Sundance Film Festival
Gemütliches Festival: Sundance 2007
Redfords Macht über die Filme
Interview: Wir setzen keine Grenzen
US-Schauspieler und Filmemacher Robert Redford (70) schaffte mit der Gründung des Sundance Filmfestivals vor 26 Jahren eine Plattform für Filmemacher fernab des Mainstreams. Heute gehört das Festival neben Cannes und Venedig zu den wichtigen Branchentreffs. Das jährlich in Park City, Utah stattfinde Festival steht für eisige Temperaturen, Schneemassen, leidenschaftliche Kinoliebhaber, durchzechte Premierennächte - und nicht zuletzt für hochkarätige Independent-Filme.
erschienen am 31. 01. 2007
Ricore: Mr. Redford, was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als Sie das diesjährige Sundance-Fimfest eröffnen haben?

Robert Redford: Ich musste zwangsläufig daran denken, wie alles begonnen hat. Es war vor mehr als zwei Jahrzehnten nichts weiter als ein Versuchsballon, ein kleines Festival ohne Stars und Pressevertreter. Wir standen auf der Straße und haben per Mundpropaganda versucht, Leute ins Kino zu locken. Gerade weil die ersten Jahre so schwierig waren, bin ich wirklich stolz über das gigantische Interesse, das unser Festival heute auf der ganzen Welt hervorruft. Es ist ein tiefes, befriedigendes Gefühl.

Ricore: Das Internet gibt Independent-Filmen eine neue Plattform. Was macht Sundance trotzdem unentbehrlich?

Redford: Das ist eine gute Frage. Als wir das Festival gestartet haben, waren wir die einzigen, die sich ausschließlich auf Independent-Filme konzentriert haben. Damals war das eine echte Neuerung, die viele begeistert hat. Für uns war das Chance und Risiko zugleich. Denn wir waren in dieser Hinsicht zwar Vorreiter, hatten aber klare Prinzipien, nicht dem Kommerz zu verfallen. Im Gegensatz zu anderen Festivals wollten wir keinen Markt etablieren. Seitdem hat sich vieles geändert: Es sind sehr viele neue Filmfestivals aus dem Boden geschossen, wir haben viel Konkurrenz bekommen. Was uns noch besonders macht? Zum einen sind wir unseren Prinzipien nie untreu geworden. Zum anderen haben wir über die Jahre eine Organisation geschaffen, die ganzjährig tätig ist, neue Talente entdeckt, sie in Workshops fördert und versucht, ihrer Arbeit eine öffentliche Plattform zu geben. Unser Festival ist zwar ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit, aber eben nicht alles. Wir sehen uns in diesem Sinne noch immer als Vorreiter, der wichtige Trends setzt.

Ricore: Sie eröffnen das Festival in diesem Jahr zum Beispiel mit der Dokumentation "Chicago 10" über die Friedensbewegung der 68er Generation. Warum räumen Sie diesem Genre eine so große Bedeutung ein?

Redford: Gerade weil Dokumentationen normalerweise nie Eingang in den Mainstream finden. Ich halte das Genre für essentiell wichtig und bin der festen Überzeugung, dass wir ihm noch nicht genug Respekt zollen. Dies wollen wir ändern, indem wir den Fokus auf Dokumentation mit wichtigem Inhalt lenken.

Ricore: Einige Kritiker beklagen in diesem Zusammenhang, Sie würden das Festival benutzen, um Ihrer politisch liberalen Haltung eine Plattform zu verschaffen.

Redford: Behauptet man das wirklich? Wie auch immer, mich interessiert das nicht die Bohne. Wenn man mir oder dem Festival vorwirft, zu politisch zu sein, kann ich das auch nicht ändern. Vergessen Sie nicht, dass wir neuen Talenten eine Plattform geben - und dass es im Regelfall ja deren Entscheidung ist, welche politische Haltung sie mit ihrem Film einnehmen. Man kann sicherlich in meiner Arbeit erkennen, wo ich politisch stehe, aber aufzwängen tue ich diese Haltung niemandem.
United Pictures International (UIP)
Die letzte Festung
Ricore: Denken Sie, Filme können tatsächlich einen Gedankenumschwung in der Gesellschaft bewirken?

Redford: Es gab eine Zeit, in der ich durchaus dieser Meinung war. Als ich etwa 1972 "Bill McKay - Der Kandidat" gedreht habe, dachte ich, dieser mutige Film könnte Menschen wirklich zum Nachdenken anregen. Was hat sich hinsichtlich der Themen, die ich damals angesprochen habe, in den letzten 30 Jahren verändert? Rein gar nichts. Wir wählen uns unsere Politiker noch immer nach ihrem Charisma und nicht nach ihren eigentlichen Fähigkeiten. Diese Feststellung mag vielleicht ernüchternd sein, sie hindert mich aber nicht daran, es trotzdem immer wieder aufs Neue zu versuchen. Denn ich bin der festen Überzeugung, dass es trotz allem ein Publikum gibt, das sich für Filme mit Aussage interessiert. Sundance ist dafür die perfekte Plattform. Denn einer unserer Leitsätze ist, keine Grenzen zu setzen und offen zu sein für alles.

Ricore: Doch wie weit darf man dabei gehen? Die 12-jährige Dakota Fanning etwa spielt in "Hounddog" ein Vergewaltigungsopfer - ein Thema, das bei vielen nicht unbedingt auf Gegenliebe stößt...

Redford: Ich habe den Film noch nicht gesehen, bin aber der Meinung, dass man so etwas durchaus thematisieren sollte. Ich kann natürlich verstehen, dass viele mit einer solchen Thematik nichts zu tun haben wollen, sie sogar verdrängen, aber es ist doch eine Tatsache, dass solche schrecklichen Dinge immer wieder geschehen. Und es ist die Aufgabe der Kunst, so etwas zu thematisieren.

Ricore: Und was halten Sie davon, dass inzwischen sogar Pop-Ikonen wie Justin Timberlake ihren Weg ins offizielle Programm des Festivals finden?

Redford: Damit habe ich kein Problem. Egal ob Musik oder Film: Letztlich geht es doch darum, eine Geschichte zu erzählen. Gerade die Kinolandschaft vernetzt die verschiedenen Kunstbereiche in den letzten Jahren mehr und mehr - und das muss ja nicht zwangsläufig etwas schlechtes sein. Ganz im Gegenteil.

Ricore: Dennoch wirft man dem Festival in den letzten Jahren vor, dem Kommerz und Glamour zu sehr die Tür zu öffnen. Wie verträgt sich das mit dem ursprünglichen Festivalgedanken?

Redford: Es lässt sich nicht vermeiden, da all dies Dinge sind, die Erfolg und Starkult in unserem Zeitalter zwangsläufig mit sich bringen. Aber es ist auch nicht weiter schlimm: Einigen macht es Spaß, sich auf Societyparties rumzutreiben, und nicht zuletzt sollte ein Festival ja auch unterhaltsam sein. Wer sich allerdings wirklich für Independent-Filme interessiert, kann all dies außen vor lassen und sich auf unser mit Bedacht ausgewähltes Programm konzentrieren.

Ricore: Sie verlassen das Festival in diesem Jahr trotzdem bereits nach dem ersten Tag. Warum?

Redford: Ich führe Regie bei einem Film, in dem unter anderem Tom Cruise und Meryl Streep mitspielen werden. Das ließ sich zeitlich leider nicht anders regeln.

Ricore: Wird der Film eventuell nächstes Jahr in Sundance seine Premiere feiern?

Redford: Danke für den Tip, darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Das hängt wohl ganz davon ab, ob er gut wird oder nicht. Warten wir das erst mal ab, meinen Sie nicht? (lacht)
erschienen am 31. Januar 2007
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Robert Redford wird am 18. August 1936 in Santa Monica, Kalifornien als Sohn von Charles Robert Redford geboren. Nach dem Tod seiner Mutter Martha im Jahr 1955 verfällt Redford dem Alkohol. Das führt dazu, dass das Baseballtalent sein Sportstipendium an der Maverick" einen ersten Auftritt vor der Kamera. 1962 folgt sein Leinwand-Debüt mit dem Kriegsdrama "Hinter feindlichen Linien".Barfuß im Park", "Der Clou" (Butch Cassidy und Sundance Kid" ("Zwei Banditen") sowie "Der große Gatsby" zu einem..
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