Universum Film
Catherine Frot auf der Berlinale ("Ein Kuss von Beatrice")
César-ausgezeichnete Hebamme
Interview: Catherine Frot zu "Ein Kuss von Beatrice"
Die alleinerziehende Hebamme Claire steht vor einem tiefen Einschnitt in ihrem Leben. Die Geburtsklinik, in der sie Jahrzehnte gearbeitet hat, schließt. Und ihr Sohn hat das Haus fürs Studium verlassen. In dieser emotionalen Belastungssituation taucht Beatrice (Catherine Deneuve) wieder auf - ihre langjährige Stiefmutter. Catherine Frot spielt die Hebamme in Martin Provosts "Ein Kuss von Beatrice". Zuletzt sah man die 61-jährige in der Titelrolle in "Madame Marguerite oder Die Kunst der schiefen Töne", dafür wurde sie mit einem César geehrt.
erschienen am 11. 06. 2017
Universum Film
Catherine Frot als Hebamme in "Ein Kuss von Beatrice" (La sage femme, 2017)
Lebensfreude und Liebe entdecken
Ricore Text: Regisseur Martin Provost sah sie in einem Tagtraum in dieser Rolle, er hat die Figur für sie geschrieben. Wie hoch war die Last?

Catherine Frot: Ich empfand dies weder als Bürde noch als Kompliment. Künstler brauchen solche Visionen, um zu arbeiten.

Ricore: Wie nahe ist Ihnen Hebamme Claire?

Frot: Ich führe ein völlig anderes Leben, kann sie aber verstehen. Manchmal fühlen sich Menschen wie ausgeschaltet. Claire hat immer nur gegeben. Sie hat für ihren Sohn gelebt, der sie verlässt, und für das Krankenhaus, das schließt. Nun lernt sie loszulassen, um den Leerlauf, den Frauen im Leben manchmal spüren, hinter sich zu lassen. Sie entdeckt die Lebensfreude und die Liebe wieder.

Ricore: Letztlich findet sie die Freiheit, das Leben nach Ihren Bedürfnissen zu gestalten?

Frot: Ja, in dem sie der Frau begegnet, die sich diese Freiheiten rücksichtslos genommen hat. Sie hat Béatrice dafür verurteilt und wollte nie werden wie sie. Nur die Kunst, das Kino, kann zwei so unterschiedliche Frauen gegenüber stellen und sie zu einem Punkt führen, wo beide geben und nehmen. Wie in Lafontaines Fabel "Die Grille und die Maus", die ein Ausgangspunkt des Films war. Die Grille singt den ganzen Sommer, während sich die Maus um die Vorräte kümmert. Beide müssen sich für den Winter arrangieren.

Ricore: Kann man verlorene Zeit in einer Beziehung nachholen?

Frot: Ja. Die Rückkehr von Béatrice lockert sehr schnell die entsprechenden Schrauben. Beide Frauen öffnen sich sehr schnell. Claire sieht in Béatrice eine Art Ersatzmutter. Das könnte eine Mutter-Tochter-Kiste sein. Aber letztlich geht es im Film um Mutterschaft und Traumata aus der Kindheit.
Universum Film
Catherine Frot, Martin Provost und Catherine Deneuve auf der Berlinale ("Ein Kuss von Beatrice")
Catherine Frot: Leben wie Ebbe und Flut
Ricore: Der Weggang von Béatrice hat Teenager Claire verunsichert und geprägt?

Frot: Das ist mir erst gestern aufgefallen, als ich den Film das zweite Mal gesehen habe. Vorher hatte ich nie drüber nachgedacht. Claire hat als Jugendliche mit dieser Frau sehr viele schöne Dinge erlebt, von einem auf den anderen Tag war Béatrice dann verschwunden und der Vater ist gestorben. Das hat Spuren in Claire hinterlassen. Zumal sie immer daran erinnert wird, weil der Sohn dem Vater ähnelt.

Ricore: Fängt nach der Begegnung mit Béatrice für sie ein zweites Leben an?

Frot: Nicht unbedingt. Das Leben funktioniert wie Ebbe und Flut.

Ricore: Wie haben Sie sich auf die Geburtsszenen vorbereitet?

Frot: Zuerst hatte ich keine Lust auf eine spezielle Vorbereitung, mit Schauspielerei hat das nichts mehr gemeinsam. Ich habe mich dann überreden lassen, mir gemeinsam mit Martin Provost eine Geburt anzusehen. Ich fand das so schön, wie dieser kleine Kopf aus dem Körper der Mutter kam. Es war wie ein Wunder, und ich bin wirklich nicht gläubig. Anschließend habe ich dann ein Training bei einer Hebamme absolviert, damit die Handgriffe sitzen.

Ricore: Konnten Sie auch eigene Ideen einfließen lassen?

Frot: Nein, alles war im Buch angelegt. Catherine Deneuve und ich sind Schauspielerinnen, wir haben gespielt, was uns vorgegeben war.

Ricore: Wie war die Zusammenarbeit mit Catherine Deneuve?

Frot: Es war sehr einfach, mit ihr zu arbeiten, das war in der Figur bereits angelegt. Béatrice behauptet ja, eine ungarische Prinzessin zu sein. Als junger Mensch hat Claire sie idealisiert, dann kracht sie auf ihr Niveau runter als ihre wahre Herkunft publik wird. Trotzdem hat es etwas Irreales, mit Deneuve zu spielen. Andererseits ist sie schnell genervt, wenn man ihr zu viele Komplimente macht. Das finde ich großartig.
erschienen am 11. Juni 2017
2024