Andrea Niederfriniger/Ricore Text
Antonio Banderas
Antonio Banderas steht seinen Mann
Interview: Rebell ohne Partydrang
Für einen Spanier mit südländischem Temperament geht Antonio Banderas erstaunlich ungern auf Partys. Doch wer könnte ihm dies verübeln? Für ihn bedeuten Partys Arbeit. Während der Berlinale stellte der Andalusier neben seiner neuesten Schauspielarbeit auch seine zweite Regiearbeit vor. Während "Bordertown" nicht gut bei Publikum und Kritikern ankam, erhielt "El Camino de los ingleses" lobende Kritiken. Viel Zeit hatte der müde wirkende Schauspieler nicht. Kurz nach unserem Gespräch stieg er wieder ins Flugzeug gen Heimat.
erschienen am 21. 02. 2007
Andrea Niederfriniger/Ricore Text
Antonio Banderas auf der Berlinale 2007
Ricore: Fühlen Sie sich in diesem Film als Rebell?

Antonio Banderas: Ja, gewissermaßen schon. Ich habe mich in diesem Fall dazu entschlossen, keinen kommerziellen Film zu machen. Ich glaube, das ist heutzutage eine Art "mutiges Schauspielen". Es st schon ein Unterschied, ob man einen Big Box Film macht oder ein Auge auf etwas Kleines wirft.

Ricore: Sind Sie zufrieden mit "Bordertown"?

Banderas: Nein. ...natürlich bin ich zufrieden mit "Bordertown". Ich verstehe, dass es Menschen gibt, denen er nicht gefällt. Aber lassen Sie mich das erklären. In diesem Film geht es weniger um die Filmkunst, sondern vielmehr um die menschliche Seite. Meine Teilnahme an dem Film war lange Zeit ungewiss. Als ich das Angebot bekam, war ich gerade in der Vorbereitung zu meinem eigenen Film "El Camino de los ingleses". Als mich Gregory Nava anrief, sagte ich Nein, trotz des Respekts den ich vor Menschen habe, die in diesen Verhältnissen leben. Später hat mich Jennifer angerufen und versucht, mich zu überzeugen. Auch da habe ich nein gesagt. Und glauben Sie mir, es ist sehr schwer, zu Jennifer Nein zu sagen.

Ricore: Wie kam es, dass die trotzdem zugesagt haben?

Banderas: Ich erhielt ein Paket von den Müttern jener Frauen, die ermordet wurden. Darin waren Kleidungsstücke, welche die Mädchen zum Zeitpunkt ihres Todes trugen. In einem berührenden Brief haben sie mich darum gebeten, den Film zu machen. Das war es. Ich habe nach Spanien telefoniert und die Produktion verschoben.

Ricore: Wie haben Sie sich mental auf den Film vorbereitet?

Banderas: Ich hatte nur ein paar Tage Zeit mich vorzubereiten. Obwohl "Bordertown" hier in Berlin stark kritisiert wurde, bin ich nach wie vor stolz auf den Film. Ich würde nichts daran ändern und ich würde ihn wieder machen. Deshalb ist es auch wichtig, dass Sie hier sind und ich darüber sprechen kann. Wir müssen der Welt mitteilen, was in Juárez vor sich geht. Der Film reflektiert die Ereignisse in Juárez und es ist wichtig, dass dies kommuniziert wird.

Ricore: Sie haben mir vorhin auf die Frage nach der Zufriedenheit mit "Bordertown" sehr ehrlich reagiert. Haben Sie in Hollywood manchmal Probleme, wenn Sie so ehrlich sind?

Banderas: Ja, manchmal ist das ganz schwierig. Manchmal tut es weh!
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Antonio Banderas warnt die Fotografen auf dem Roten Teppich.
Ricore: Inwiefern?

Banderas: Manchmal opfert man sein ganzes Herz und steckt viel vom eigenen Leben hinein. Man will eine bestimmte Botschaft vermitteln und die Menschen verstehen dies manchmal nicht. Manchmal macht das ganz schön aggressiv.

Ricore: Ist Ehrlichkeit in Hollywood generell gern gesehen? Mussten Sie das erst lernen, als Sie dort angekommen sind? Waren Sie früher eine ehrlichere Person?

Banderas: Nein, das hat nichts mit Hollywood zu tun. Das ist eine Frage der Zeit, ich bin ja schon 46 Jahre alt. Und soweit ich das beurteilen kann, ist Ehrlichkeit auch in Hollywood absolut notwendig. Ich bin kein Wettbewerbsmensch. So mag ich Filmfestivals nicht so gerne, sie machen aggressiv. Ich weiß aber, dass sie notwendig sind. Ich verabscheue den Wettbewerb. Natürlich brauchen sie Schauspieler, Stars, den roten Teppich, Fernsehanstalten. Aber für mich ist das Arbeit.

Ricore: Sie gehen also nicht gerne auf Partys?

Banderas: Vor kurzem hat mich jemand gefragt, wie können Sie nur auf so eine Party gehen, eine solch frivole Party, mit den mexikanischen Müttern, die ihre Töchter auf grauenvolle Weise verloren haben? Ich habe erwidert: "Welche Party? Das ist Arbeit für mich. Ich wäre viel lieber im Bett, stattdessen muss ich hier sein, Reden halten, Autogramme geben, Fragen beantworten." Ich mag diese Partys nicht. Ich mag nicht einmal ein zweites Bier trinken, nicht darauf achten müssen was passiert. Der eine trägt dies, der andere das, für mich ist das pure Arbeit. Nein, ich Partys wirklich nicht.

Ricore: Ich habe das Gefühl, dass Sie sich im Laufe der Jahre nicht verändert haben. Natürlich haben Sie sich verändert, aber nicht zum Negativen. Sie haben keinen typischen Hollywood-Charakter.

Banderas: Es gibt Aspekte in dieser Filmindustrie, die mich nach wie vor faszinieren. Andererseits ist vieles total bizarr. Vor kurzem waren meine Frau Melanie und ich auf einer Party meiner Kollegin Penélope Cruz. Ganz Hollywood war da. Wir sind angekommen und sie haben uns einen Spiegel unters Auto gelegt. Ich wollte wissen warum sie das machen. Wir bringen doch keine Bomben mit. Das ist verrückt. Los Angeles ist wahrscheinlich der sicherste Ort der Welt, warum braucht man da so viele Menschen hinter sich? Vielleicht wenn man nach New Mexiko geht, aber doch nicht in Beverly Hills. Aber es gibt auch wunderbare Menschen in dieser Filmindustrie, wahre Künstler wie Regisseure oder Komponisten.

Ricore: Arbeiten Sie noch mit spanischen Regisseuren zusammen?

Banderas: Ich habe meine eigene Produktionsfirma in Spanien.
Falcom Media
Antonio Banderas mit Jennifer Lopez in Bordertown
Ricore: Ich weiß, aber als ein Schauspieler?

Banderas: Ich bekomme keine Anrufe. Ich glaube die denken, ich verlange zehn Millionen Dollar Gage pro Film.

Ricore: Einmal sagte Pedro Almodóvar, er habe den Eindruck, Penélope Cruz verbinde Hollywood besser mit Art-House-Filmen als Sie es tun. Hat Sie das verletzt?

Banderas: Nein, aber vor zwei Jahren kam Pedro zu mir und hat mir ein Angebot gemacht. Kurze Zeit später las ich in den Zeitungen, dass er nicht mit mir arbeiten möchte. Das ist gut, er kann mich ja anrufen, es gibt schließlich Telefone. Er hat mir damals eine Rolle in "La mala educación - Schlechte Erziehung" angeboten, aber ich habe ihm abgesagt. Nicht weil ich keinen schwulen Charakter spielen wollte. Ich habe einige Homosexuelle in meiner Karriere gespielt auch mit Pedro zusammen. Damit habe ich kein Problem. Ich würde es auch wieder tun, nur in diesem speziellen Fall nicht.

Ricore: Wie ist es für Sie, wieder in die Studios zu gehen und den neuen Teil zu "Shrek" zu synchronisieren?

Banderas: Das macht viel Spaß, es ist sehr kreativ. Nicht wie in anderen Animationsfilmen. Ich kenne mich da ein wenig aus, da meine Frau eine Rolle bei "Stuart Little" hatte. Ihr wurde jedes Wort vorgesagt. Bei "Shrek" läuft das anders. Wir hatten natürlich unsere Drehbücher und haben auch danach gesprochen, aber später wurden sie uns weggenommen. Sie forderten uns auf, uns in die Figuren hineinzufühlen. Was würden wir tun als Schauspieler. Wir mussten unsere Seele einbringen. Wir hatten einen anderen Zugang, einen anderen Ansatz, den Charakter zu entwickeln. Aber abgesehen davon, ich mag den Kater nicht, ich hab zuviel von mir davon eingebracht.

Ricore: Sind Ihre Kinder von Ihrem Beruf fasziniert?

Banderas: Nein, eigentlich nicht, denn seit sie geboren sind, sind sie damit aufgewachsen. Das ist etwas Natürliches für sie. Aber meiner Tochter hat das Theater sehr gut gefallen. Damals war sie sieben Jahre alt und hat viel Zeit dort verbracht, hat einfach nur zugeschaut und war fasziniert davon. Aber Filme interessieren sie nicht besonders.

Ricore: Es muss sehr schwierig für Sie sein, wenn Ihre Kinder wissen wollen was Sie die letzten zwei, drei Jahre gemacht haben und es Ihnen nicht zeigen können?

Banderas: Meinen Sie "Bordertown"? Meine Kleine ist ja erst sieben Jahre alt, sie wird den Film sicher nicht sehen. Aber meine 17-jährige kann ihn schon sehen und für meine 21-jährige Tochter ist das auch ok.
Andrea Niederfriniger/Ricore Text
Antonio Banderas ist mit Bordertown nicht wirklich glücklich...
Ricore: Wie geht es eigentlich Ihrer Gesangs-Karriere?

Banderas: Wunderbar!

Ricore: Wollten Sie nicht einmal ein Album veröffentlichen?

Banderas: Ich wollte es, ja, aber meine Gesangskünste beziehen sich mehr aufs Dramaturgische. In einem Film wie "Evita" oder auf einer Bühne singe ich sehr gerne. Ich hatte schon einige Angebote aber ich sehe mich selbst nicht als Sänger. Ich glaube die Leute wollen aus mir einen zweiten Ricky Martin machen, aber das will ich nicht.

Ricore: Sie hatten vor einigen Jahren bei den Oscars gesungen?

Banderas: Ja, das war schlimm. Ich erzähle Ihnen nun eine Geschichte, die eigentlich nicht viele wissen. Vor zwei Jahren sollte ich gemeinsam mit Carlos Santana bei den Oscars singen. Damals wurde ich sehr kritisiert. Aber die Geschichte ist eine andere: Ich musste auf die Bühne und hatte diesen Knopf im Ohr, damit ich das Orchester hören konnte. Das Orchester hat angefangen zu spielen aber ich konnte nur Carlos hören, der hat unglaublich laut auf seiner Gitarre gespielt. Schließlich habe ich angefangen, mit der Hand auf meinem Oberschenkel den Takt zu schlagen, um den Jungs verständlich zu machen, dass ich sie nicht höre und dass ich einen Takt benötige. Ich ging an den Rand der Bühne, um wenigsten das Orchester zu sehen. Als ich die Bühne verließ, wusste ich nicht einmal, ob ich im Takt war, geschweige denn, ob ich die Töne traf. Jemand kam auf mich zu und meinte: "Du warst gut". Ich dachte mir, vielleicht hat er es nicht bemerkt oder es war wirklich Zufall. Als ich zu Hause war und die Aufnahmen sah wäre am Liebsten im Erdboden verschwunden.

Ricore: Es war ein Alptraum?

Banderas: Noch schlimmer. Ich habe so geschwitzt, wie ich noch nie in meinem Leben geschwitzt habe.

Ricore: Herr Banderas, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Interview am 16. Februar 2007 im Regent Hotel in Berlin
erschienen am 21. Februar 2007
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Kaum jemand würde den heute umjubelten Latin Lover Antonio Banderas in seinen frühen Filmen wiedererkennen. Als 17-jähriger schwuler Teenager feiert er sein Leinwanddebüt in einem Film von Pedro Almodóvar. Laut Banderas verdankt er dem spanischen Regisseur seine gesamte Karriere. Melanie Griffith verheiratet und hat mit ihr eine Tochter namens Stella del Carmen.
Bordertown (Kinofilm)
Gregory Navas Geschichte basiert lose auf der bis heute ungeklärten Mordserie mittelamerikanischer Frauen in Ciudad Juárez Anfang der 1990er Jahre. Alle Frauen arbeiteten in Fabriken, die für die USA Elektrogeräte produzierten. Für seinen Krimi-Thriller verpflichtete Nava zahlreiche namhafte Darsteller. Unter ihnen Antonio Banderas, Jennifer Lopez und Martin Sheen. Gedreht wurde in Mexiko und Albuquerque.
2024