unter anderem in Ang Lees hochgelobtem Drama "Der Eissturm" zu sehen. Als Hobbit Frodo ergattert er im Fantasy-Epos "Der Herr der Ringe" die Hauptrolle in einem der erfolgreichsten Filme aller Zeiten. Robert Rodriguez' Comic-Verfilmung "Sin City" als brutaler Menschenfresser zu sehen und schlägt sich in "Hooligans" mit..
Schauspieler Liev Schreiber gibt mit der Verfilmung des Romans von Jonathan Safran Foer sein Regiedebüt. Er erzählt die Geschichte einer ganz besonderen Reise in die Ukraine. Der junge Jonathan (Elijah Wood) begibt sich auf die Suche nach der Frau, die im Zweiten Weltkrieg seinem Großvater das Leben rettete. Begleitet wird der Amerikaner vom Ukrainer Alex (Eugene Hutz), seinem Großvater (Boris Leskin) und dem geistigen behinderten Hund Sammy Davis, Junior, Junior.
2024