Sony Pictures
Christoph Waltz spielt in "Spectre" Oberschurke Ernst Stavro Blofeld
Der Deutsche muss der Böse sein
Interview: Christoph Waltz, Oberschurke in "Spectre"
Muss der Deutsche in britischen Filmen immer der Böse sein? Im "James-Bond"-Universum ist er jedenfalls ein gern gesehener Superschurke. Für die Engländer stelle er eine ultimative Bedrohung des britischen Königreichs dar, wie Christoph Waltz im Interview mit Ricore Text feststellt. Im 25. Bondstreifen "Spectre" spielt er - was sonst? - den schurkischen Franz Oberhauser. Es ist der wohl zwielichtigste Charakter aller zwielichtigen Gestalten der Agentenreihe. Dabei ist er doch Österreicher, aber da machen die Inselbewohner keinen Unterschied, wenn es Ihnen denn überhaupt aufgefallen ist.
erschienen am 4. 11. 2015
Sony Pictures
Daniel Craig, Monica Bellucci und Christoph Waltz auf der Pressekonferenz zu "James Bond 007: Spectre"
Düsterer Bond
Ricore Text: Herr Waltz, inwiefern unterscheidet sich Ihrer Meinung nach der aktuelle Bond-Film von den früheren?

Christoph Waltz: Es ist ein düsterer Bond. Er hat die Überschwänglichkeit von Roger Moore und den Charme und die Coolness von Sean Connery. Ich glaube, Daniel ist konzentrierter bei der Arbeit als jeder andere Bond-Darsteller.

Ricore: Auf welchen Nenner würden Sie die "Bond"-Sage bringen?

Waltz: Die Filme bilden eine Ära. Sie sind mehr als eine Serie, sie sind ein Mythos.

Ricore: Einige Szenen sind in Mexiko gedreht worden. Wie finden Sie dieses Land?

Waltz: Mexiko hat eine faszinierende Kultur. Deren Hochzeit endete gleichsam mit der Eroberung durch die Spanier. Ich frage mich, wie das Land heute aussehen würde, wenn es nicht kolonialisiert worden wäre.

Ricore: Wie wichtig ist es für Sie, das Land zu erkunden, in dem Sie drehen?

Waltz: Ich möchte mich nicht damit begnügen, hier in Mexiko in Hotels Interviews zu geben. Ich möchte das Land sehen. Wir hatten einen Führer mit uns, der ein großes Wissen hatte. Nicht nur akademisches, er wusste einfach alles. Vor einer Azteken-Statue hat er von seinen Großeltern erzählt. Das haben wir in Europa verloren. Dort dreht sich alles um einen selbst. Wir sollten die Welt für die Generationen vorbereiten, die nach uns kommen werden. Stattdessen denken wir nur an unseren eigenen Vorteil.
Sony Pictures
Superschurke Christoph Waltz tritt in "James Bond 007: Spectre" bald aus dem Schatten
Christoph Waltz: Bond muss Engländer sein
Ricore: Apropos Vorteil! Handelt Ihr Charakter in "Spectre", Franz Oberhauser, nach dem Prinzip Gewinnmaximierung?

Waltz: Nein, überhaupt nicht. Aus seinem Handeln lässt sich kein Profit schlagen. "Spectre" ist ein Familiendrama. Es ist der erste Bond-Film mit einer Familiengeschichte. In den vergangenen Jahrhunderten war das Theater der Schauplatz für Dramen von Königen, Eroberern und Göttern. Durch den Aufstieg der Bourgeoisie hat das Drama in unsere Wohnzimmer Einzug gehalten. Es geht zwar um die gleichen Themen, jedoch in einer anderen Größenordnung.

Ricore: Hätten Sie sich auch vorstellen können, James Bond zu spielen?

Waltz: Nein, Bond muss Engländer sein. Pierce Brosnan ist kein Engländer [er ist Ire; die Red.], womit das Konzept schon ein wenig gestreckt wurde. In seinem Fall machte das aber nichts, weil er den Charakter sehr authentisch spielte.

Ricore: Gewöhnen Sie sich langsam daran, als deutschsprachiger Schauspieler den Bösen zu spielen?

Waltz: Vor dem Kalten Krieg war der Bösewicht immer ein Deutscher. Es ist eine englische Sache, den Deutschen als Bösen darzustellen. In den Bond-Filmen muss der Schurke immer einen ausländischen Akzent haben. Er muss eine Bedrohung für das Königreich darstellen. Heute ist diese Denkweise weniger verbreitet. Die ältere Generation hängt aber noch immer daran, auch wenn es allmählich außer Mode gerät.
Sony Pictures
Held und Schurke Arm in Arm: Daniel Craig und Christoph Waltz
England ausländerfeindlich?
Ricore: In James-Bond-Maßstäben gerechnet, ist England also ausländerfeindlich eingestellt?

Waltz: Es gibt andere Länder, die ausländerfeindlich gesinnt sind, etwa Italien und Frankreich. Diese Leute mögen zwar nicht die Mehrheit der Gesellschaft bilden, aber sie haben die lautesten Stimmen. Es gibt eine historische Analogie, was das Ganze so beunruhigend macht: Auch die Nazis waren nicht in der Mehrheit, sie haben aber am lautesten geschrien.

Ricore: Als Sie "James Bond" drehten, was ging Ihnen durch den Kopf?

Waltz: Ich fragte mich, was man über diesen Film in 20 Jahren sagen wird. Ich hoffe, wir werden mehr darüber zu diskutieren haben, als wir es heute tun, wenn wir über die Bond-Filme von vor 20 Jahren reden. Ich bin da zuversichtlich.

Ricore: Glauben Sie, dass Ihr "James Bond" eine sozialpolitische Relevanz hat?

Waltz: Es war unser Ziel, jenseits von Action und Unterhaltung auch soziale Themen und Probleme anzusprechen. Ich hoffe, das erreichen wir.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 4. November 2015
Zum Thema
Wie toppen die Macher "James Bond 007: Skyfall", dem erfolgreichsten James-Bond-Film aller Zeiten? Man halte den Hauptdarsteller und den Regisseur und engagiere gleich mehrere attraktive Bond-Girls. Reicht das? "James Bon 007: Spectre" ist das vierte Bond-Abenteuer mit Daniel Craig und der zweite unter der Regie Sam Mendes. Nicht nur für Fans der Reihe ein Muss. Schließlich will "Spectre" tiefer in die Seele von 007 blicken, als alle Filme zuvor.
Christoph Waltz ist der österreichische Schauspieler mit dem vielleicht einprägsamsten Gesicht. In einer Schauspielerfamilie groß geworden, besucht er zunächst das Max-Reinhardt-Seminar in Wien, dann geht er nach New York, um am Lee Strasberg Theatre Institute seine Schauspielausbildung zu vollenden. Im Laufe seiner Karriere verkörpert er immer wieder Bösewichte, undurchschaubare oder unsympathische Charaktere. Seine zahlreichen Theaterengagements, Preise und Filmauftritte führen nicht zum..
2024