Love the Hard Way
Peter Sehr über den in New York gedrehten 'Love the Hard Way'
Interview: Die Freiheit der Liebe
Es ist dies sein vierter Kino-Langfilm, und nachdem er für "Love the Hard Way" den Silbernen Leoparden in Locarno erhielt und auf dem letztjährigen Sundance-Festival teilnahm, wurde Regisseur und Autor Peter Sehr zuletzt auch mit dem Bayerischen Filmpreis in der Kategorie Regie ausgezeichnet. Nach stilistisch und genretechnisch so denkbar unterschiedlichen Filmen wie der Siegfried-Lenz-Adaption "Das serbische Mädchen" (1991), dem international erfolgreichen "Kaspar Hauser" (1993), und zuletzt der bei deutscher Kritik und deutschem Publikum durchgefallenen deutsch-französischen ménage à trois "Obsession" (1996), ist nun "Love the Hard Way" zweifelsohne Sehr's schönster, emotionalster, authentischster Film.
erschienen am 23. 03. 2003
Szene aus: Love the Hard Way
Ein Film voller Kraft und Leben, ein sehr amerikanischer Independent-Film eines sehr deutschen Regisseurs, mit zwei wirklich famosen Hauptdarstellern, Adrien Brody ("Summer Of Sam", "Der Pianist") und der 21-jährigen Neuentdeckung Charlotte Ayanna. Sie spielen ein sehr ungleiches Paar, er den Kleinkriminellen Jack, sie die Studentin Claire, die in einem Kino jobt - als sie aufeinander treffen, zufällig, da ist es Liebe auf den ersten Blick. Diese Liebe aber auch zu leben, das wird durch Jacks Flucht vor Gefühlen erschwert, und durch seine "Tätigkeit". Und früher oder später muss er Claire wohl mit in die Abgründe dieser Welt ziehen. Eine bewegende New Yorker Liebesgeschichte, die an nur 33 Tagen on location gedreht wurde. "Love the Hard Way" startet am 27. März in den Kinos.

Ricore Medien: Herr Sehr, "Love the Hard Way" das ist ein Film über die große, die bedingungslose Liebe...

Peter Sehr: Wir alle wissen, dass wir ohne diesen emotionalen Teil in unserem Leben nicht richtig leben können, und dass wir deswegen auch unser Leben lang auf der Suche sind. Und wir alle haben eine Vorstellung von dem, was es sein könnte, und jeder trägt es in sich. Und manchmal ist es ja ganz erstaunlich, dass man auf einen Menschen trifft, den man zu kennen glaubt, ohne dass man weiß wer er ist. Und das ist für mich das, was auch in dem Film passiert, ein coup de foudre bei beiden.
Szene aus: Love the Hard Way
Ricore: Wobei sie ja sehr unterschiedlich sind...

Sehr: Ja, aber sie verlieben sich beide ineinander. Der große Unterschied ist, dass Jack es sich nicht eingestehen kann, dass er auf der Stelle Angst davor bekommt, und Claire aber ihrem Gefühl folgt. Sie sagt, dass ist der Mann, mit dem will ich sein. Und er reagiert in Panik, er flieht, hat panische Angst vor sich selbst, und davor, von einem Menschen emotional abhängig zu sein. Anstatt es also als einen Gewinn an Freiheit zu verstehen, glaubt er, es ist ein Verlust an Freiheit. Er hat Angst vor Nähe, Angst davor, nicht mehr autonom zu sein.

Ricore: Claires Figur scheint stärker zu sein als die von Jack.

Sehr: Was mich an der Frauen-Figur fasziniert hat, ist ihre Fähigkeit zu lieben, die sie beinahe umbringt. Aber das ist ihre große Stärke. Und im Laufe des Films kippen ja auch die Kräfteverhältnisse völlig um: Erst hat man das Gefühl, sie hängt an ihm wie an der Nadel. In dem Moment aber, wo sie anfängt, sozusagen die Spielregeln zu bestimmen, sieht man ja auch, dass er an ihr hängt.

Ricore: Claires Schwäche ist im Grunde also ihre Stärke.

Sehr: Ja, absolut. Man könnte das als Schwäche auslegen, dass man einem Menschen so verfällt, aber gleichzeitig ist das etwas, wozu Jack nicht fähig ist.
Szene aus: Love the Hard Way
Ricore: Das Ende ist dann - nach zwei Jahren Gefängnishaft Jacks - offen, aber es ist doch nicht wirklich offen...

Sehr: ...es fängt mit ihnen neu an, aber ohne dass gelogen wird, diesmal ist es authentisch, haben sie eine Basis, auf der das funktionieren kann. Vorher hat eigentlich keiner wirklich die Wahrheit gesagt, jeder hat sich etwas vorgemacht, da er den anderen nicht so sehen wollte wie er wirklich ist. Es hat vorher ein anderes Ende gegeben, das weiterging, aber das haben wir weggeschmissen, vier Szenen. Anstatt jetzt groß zu sagen, wie es weitergeht, haben wir nun diese Beiläufigkeit, mit der sie sagt, dass sie zurück ins Labor muss, und er sie ja begleiten könne. Jetzt muss er ihr mal folgen...

Ricore: Eigentlich handelt der Film von einer gegenseitigen, kathartischen Bespiegelung, auch von der Entdeckung von Abgründen.

Sehr: Ja, beide haben sie ja eine Seite in sich, die vorher nicht zum Tragen gekommen ist. Claire hat offenbar auch eine Attraktion für die dunkle Seite in sich selbst. Sie lässt sich auf Dinge ein, die sie vorher niemals getan hätte. Nicht nur, weil sie mit Jack sein will. Sondern weil sie auch irgendetwas in sich entdecken will, von dem sie weiß, es ist da. Und er nimmt sie auf diese Reise mit.

Szene aus: Love the Hard Way
Ricore: Wie kamen Sie denn auf diese doch ungewöhnliche Besetzung?

Sehr: Für Charlotte Ayanna, die Puertorikanerin ist, war das ihre erste Hauptrolle. So wie für André Eisermann der 'Kaspar Hauser' und für Heike Makatsch eigentlich auch 'Obsession'. Wir haben uns sehr viele Schauspielerinnen angesehen. Bis dann die New Yorker Casting-Direktorin mit einem Video eines Readings einer völlig unbekannten Schauspielerin kam, nur vier Minuten lang. Das war so anrührend, dass ich sie treffen wollte. Und ich hatte sie in Michael Radfords "Dancing at the Blue Iguana" gesehen, wo sie eine kleine Rolle als Striptänzerin hatte. Und während ich an dem Buch geschrieben habe, hing bei mir schon die ganze Zeit ein Foto von Adrien Brody an der Wand. Was mich an ihm fasziniert, ist sein ungewöhnliches Gesicht, und er kann sowohl das coole Arschloch als auch den sensiblen Typen spielen. Und eben Pam Grier in einer Nebenrolle als Cop sowie August Diehl als Jacks Kompagnon. Die Rolle hatte ich auch von Anfang an für Diehl geschrieben.

Ricore: Wie haben Sie den Dreh in New York empfunden?

Sehr: Es war mir weniger fremd wie in Frankreich bei 'Obsession', das ist schon komisch. Aber ich hätte diese Geschichte auch nicht in England oder Frankreich gedreht, auch wenn ich in beiden Ländern länger gelebt habe. Das ist das Besondere an New York, das es eine Stadt ist, die so kosmopolitisch ist, dass eigentlich alle dort Fremde sind.

Ricore: Die Romanvorlage stammt von einem chinesischen Autor, Wang Shuo. Spielte dort die Handlung auch in New York, oder haben Sie sie verlegt?

Sehr: Die Novelle spielt ausschließlich in Peking, und es ist schon Jahre her, dass ich es in einem französischen Raubdruck gelesen habe. Das war dann eine ziemlich komplizierte Sache, da viele seiner Geschichten dort verboten wurden. Wir - meine Co-Autorin Marie Noelle und ich - wollten es zwar für Deutschland adaptieren, aber das funktionierte nicht. Wir sind dann nach Peking zu Wang Shuo geflogen, und für ihn kam neben Peking nur Neapel oder New York in Frage. Bei der letzten Drehbuch-Fassung hat uns übrigens Barry Gifford, der Autor der David-Lynch-Filme 'Wild at Heart' und 'Lost Highway', geholfen und ist über die Dialoge gegangen.
erschienen am 23. März 2003
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Peter Sehr ist promovierter Biophysiker. Der 1951 geborene Hesse ist sehr weltgewandt, er verbringt seine Zeit in der Schweiz, Südamerika, England und Frankreich. In Paris macht er mehrere Regieassistenzen und findet Gefallen an der Filmbranche. Zusammen mit seiner zweiten Frau Marie Noëlle gründet er 1988 die Und nicht ein Tohuwabohu". 1991 folgt der Drama "Das serbische Mädchen". Drei Jahre später wird er für "Kaspar Hauser" beim Obsession" und "Love the Hard Way" im Jahr 2001, an denen zum..
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