20th Century Fox
Jake Gyllenhaal in "Demolition - Lieben und Leben"
'Ich mach, was ich will'
Interview: Jake Gyllenhaals neues Selbstbewusstsein
Wie geht man mit tragischen Verlusten um? In Jean-Marc Vallées neuem Drama "Demolition - Lieben und Leben" spielt Jake Gyllenhaal einen jungen Mann, der seine Frau bei einem Autounfall verliert. Zunächst kann er keine Trauer empfinden, doch dann brechen sich diese nach und nach doch Bahn. Halt findet er bei einer Frau und ihrem psychisch labilen Sohn. Im Interview mit Filmreporter.de spricht Gyllenhaal über den Umgang mit traumatischen Erfahrungen, seinen Mentor Chris Cooper, die Zusammenarbeit mit Kindern und seine persönlichen Irrwege.
erschienen am 15. 06. 2016
20th Century Fox
Jake Gyllenhaal in "Demolition - Lieben und Leben"
Ricore Text: Mr. Gyllenhaal, wie befreiend fanden Sie die Szene, in der Sie die Möbel ihres Charakters in "Demolition - Lieben und Leben" zertrümmern durften.

Jake Gyllenhaal: Ich bin Schauspieler, machen wir das nicht regelmäßig in Hotelzimmern? (lacht). Nein, das hat Spaß gemacht. Noch mehr Spaß machte mir aber die Tatsache, dem filmischen Schöpfungsprozess beizuwohnen. Schöpfung ist schwieriger als Zerstörung. Es hat länger gedauert, das Set zu planen und bauen, als es für zwei Schauspieler gebraucht hat, es zu demolieren. Es ist besser, befriedigender und erfüllender für einen Menschen, etwas zu schaffen, als etwas zu demolieren.

Ricore: Wie gestaltete sich der Schöpfungsprozess mit Chris Cooper, mit dem Sie mehrmals vor der Kamera standen?

Gyllenhaal: Als ich das erste Mal mit Chris zusammengearbeitet habe, war ich 16 Jahre alt. Seine Schauspieltechnik hat sich bis heute nicht geändert. Ich hatte damals überhaupt keine Technik und dachte, dass ich ihm egal sei. Als wir mit der Arbeit fertig waren, erkannte ich, was für ein großes Herz er hat. Wir wurden Freunde. Sechs Jahre später haben wir in "Jarhead - Willkommen im Dreck" zusammengearbeitet, wo Chris eine kleine Rolle hatte. Wieder sechs oder sieben Jahre später sind wir bei "Demolition" zusammengekommen. Mittlerweile hatte ich meine eigene Technik und verstand es ein bisschen, ihn auf Abstand zu halten. Erfahrung führt dazu, dass man sich unnahbar macht. Schau' dir meinen Werkzeuggürtel an, ich habe auch einiges zu bieten (lacht). Im Ernst: Es ist mir immer eine Ehre mit Chris zusammenzuarbeiten. Er ist sehr einfühlsam und talentiert. Er war mir im Verlauf meiner Karriere ein guter Lehrer.

Ricore: Ihr zweiter Spielpartner in "Demolition" ist Judah Lewis. Fühlten Sie sich ihm gegenüber wiederum als Mentor?

Gyllenhaal: Ich weiß nicht, was Judah über die Zusammenarbeit mit mir dachte. Meine Einstellung zur Arbeit mit Kindern ist jedenfalls, dass ich ihnen immer folge. Weil sie immer näher dran sind an der Wahrheit. Sie handeln immer ehrlich. Wenn Kinder das Gefühl haben, einem erfahrenen Schauspieler zu folgen, dann ist das okay. Meine Regel ist aber: Passe dich an die Kinder an. Ich arbeite am liebsten mit ihnen zusammen. Denn sie hören einem zu. Judah ist einfach großartig im Film.
20th Century Fox
Demolition - Lieben und Leben
Jake Gyllenhaal: Das war komplett improvisiert!
Ricore: Eine weitere bemerkenswerte Szene in "Demolition" ist die Tanzszene. Wie kam es dazu?

Gyllenhaal: Kann man das wirklich tanzen nennen? (lacht). Das war komplett improvisiert. Jean-Marc gab mit einfach Kopfhörer in die Hand und sagte: Leg' los. Ich wusste nicht einmal, was für ein Lied gespielt wird. Ich sollte einfach tanzen. Jean-Marc zeigte mir im Vorfeld nur ein Video mit einem tanzenden Mann und sagte, ich soll ein bisschen herumprobieren und Spaß haben. Vielleicht war das auch gut so. Wenn ich Zeit gehabt hätte, mir Gedanken über die Szene zu machen, hätte ich vermutlich einen Rückzieher gemacht.

Ricore: Menschen reagieren unterschiedlich auf traumatische Ereignisse. Ihr Charakter Davis verleugnet nach dem Verlust seiner Frau zunächst seine Gefühle, bis er sie aus sich herauslässt.

Gyllenhaal: Genau das mochte ich an dieser Rolle. Als ich die erste Szene mit dem Unfall las, dachte ich: Okay, das haben wir schon ein Paar mal gesehen. Außerdem wurde mir das Projekt vorgestellt als Film über einen Mann, der seine Frau bei einem Unfall verliert. Ich dachte: Will ich, wollen die Zuschauer das noch einmal sehen? Dann wurde ich aber immer wieder überrascht. Immer wenn ich dachte, dass sich die Handlung in eine bestimmte Richtung entwickelt, kam eine interessante Wendung. Am Ende wollte ich diese Reise machen. Der Film handelt im Grunde von der Suche nach dem, was Davis lange vor dem Tod seiner Frau verloren hatte. Erst nach dem tragischen Verlust wird er gezwungen, nach seinen Gefühlen und seiner Identität zu suchen.

Ricore: Haben Sie in Ihrem beruflichen und persönlichen Leben auch Momente gehabt, in denen Sie das Gefühl hatten, den falschen Weg eingeschlagen zu haben?

Gyllenhaal: Ich hatte das Glück, dass meine Karriere sehr früh begann. Ich dachte früher zu wissen, was richtig oder falsch ist. Dabei war ich stark von der Meinung anderer geprägt. Meine Rollen-Entscheidungen traf ich nicht selten auf Grundlage dessen, ob die Menschen sie mögen würden oder nicht. Irgendwann dachte ich: Was tust du da? Ich sollte Dinge tun, die ich mag. Wenn die Leute mich deswegen nicht mögen sollten, dann sei's drum. Damit fahre ich ganz gut. (lacht)

Ricore: Nach welchen Kriterien wählen Sie Ihre Rollen?

Gyllenhaal: Es gibt mehrere. Manchmal gibt es Sachen, vor denen ich Angst habe und die ich gerade deshalb als Herausforderung empfinde. Manchmal habe ich einfach das Bedürfnis, Spaß zu haben. Nachdem man etwas Anstrengendes gemacht hat, in das man sein Herzblut gesteckt hat, möchte man einfach abschalten. Dann gibt es wiederum Geschichten, bei denen ich das Gefühl habe, dass sie erzählt werden müssen. In jedem Fall gebe ich immer mein Bestes. Ich liebe und glaube an harte Arbeit. Harte Arbeit macht oft den Unterschied. Das ist die große Lektion, die ich gelernt habe. Arbeit wiegt manchmal sogar Talent auf.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 15. Juni 2016
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