Weltkino Filmverleih/Sarah Del Ben
Regisseur Luc Jacquet: "Zwischen Himmel und Eis" (La glace et le ciel, 2015)
Pinguine sterben still und einsam
Interview: Luc Jacquet zu Klima-Aktivist Claude Lorius
Zur Weltklimakonferenz in Paris wird Luc Jacquett mit einer Fotoaktion auf das Sterben der Pinguine aufmerksam machen. Der französische Regisseur des Dokumentarfilms "Die Reise der Pinguine" liebt die Antarktis, in die er für "Zwischen Himmel und Eis", dem Abschlussfilm der Filmfestspiele von Cannes, erneut führt. Er porträtiert den Wissenschaftler Claude Lorius, der bewies, dass das Ewige Eis das Klimagedächtnis der Erde ist.
erschienen am 30. 11. 2015
Weltkino Filmverleih/C_Sarah del Ben
Claude Lorius forscht in der Antarktis: "Zwischen Himmel und Eis" (La glace et le ciel, 2015)
Gefühl von Freiheit in der Antarktis
Ricore Text: Sie waren gerade zwei Monate in der Antarktis. Was zog Sie erneut dorthin?

Luc Jacquet: Mich fasziniert die Landschaft des Ewigen Eises, die Stille und das Gefühl von Freiheit. Die Antarktis gehört zu den wenigen Gegenden des Planeten, in denen Neues entdeckt werden kann. Das feuert meine Neugier und meine Abenteurerlust an. Im Angesicht der eisigen Riesen fühle ich mich zudem ganz klein und auf mich zurück geworfen. Die klimatischen Bedingungen sind so extrem, dass Teamgeist gefordert ist, um zu überleben. So entstehen Freundschaften, die ich nicht missen will.

Ricore: Zu diesem Kreis gehört Claude Lorius?

Jacquet: Wir trafen uns erstmals vor vier Jahren auf einer Klimakonferenz. Wir merkten schnell, dass wir auf einer Wellenlänge liegen. Er ist ein Visionär, der den Einfluss des Menschen auf das Klima schon vor Jahrzehnten nachwies. Aber seine Warnungen wurden ignoriert. Ich baue auf seinen Erkenntnissen auf und dokumentiere die Auswirkungen der Klimaveränderungen.

Ricore: Für den Film haben Sie überwiegend mit Archivaufnahmen gearbeitet, in denen die Expeditionen von Lorius und seine wissenschaftliche Arbeit dokumentiert sind. Nach welchen Gesichtspunkten haben Sie ausgewählt?

Jacquet: Ich wollte Claudes Lebenswerk würdigen. Die ersten Bilder entdeckte ich in seinem persönlichen Archiv. Ihre Intensität haute mich um. Als Claude 1956 in die Antarktis aufbrach, suchte er ein Abenteuer. Ich konnte seinen Mut, aber auch die Entschlossenheit und die Strapazen der Männer im Film spüren. Als Wissenschaftler ahnte er bereits, dass das Eis ein Geheimnis barg. Er brauchte dann lange, um die Zusammenhänge zu entdecken und seine Theorie vom Gedächtnis des Eises zu beweisen. In den Archiven ist dieser Prozess gut dokumentiert. Die Aufnahmen sind ein wahrer Schatz.

Ricore: Mussten Sie Claude Lorius überreden, mit Ihnen nochmals in die Antarktis zu fahren?

Jacquet: Unser gemeinsamer Aufenthalt in der Antarktis ist der emotionale Höhepunkt des Films. Bei unserer Rückkehr nach Südamerika war Lorius sehr traurig. Er wusste, dass dies sein letzter Trip in die Antarktis war. Dieser besondere Moment in seinem Leben ließ auch mich nicht kalt.

Ricore: Hat Sie überrascht, dass sich Spuren der beiden Atombombenabwürfe und der Atomtests im Ewigen Eis finden lassen?

Jacquet: Es hat mich erschreckt. In der Antarktis hat man das Gefühl, dass der Rest der Welt sehr fern ist. Doch mit dem Fund der Reste der Atombomben-Ära ist klar, dass der Mensch nirgendwo vor Strahlung oder Umweltverschmutzung sicher ist. Alles hängt miteinander zusammen.
Weltkino Filmverleih/Eskwad Wild/Touch Marc Perre
Claude Lorius mit Regisseur Luc Jacquet in der Antarktis: "Zwischen Himmel und Eis" (La glace et le ciel, 2015)
Luc Jacquet: Ich versuche mein Bestes
Ricore: Wie verkraften die Pinguine die Klimaveränderung?

Jacquet: Ihnen macht der Regen zu schaffen. An ihrem Gefieder prallt das Wasser nicht ab, sie werden regelrecht durchnässt. Wenn die Temperaturen wieder unter den Gefrierpunkt rutschen, erfrieren sie. Besonders betroffen sind die Jungen. Unter ihnen stellen wir eine Sterblichkeitsrate von über 90% fest.

Ricore: Was erwarten Sie von der Klimakonferenz in Paris?

Jacquet: Einschneidende Entscheidungen. Die Zeit läuft davon, wir haben keine weitere Zeit für Spielchen. Ich hoffe, dass das dies alle Staaten begriffen haben. Wenn die Menschen die globale Erwärmung nicht stoppen, das heißt das Erwärmungsziel von max. zwei Grad schnell und verbindlich festschreiben, ist die Entwicklung irreversibel.

Ricore: Ist das Ziel der Begrenzung auf zwei Grad noch realistisch?

Jacquet: Wen wir diese Diskussion anfangen, haben wir schon verloren. Uns bleibt nichts anderes übrig als anzufangen. Wir dürfen uns nicht länger von den Skeptikern, den Bremsern und den Schwierigkeiten aufhalten lassen. Wir brauchen kleine Schritte, denen ambitionierte folgen müssen.

Ricore: Was tun Sie persönlich, damit das Ziel erreicht wird?

Jacquet: Ich versuche mein Bestes. Wenn es geht, nehme ich den Zug. Die gesellschaftlichen Umstände zwingen uns aber manchmal, gegen unsere Überzeugungen zu handeln. Auch ich besitze ein kleines Auto. Sonst wäre ich auf dem Land aufgeschmissen. Es ist schwer, das Rad zurückzudrehen und nach der Euphorie über die Flexibilität des Autos wieder praktikable Verkehrslösungen aufzubauen.

Ricore: Und sie machen weiter Filme?

Jacquet: Von meinem Aufenthalt in der Antarktis habe ich Material für mein nächstes Projekt mitgebracht. Anschließend will ich das Sterben der prachtvollen Korallenriffe dokumentieren. Ich will zeigen, dass die Warnungen vor den Folgen der Klimakatastrophe auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen und das Sterben der Umwelt eingesetzt hat. Meine Filme sind hoffentlich ein kleiner Beitrag, damit die Menschen Druck auf die verantwortlichen Politiker ausüben.
erschienen am 30. November 2015
2024