Universum
Regisseur Stefan Ruzowitzky
Handwerk, Unterhaltung & Caspar David Friedrich
Interview: Nicht auf KZ-Opfer reduzieren
"Die Fälscher" handelt von der größten Geldfälschungsaktion aller Zeiten. Das Unternehmen Bernhard des nationalsozialistischen Regimes hatte einzig die Schwächung der britisch-amerikanischen Wirtschaft zum Ziel. Nach dem Tatsachenbericht des KZ-Überlebenden Adolf Burger hat Regisseur Stefan Ruzowitzky die Geschichte verfilmt. Während der Berlinale 2007 empfängt uns der österreichische Filmemacher im Hilton Hotel am Gendarmenmarkt zum Gespräch. Bei einer Tasse Kaffee stellt er sich entspannt unseren Fragen.
erschienen am 1. 04. 2007
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Stefan Ruzowitzky am Set zu "Die Fälscher"
Ricore: Herr Ruzowitzky, waren Sie überrascht mit "Die Fälscher" in den Berlinale-Wettbewerb eingeladen zu werden?

Stefan Ruzowitzky: Wir haben natürlich darauf gehofft, weil der Film allein von seiner Thematik und Anordnung gute Chancen hat. Bei "Anatomie" wusste ich, dass es kein Festivalfilm ist und deshalb habe ich ihn auch nicht eingereicht. Für "Die Fälscher" konnte man dagegen eine Festivalkarriere vorausahnen. Die ganze Publizität die der Film während der Berlinale bekommt, resultiert in einem irren Medienecho. Das kommt unabhängig vom Film, vor allem durch die interessante Geschichte die dahinter steckt.

Ricore: Wie war Ihre erste Begegnung mit Adolf Burger?

Ruzowitzky: Wenn man sich mit der Geschichte auseinandersetzt, hat man natürlich eine enorme Ehrfurcht. Man darf ihn aber nicht nur auf ein KZ-Opfer reduzieren. Er ist unwahrscheinlich energiegeladen und hat einen ungeheuren Lebensmut. Das war seine Lebensversicherung in den Vernichtungslagern von Auschwitz und Sachsenhausen. Man tut gut daran, seine Geschichte in den Hintergrund zu rücken, um ihn als Person wahrzunehmen.

Ricore: Inwieweit hat er die Dreharbeiten zu "Die Fälscher" begleitet?

Ruzowitzky: Er war vor allem in die Drehbuchentwicklung involviert. Immer wieder hat er darin gelesen und einzelne Stellen kommentiert. Das war gut, weil er das beste Korrektiv ist was man sich denken konnte. Zudem habe ich einen Ehrgeiz entwickelt die Geschichte so zu erzählen, dass er damit einverstanden ist. Gerade bei einem so schweren Thema ist das sehr wichtig. Hin und wieder tauchte er auch am Set auf und zeigte sich von der Rekonstruktion begeistert.

Ricore: Wie beurteilt er den fertigen Film?

Ruzowitzky: Er ist sehr glücklich damit. Seine Lebensmission ist es, seine Geschichte zu erzählen. Jahrzehntelang hat er Schulen besucht und Vorträge gehalten. Jetzt sieht er, dass er mit "Die Fälscher" ein Massenpublikum erreicht. Das freut ihn sehr. Er hat den Film im Schneideraum das erste Mal gesehen und hat mir danach eine Flasche Schnaps geschenkt.
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Szene aus "Die Fälscher"
Ricore: Wie hat Herr Burger auf die Änderungen des Drehbuches reagiert?

Ruzowitzky: Gar nicht. Das hat mich auch gewundert. Er hat mir diesbezüglich sehr viele Freiheiten gelassen. Es sind Namen und Passagen verändert worden, aber das hat ihn nicht gestört.

Ricore: Was blieb in "Die Fälscher" unerwähnt?

Ruzowitzky: Es gibt sehr vieles, was nicht mehr im Film unterzubringen war. Beispielsweise haben die Nazis mit dem gefälschten Geld ihren besten Spion, Cicero, bezahlt. Der hat in den 1960er Jahren die Bundesrepublik Deutschland auf echtes Geld verklagt, da er damals mit Falschgeld bezahlt wurde.

Ricore: Das Filmplakat zu "Die Fälscher" erinnert an Motive von Caspar David Friedrich. Ist das gewollt?

Ruzowitzky: Es stimmt was sie sagen. Die Assoziation ist richtig und hat mich auch schon ereilt. Allerdings bin ich Regisseur und habe auf diese Dinge keinerlei Einfluss. Ich wurde nicht einmal gefragt ob es mir gefällt. Für ein Friedrich-Motiv müsste vielleicht noch ein bisschen mehr Himmel zu sehen sein.

Ricore: Welche Momente von den Dreharbeiten sind Ihnen noch in Erinnerung?

Ruzowitzky: Während der Dreharbeiten gab es zwei Momente der besonderen Ehrfurcht. Zum einen in der Szene, als sich gegen Ende des Films die KZ-Häftlinge gegenüberstehen. Als die ergreifende Einstellung im Kasten war und diese ausgemergelten Kreaturen dann ihre Müsliriegel und Handys aus der Tasche holten wurde einem schlagartig bewusst: Das ist Kino. Der andere Moment war, als die beiden letzten Überlebenden am Set waren. Da haben wir gemerkt, dass es echt ist. Was wir darstellen ist wirklich passiert, die Beiden haben es am eigenen Leib durchlebt und durchlitten.

Ricore: War es schwer, einen Tatsachenbericht filmisch aufzubereiten?

Ruzowitzky: Die Geschichte hat eine Vielzahl von bizarren Details geboten, die man sich unmöglich ausdenken kann. Wahrscheinlich würde man sich auch nicht trauen seine Fantasien in der Form aufzuschreiben. Beispielsweise ist die Operettenmusik und die Tischtennisplatte banale Realität. Es war eigentlich nur die Frage, diese Facetten dramaturgisch in eine gute Form zu bringen.
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Die Fälscher
Ricore: Wie geht das, sich nach einem thematisch schweren Thema wie "Die Fälscher" wieder anderen Projekten zu widmen?

Ruzowitzky: Da ich auch das Drehbuch geschrieben habe, war ich insgesamt drei Jahre mit dem Stoff beschäftigt. Man kann natürlich nicht die ganze Zeit durchgängig in einer Stimmung sein, die der Schwere des Themas entspricht. Es gibt irgendwann einen Punkt wo du sachliche Entscheidungen als Regisseur zu treffen hast. Wenn dann immer alle weinend zusammenbrechen funktioniert das nicht.

Ricore: Glauben Sie, dass Österreicher ein anderes Verhältnis zum Tod haben als deutsche Filmemacher?

Ruzowitzky: Weiß ich nicht. Ich bin in Deutschland aufgewachsen und fühle mich deutsch sozialisiert. Wenn es so wäre, müsste es schon in den Genen angelegt gewesen sein.

Ricore: Inwieweit darf man mit thematisch schweren Stoffen unterhalten?

Ruzowitzky: Ich kämpfe seit langem darum, dass Unterhaltung nichts Schlechtes ist, solange sie intelligent und verantwortungsbewusst ist. Ich denke, dass man über diese schreckliche Zeit berichten muss. Das ist der zentrale Gedanke vom Leben des Adolf Burger. Heutzutage muss man so etwas allerdings anders umsetzen als noch vor 20 oder 30 Jahren. Mein Kinopublikum besteht nicht mehr aus der Tätergeneration, dort sitzt ein junges Publikum. Es reicht nicht anzuklagen zu wollen, sondern ich muss Wege finden, die Geschichte dementsprechend aufzubereiten. Daraus ein emotional gutes Kinoerlebnis zu machen, finde ich legitim. Den Tätern musste man damals mit historischen Dokumentationen beikommen, Fiktion hätte sich dafür nicht geeignet.

Ricore: Muss man Filmzuschauer schockieren, um sie emotional zu erreichen?

Ruzowitzky: Ich glaube nicht. Es ist fast umgekehrt. Das Publikum kann dadurch schnell überfordert werden. Ich habe mal einen Film gesehen, der hieß "Die Grauzone" mit Harvey Keitel. Dort wurde eineinhalb Stunden gezeigt, wie jüdische Häftlinge im Krematorium die Leichen in die Öfen schieben. Dabei blieb ich als Zuschauer seltsam unberührt, weil es nicht mehr nachvollziehbar war. Diese Grausamkeit übersteigt die menschliche Psyche. Bei "Die Fälscher" hingegen hat man die Möglichkeit sich emotional in die Erzählung hineinzuversetzen. Das hat mich fasziniert und ich habe versucht das Grauen nur an einigen Stellen aufblitzen zu lassen. Den KZ-Alltag zu beschreiben, ist unmöglich.
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Kooperation um Schlimmeres zu verhindern?
Ricore: Sind Sie ein radikaler Mensch?

Ruzowitzky: Nein, nicht wirklich. Ich versuche als Mensch und Regisseur konsequent zu sein. Das bedeutet für mich, dass man ein Konzept durchzieht. Ich habe keine radikalen Ideale und Prinzipien. Ich habe zu oft Leute gesehen, die gescheitert und dann auf die gegenüberliegende Seite gekippt sind. Ich mache lieber ganz pragmatisch kleine Schritte mit Anspruch und Glauben an meine Arbeit. Aus diesem Grund laufe ich nicht Gefahr ins andere Extrem zu kippen. Ich hatte einen Freund der politisch als radikaler Linker anfing und später Panzer nach Nigeria verschifft hat. Zunächst wollte er die Welt verändern und als er merkte, dass es nicht klappt, ist ihm alles egal gewesen. Ein abschreckendes Beispiel. Beim Filmemachen ist eine gewisse Radikalität von Vorteil, denn ein Film wird dann etwas Besonderes, wenn man eine spezielle Idee bis zum Ende durchhält.

Ricore: Warum hatte Ihr Werk "Die Männer Ihrer Majestät" von 2001 keinen durchschlagenden Erfolg beim Kinopublikum?

Ruzowitzky: Als Filmemacher ist das immer ganz seltsam. Man macht einen Film wie "Anatomie" in den man sein Herzblut legt, und die Leute sehen darin nur das Positive. Dort verzeiht einem das Publikum manch einen Fehler. Bei anderen Werken wiederum sieht man nur das Schlechte und keiner bemerkt die schönen Momente. "Die Männer Ihrer Majestät" war einfach nicht stimmig. Die Geschichte hat die Zuschauer nicht interessiert, zudem konnte sich der Film nicht für ein Genre entscheiden. Kameraeinstellungen und Schauspieler waren nicht schlecht, aber das interessiert dann niemanden mehr. Es war eine Totgeburt.

Ricore: Nach welchen Gesichtspunkten wählen Sie Ihre Stoffe aus?

Ruzowitzky: Ich liebe das Handwerkliche am Filmemachen. Ich sehe mich gerne als Handwerker. Insofern ist es sehr reizvoll mich an verschiedenen Genres zu probieren. Wenn ich mir allerdings meine Filme retrospektiv angucke, dann gibt es gewisse Themen und Figurenkonstellationen die immer wiederkehren. Beispielsweise die Kontrastierung von Idealismus/ Pragmatismus, Ensemblesituationen, stake Frauentypen, Männerfreundschaften und keinerlei Beziehungsprobleme sind feste inhaltliche Elemente meiner Werke.

Ricore: Haben Sie ein neues Projekt?

Ruzowitzky: Als nächstes drehe ich einen Kinderfilm. Mehr kann ich dazu noch nicht sagen. Noch ein Film über das Dritte Reich würde mich nicht reizen. Das wäre langweilig.

Ricore: Herr Ruzowitzky, wir bedanken uns für das Gespräch.
erschienen am 1. April 2007
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