Buena Vista International
Pierce Brosnan in Mord und Margaritas
Pierce Brosnan über skurrile Tresenbekanntschaften
Interview: Jeder hat Selbstzweifel
Weil Pierce Brosnan ein vierter Auftritt als James Bond verwehrt blieb, begibt sich der gebürtige Ire nun ohne Rückendeckung der britischen Krone auf geheime Mission. In der selbst produzierten, aber durchweg gelungenen Komödie "Mord und Margaritas" spielt er einen Auftragskiller, der nach Herzenslust mordet, aus Leidenschaft flucht und mit Passion unschuldige Mitbürger zu Komplizen macht. An der Bar des Hotels Inter Continental im kanadischen Toronto trafen wir den 52-Jährigen zum Gespräch.
erschienen am 22. 04. 2006
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Selbstironisch: Mr. Ex-Bond
Ricore: Mr. Brosnan, warum nehmen Sie Ihr Image mit "Matador" selbst auf die Schippe? Pierce

Brosnan: Weil ich die Story so unterhaltsam fand. Sie ist unverfroren, dreist und steckt voller Überraschungen. Nach dem ersten Lesen hatte ich ein leichtes Lächeln auf den Lippen und fühlte diese Befriedigung, die ich nicht oft empfinde.

Ricore: Sie waren sogar so begeistert, dass Sie den Low-Budget-Film als Produzent ohne Rückendeckung eines Studios gestemmt haben.

Brosnan: Der Vorteil war, dass wir dadurch tun und lassen konnten, was wir wollten. Wir konnten Wagnisse eingehen, ohne vorher um Erlaubnis zu bitten. Entsprechend haben wir versucht, diesen Film nicht in herkömmliche Schemata zu pressen.

Ricore: Kopfgeldjäger Julian Noble wirkt wie die komödiantische Version von James Bond. Würden Sie dem zustimmen?

Brosnan: Zumindest war die Schaffung eines solchen Anti-Helden nicht die ursprüngliche Idee des Drehbuchs. Erst als ich für die Rolle ins Gespräch kam, drängte sich der Vergleich natürlich auf.

Ricore: Man kennt Sie eigentlich eher aus großen Actionfilmen. Sind kleine Komödien für Sie wie Urlaub?

Brosnan: Ehrlich gesagt wollte ich mich nie auf eine bestimmte Schiene festlegen. Jeder Film, jede Wahl ist für mich einzigartig. Ich glaube, dass ich komische Rollen genauso spielen kann wie Actionhelden. Ich wollte mir in meiner Karriere schon immer alle Möglichkeiten offenlassen.
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Pierce Brosnan und Greg Kinnear
Ricore: Gedreht wurde in Mexiko City. Was war das für eine Erfahrung?

Brosnan: Es kam mir ein bisschen vor wie in Irland. Die Menschen dort haben denselben tiefen Stolz, dieselben großen Herzen und nicht zuletzt dieselbe Einstellung zur Religion wie wir Iren. Ich persönlich hatte dort eine sehr kreative Zeit. Ich habe gemalt, geschrieben und den Puls dieser quirligen Stadt in meinen Venen schlagen hören!

Ricore: Am Tresen einer Hotelbar treffen Sie, der Profikiller, auf einen unbescholtenen Bürger, für den die neue Bekanntschaft unerwartete Folgen hat...

Brosnan: ... weil Alkohol ziemlich redselig machen kann... (lacht)

Ricore: Kann man Sie in einer Hotelbar auch einfach ansprechen?

Brosnan: Ich treffe gerne neue Leute. Ich will mich nicht zu sehr vor anderen Menschen verschließen, sondern offen fürs Leben sein.

Ricore: Was war Ihre skurrilste Tresenbekanntschaft?

Brosnan: Ich habe in einer Hotelbar auch mal einen Sniper kennen gelernt. Wir kamen durch Zufall ins Gespräch und auf einmal fing er an, sich seine Sünden vom Herz zu reden. Wir wurden immer betrunkener und irgendwann legte er los: er erzählte mir von seinen Morden und wie er im Krieg Frauen und Kinder umgelegt habe. Er war eine gequälte Seele Mitte Fünfzig, der in mir offenbar eine Art Priester sah. Der Alkohol lockerte seine Zunge und er war dankbar, dass jemand zuhörte.
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Lange Pausen gegen das Burnout-Syndrom
Ricore: Und was dachten Sie?

Brosnan: Dass tief in uns ist doch jeder von Selbstzweifeln, Furcht und Einsamkeit geplagt ist.

Ricore: Wie kommen Sie mit dem einsamen Nomadenleben zurecht, das Ihr Schauspieljob zwangsläufig mit sich bringt?

Brosnan: Inzwischen habe ich es geschafft, mir und meiner Familie die nötigen Freiräume zu schaffen. Wenn ich unterwegs war, nehme ich mir danach eine Auszeit, während der ich nicht erreichbar bin. Man lernt mit dem Alter, dass man sich nicht ständig verausgaben und unterwegs sein kann. Es ist wichtig, seine Batterien zwischendurch ungestört wieder aufzuladen. Sonst endet man noch wie Julian Noble mit einem Burnout-Syndrom. (lacht)

Ricore: Hatten Sie noch nie die Schnauze voll?

Brosnan: Man hat so seine Phasen, aber die vergehen auch wieder. Meine Frau und meine Kinder geben mir Rückendeckung und Kraft. Und zuletzt darf man auch nicht vergessen, dass mein Beruf nicht der Schlimmste ist. Im Gegenteil: Er ist das reinste Vergnügen. Ehrlich gesagt kapiere ich nach all den Jahren immer noch nicht, warum ich für Schauspielerei überhaupt Geld kassiere. (lacht)
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Brosnan ist ein leidenschaftlicher Schauspieler
Ricore: Ihr Beruf ist also immer noch Leidenschaft?

Brosnan: Voll und ganz. Ich habe über die Jahre ja auch verschiedene Stufen durchlaufen. Von den Anfängen bis hin zu meiner Rolle als James Bond, die mir schlagartig internationales Ansehen bescherte. Mal sehen, was ich mit diesem Bekanntheitsgrad nun so anstelle.

Ricore: Wer entscheidet das: Sie oder Ihre Frau?

Brosnan: Ich ganz alleine. Meine Frau und mein Agent waren ja auch schon geschockt, als ich ihnen mitteilte, dass ich für Julian Nobles Rolle in einer schwarzen Unterhose durch eine Hotellobby laufe. (lacht)

Ricore: Auf Ihre vereitelte Wiederwahl als James Bond hatten Sie keinen Einfluss...

Brosnan: Dafür drehe ich als nächstes einen Western: "Seraphim Falls".

Ricore: Wenn alle Stricke reißen, bliebe ja noch eine Reality Show...

Brosnan: (lacht) Das ist vielleicht Hollywoods größtes Problem: Durch solche Formate kann heutzutage fast jeder berühmt werden! Wir Schauspieler haben den Kameras zu viel Freiraum gegeben, haben sie in unsere Häuser gelassen und ihnen zu viel von unserem Privatleben erzählt. Jetzt stehen wir mit heruntergelassenen Hosen da und wundern uns auch noch.
erschienen am 22. April 2006
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Danny Wright (Greg Kinnear) trifft in Mexiko City auf den Auftragskiller Julian Noble (Pierce Brosnan). Die sich Fremden freunden sich an und gehen gemeinsam zu einem Stierkampf. Da beide geschäftlich unterwegs sind, verläuft der Kontakt im Sande. Ein halbes Jahr später sehen sich die beiden Männer wieder. Julian befindet sich in einer lebensgefährlichen Lage. Er fleht Danny an, ihm zu helfen. Die skurrile Krimisatire über einen abgewrackten Auftragskiller lief 2005 in Sundance.
Pierce Brosnan wird 1953 im irischen Drogheda geboren. Nach ihrer Scheidung zieht seine Mutter ohne Pierce nach London. Der bleibt zunächst bei seinen Großeltern. Nach deren Tod wird er von einer Tante aufgenommen. Erst 1964 holt ihn seine Mutter wieder zu sich. Sie ist inzwischen mit dem britischen WK2-Veteranen William Carmichael verheiratet und ins schottische Longniddry gezogen. Sein Stiefvater nimmt Pierce als Elfjähriger in dessen ersten Bond-Film "James Bond 007: Goldfinger".Tennessee..
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