Werner Herzog Film
Werner Herzog
Auf der Suche nach der Wahrheit
Interview: Kluge Fragen von Werner Herzog
In seinem Dokumentarfilm "Lo and Behold, Reveries of the Connected World" setzt sich Werner Herzog mit der digitalisierten Welt und der Entwicklung der digitalen Technologie auseinander. Dabei sucht er nicht nach Antworten, wie er im Interview mit Filmreporter.de erklärt. Wichtiger sei für ihn, die richtigen Fragen zu stellen. Eine deutliche Antwort hat er für uns dann doch parat, nämlich auf die Frage, wovor er am meisten Angst hat.
erschienen am 1. 03. 2016
Edition Salzgeber
Werner Herzog in "The White Diamond"
Ich habe noch immer kein Handy
Ricore Text: Herr Herzog, wie ist Ihre Beziehung zur digital-vernetzten Welt?

Werner Herzog: Nun, ich habe noch immer kein Handy. Wenn ich es allenfalls in Notfällen einschalte, leuchtet es mich angesäuert an (lacht). Und es erscheint die Nachricht: Dieses Gerät war seit 52 Wochen nicht in Betrieb.

Ricore: Wie steht es mit dem Internet?

Herzog: Das nutze ich durchaus. Meine Neugierde während des Filmens hat mich weit gebracht. Das Internet wurde selbst von den kühnsten Science-Fiction-Autoren nicht vorhergesehen. Man erdachte sich fliegende Autos, aber niemand hatte das Internet auf dem Radar. Es ist eine Technik, die wesentlich für unsere Kultur und unsere Leben geworden ist. Ich bin der Meinung, dass sie den gleichen Stellenwert in der Menschheitsgeschichte hat wie die Erfindung der Schrift oder die Einführung der Elektrizität.

Ricore: Trotz dem Internet gelingt es Ihnen, Ihre Privatsphäre aus der Öffentlichkeit zu halten. Wie schaffen Sie das?

Herzog: Indem ich keine sozialen Medien benutze. Ich bin weder bei Facebook, noch bei Twitter oder anderen sozialen Plattformen angemeldet. Wenn sie einen Werner Herzog im Internet finden, dann ist das einer von tausenden Doppelgängern, die man eh nicht ausschalten kann. Mir sind die egal, ich betrachte sie als meine unbezahlten Bodyguards (lacht).

Ricore: Auch bei öffentlichen Veranstaltungen sucht man sie meist vergebens.

Herzog: Ich nehme nicht gerne an Rote-Teppich-Ereignissen, Partys oder dergleichen teil. Mein soziales Medium ist mein Küchentisch. Meine Frau und ich kochen gerne und das maximal für vier Gäste. Unser Tisch bietet nur Platz für sechs Personen.
StudioCanal Germany
Best of Werner Herzog Edition
Werner Herzog: "Wie sich die Dummheit manifestiert"
Ricore: Eine Frage in "Lo and Behold" lautet, ob das Internet Träume hat. Was ist Ihre Antwort auf die Frage der künstlichen Intelligenz?

Herzog: Im Film geht es nicht um Antworten und Schlussfolgerungen. Man sollte vorsichtig sein mit Prognosen. Wichtiger ist, Fragen zu stellen, die noch nicht gestellt wurden. Die sind manchmal wichtiger als die Antworten. Die Frage ist eine Umformulierung einer Aussage des preußischen Kriegstheoretikers Carl von Clausewitz, der den berühmten Satz sagte: 'Der Krieg träumt manchmal von sich selbst.' Träumt auch das Internet von sich selbst? Auf diese Frage kann man keine klare Antwort geben. Abgesehen davon, richtet sie sich nicht an Wissenschaftler, sondern an die Zuschauer. Damit sie das Internet auf eine abstraktere Weise betrachten. Das machen die meisten Menschen leider nicht. Kinder schicken sich heute SMS, obwohl sie auf der Schulbank zum Greifen nah nebeneinander sitzen. Was das auf einer abstrakten Ebene bedeutet, was sie da tun, darüber machen sie sich keine Gedanken.

Ricore: Wie muss man sich Sie als 'Interviewer' vorstellen? Bereiten Sie sich vor? Formulieren Sie die Fragen vor?

Herzog: Nein, ich habe niemals einen Frage-Katalog. Ich bin immer unvorbereitet und stelle keine Recherchen an. Ich bin einfach nur neugierig, intuitiv und spontan. Das ist meine Art, Filme zu machen. Der Prozess ist für mich genauso faszinierend wie das Resultat.

Ricore: Wovor haben Sie am meisten Angst?

Herzog: Dummheit.

Ricore: Und in Bezug auf das Internet?

Herzog: Wie sich die Dummheit hier manifestiert. Schauen Sie sich doch die vielen Kommentare in den Chatrooms oder den sozialen Medien an. Es ist massive, nackte Dummheit. Dummheit ist kein Phänomen des Internet, hier macht sie sich aber besonders bemerkbar.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 1. März 2016
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Werner Herzog kommt am 5. September 1942 als Werner Herzog Stipetic in München auf die Welt. Seine Kindheit verbringt er im bayrischen Sachrang. Um seine ersten Filme zu finanzieren, arbeitet er in einer Stahlfabrik. 1961 stellt Herzog im Alter von 19 Jahren seinen ersten Kurzfilm fertig. Bereits zwei Jahre später gründet er die Produktionsfirma Lebenszeichen" von 1968 erhält er den Deutschen Filmpreis in der Kategorie Bester Erstlingsfilm.Klaus Kinski hervor. Herzog dreht fünf seiner..
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