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Julia Koschitz
Julia Koschitz beim Speed-Dating
Interview: Fast immer Lampenfieber
In der Sat.1-Serie "Allein unter Bauern" ist sie als bodenständige Landärztin zu sehen. In der Komödie "Shoppen" verkörpert sie eine charmante Großstädterin, die an einem Speed-Dating teilnimmt, obwohl sie eher an die Kraft des Zufalls glaubt. In beiden Rollen - und das ist kein Zufall - macht Julia Koschitz eine gute Figur. Wir haben uns mit der Wahlmünchnerin über ihre Ziele und die Tücken der Schauspielerei unterhalten.
erschienen am 13. 05. 2007
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Begrüßungsszene in "Shoppen".
Ricore: In "Shoppen" spielst Du die Rolle der Susanna. Wie bist Du zu dieser Aufgabe gekommen?

Julia Koschitz: Ralf Westhoff hatte mich knapp ein halbes Jahr vor Drehbeginn in "München 7", eine Serie für das Bayerische Fernsehen und danach auch noch in einem Theaterstück gesehen. Er hat mich daraufhin angesprochen, das Drehbuch gegeben und gleich erzählt, welche Rolle er sich für mich gut vorstellen konnte.

Ricore: Und hast Du lange darüber nachdenken müssen, ob Du das Angebot annimmst?

Koschitz: Nein, ich wusste sofort, dass ich bei Ralfs' Film mitspielen wollte, weil mir das Buch auf Anhieb gefallen hat. Ich hatte allerdings zunächst Schwierigkeiten mit meiner Figur Susanna. Ich konnte mir schwer vorstellen, eine Frau authentisch darzustellen, die allein aufgrund ihres guten Aussehens so große Probleme mit Männern hat und die daher geradezu verzweifelt versucht, sich unattraktiv zu präsentieren, um ja nicht Typen an sich zu ziehen, die sie letztlich eh nur als potentielle Trophäe sehen.

Ricore: Welche Kriterien muss eine Rolle erfüllen, um dich zu interessieren?

Koschitz: Sie sollte widersprüchlich sein können. Nicht glatt soll sie sein, sondern ruhig auch eine geheimnisvolle, nicht sofort dechiffrierbare Seite haben.

Ricore: In "Shoppen" werden die Hauptfiguren fast ausschließlich in den Dialogen charakterisiert. Das muss eine besondere Herausforderung für einen Schauspieler sein.

Koschitz: Aufgrund der vielen Gespräche mit den unterschiedlichsten Menschen, kann man eine Menge über die jeweiligen Figuren erfahren. Susanna zum Beispiel kann sehr trocken sein und Männer schnell abblitzen lassen. Sie macht das allerdings auf eine außerordentlich freundliche Art und Weise, so dass sie dabei unangreifbar bleibt. Spannend wird es dann, wie sie reagiert, wenn sie plötzlich auf jemanden trifft, für den sie sich doch ein bisschen interessiert. In diesen Begegnungen konnte man sehr viel über die Figur erzählen.
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Susanna (Julia Koschitz) und Jens (Oliver Bürgin) bei ihrem zweiten Treffen.
Ricore: Was hat Dir am Filmprojekt "Shoppen" gefallen?

Koschitz: Wie anfangs erwähnt, hat mir das Drehbuch auf Anhieb gefallen. Ich fand die Dialoge witzig und charmant, genauso wie die verschiedenen Charaktere. Ich musste beim Lesen schon lachen, was - wie ich finde - ein gutes Zeichen ist. Darüber hinaus ist "Shoppen" unter dramaturgischen Gesichtspunkten außergewöhnlich: Der Film hat 18 Protagonisten und beschränkt sich nicht nur auf die Geschichte eines einzigen oder zumindest wenigen Speed-Datern. Das fand ich spannend.

Ricore: Könnte man Dich bei einem Speed-Dating treffen?

Koschitz: Nein. Die Vorstellung, sich konkret vorzunehmen, es zu planen, den nächsten Partner bei so einer Gelegenheit kennen zu lernen, überhaupt erst zu finden, widerstrebt mir. Ich finde es spannend, all diese Menschen auf diese Weise kennen zu lernen, aber nicht vor dem Hintergrund einen möglichen Liebespartner dort finden zu wollen.

Ricore: Verlässt Du dich lieber auf den Zufall?

Koschitz: Naja - man trifft ja immer wieder neue Menschen, lernt sie näher kennen, oder auch nicht, und dann sieht man was daraus entstehen kann. Erzwingen kann man solche Begegnungen meiner Meinung nach nicht.

Ricore: So ähnlich denkt auch Susanna. Gibt es andere Ähnlichkeiten zu Deiner Figur?

Koschitz: Ja, wahrscheinlich ihre ruhige Art, ihre Zurückhaltung und ein bisschen ihr trockener Humor. Im Lebensstil ähneln wir uns nicht wirklich - ich bin keine Veganerin wie Susanna, ich trinke gelegentlich Alkohol und rauche auch gern mal eine. Was die Selbstverstümmelung angeht, die Susanna anstrebt, reicht es mir, wenn ich ungeschminkt und im Jogginganzug aus dem Haus gehe.
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Shoppen
Ricore: Du hast fast gleichzeitig zu den Dreharbeiten zu "Shoppen" für die Sat.1-Serie "Allein unter Bauern" vor der Kamera gestanden. Wie sehr unterscheiden sich die Arbeiten am Set einer TV-Produktion von denen eines Kinofilms?

Koschitz: Es war schon anders. Hier in München war alles etwas familiärer. Viele von uns kannten sich bereits oder waren sogar miteinander befreundet. Wir haben nicht wegen des Geldes mitgemacht, sondern weil wir Lust hatten auf diesen Film. Natürlich hatte ich genauso große Lust auf "Allein unter Bauern", aber bei "Shoppen" fieberte ich fast ein bisschen mit Ralf mit, dass sein "kleiner wilder Film" wie er ihn immer nannte, auch ein Erfolg wird.

Ricore: Ist Dir eine besondere Erinnerung aus der Drehzeit präsent?

Koschitz: An einem Drehtag hat man das Prinzip Speed-Dating quasi real erlebt. Es ging um die Aufnahme des Aufeinandertreffens aller 18 Charaktere in dem Raum, in dem das Speed-Dating statt gefunden hat. Wir Darsteller haben uns ja nicht alle schon davor gekannt und so kam es zu einer sehr ähnlichen Situation wie beim "Speed-Dating" wahrscheinlich selbst - man unterhielt sich fünf bis zehn Minuten und dann ging es weiter zum nächsten. Das fand ich schon interessant, worüber man sich mit wem unterhalten hat, mit wem man gelacht hat und wie man sich selbst so verhalten hat.

Ricore: Du spielst Theater, bist in TV-Produktionen zu sehen und auch auf der Leinwand aktiv. Wo fühlst Du dich am besten aufgehoben.

Koschitz: Momentan fühle ich mich genau in dieser "Trinität" sehr gut. Ich liebe es, Theater zu spielen, komme aus dem Theater und arbeite vor allem auf der Bühne. Ich würde diesen Bereich nie aufgeben. Es macht mir aber auch sehr viel Spaß zu drehen. Hier geht es um völlig andere Anforderungen an den Darsteller. Es ist eine große Herausforderung, für beide Medien wach zu bleiben. Man kann von beiden sehr viel lernen. Darüber hinaus liebe ich es, ins Kino zu gehen.

Ricore: Manche Schauspieler haben Schwierigkeiten, sich nach getaner Arbeit auf der Leinwand zu sehen. Wie sieht es bei Dir aus? Julia

Koschitz: Ich bin mein strengster Kritiker und es ist selten ein Vergnügen, mich selbst anzuschauen. Es gibt Momente, da kann ich leben, mit dem, was ich gerade geleistet habe und natürlich gibt es Augenblicke, in denen ich alles ganz schrecklich finde und mich über mich selbst ärgere. Die eigene Meinung kann sich aber auch ändern, wenn man eine Szene mal öfter gesehen hat.
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Happy End bei Susanna und Jens.
Ricore: Es gibt Schauspieler, die ihre Tätigkeit als Beruf betrachten und es gibt berufene Schauspieler. Zu welcher Gruppe gehörst Du?

Koschitz: Jeder muss das für sich entscheiden und ich glaube, dass es auf jedem Fall berufene Schauspieler gibt. Ich bin es nicht. Das mindert keineswegs meine Liebe zu diesem Beruf, aber berufene Schauspieler, das sind für mich nur die ganz Großen.

Ricore: Wo siehst Du dich in zehn Jahren?

Koschitz: Hoffentlich in diesem Beruf! Hoffentlich mit schönen Herausforderungen, und dass die Neugierde bleibt, genauso wie die Aufgeregtheit, die ich immer wieder habe und bloß keine professionelle Abgebrühtheit.

Ricore: Aufgeregtheit klingt ein bisschen auch nach Lampenfieber.

Koschitz: Natürlich, die habe ich immer noch.

Ricore: Besonders auf der Theaterbühne vor dem Publikum?

Koschitz: Nein, auch beim Drehen. Ich hätte das nicht gedacht, aber teilweise bin ich vor der Kamera aufgeregter als im Theater. Lampenfieber habe ich fast immer. Und wenn ich sie nicht habe, dann ist das ein schlechtes Zeichen. Diese Form der Unterspannung ist nicht das Wahre. Aber zu aufgeregt zu sein, wie ich es teilweise vom Drehen kenne, ist auch nicht so gut, weil man sich dann schlichtweg schlecht konzentrieren kann.
erschienen am 13. Mai 2007
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