Jean-François Martin/Ricore Text
Diane Kruger
Diane Kruger: Einsamkeit des Jet Sets
Interview: In Deutschland fremd
Als erste Deutsche in der Geschichte des Festivals durfte Diane Kruger in Cannes die Eröffnungsgala moderieren. Doch damit nicht genug: Auch im Abschlussfilm "L'Âge des ténèbres" fällt der 30-Jährigen eine entscheidende Rolle zu. Wir sprachen mit der deutschen Schauspielhoffnung über ihr bewegtes Leben.
erschienen am 21. 05. 2007
Jean-François Martin/Ricore Text
Diane Kruger (Cannes 2007)
Ricore: Mrs. Kruger, Sie reisen seit Ihrem sechzehnten Lebensjahr als Model und Schauspielerin um die Welt, sind überall und nirgends. Fühlt man sich da nicht manchmal einsam?

Diane Kruger: Es war sogar einer der Mitgründe, warum ich das Modeln an den Nagel gehängt habe. Mich störte einfach, dass ich keinen Ort mehr hatte, den ich mein Zuhause nennen konnte. So wirklich ändern konnte ich das bis jetzt allerdings nicht. Manchmal habe ich das Gefühl, überhaupt keine Identität zu haben. Ich bin Deutsche, habe aber seit vierzehn Jahren nicht mehr in Deutschland gewohnt. Ich wohne in Frankreich, würde mich aber nicht als Französin bezeichnen. Ich halte mich sehr viel in Amerika auf, bin aber definitiv Europäerin. Die Frage ist: Wo gehöre ich nun hin?

Ricore: Was ist das Konstante in Ihrem Leben, das Sie auf den Boden der Tatsachen zurückholt?

Kruger: Mein internationaler Freundeskreis! Meine Familie ist in Deutschland, und leider sehe ich sie sehr selten. In Deutschland fühle ich mich wie eine Fremde, sogar die Sprache spreche ich inzwischen mit Akzent. Aber aus Modelzeiten habe ich mir einige sehr gute Freunde aus Paris, New York und Los Angeles bewahrt, die ich regelmäßig sehe. Wenn ich kann, sorge ich auch dafür, dass meine Freunde einen Job in meiner Nähe bekommen. Einer meiner besten Freunde ist zu einem Filmdreh in Südafrika gerade als mein Assistent mitgereist, das war großartig. Und wenn gar nichts funktioniert, gibt es ja immer noch Telefon und E-Mail.

Ricore: Nun ist Ihr Jet Set-Leben selbst gewählt. Liegt es vielleicht daran, dass Sie ein normales Leben inzwischen gar nicht mehr gewohnt sind?

Kruger: Ich bin leider sehr rastlos. Wenn ich mich länger an einem einzigen Ort aufhalte, habe ich immer das Gefühl, jetzt wieder aufbrechen zu müssen. Ich mag Amerika, aber einige Aspekte ihrer Lebensweise machen mich verrückt. Dann fliege ich nach Paris und bemerke dort, dass mir die Leute hier viel zu viel jammern. Ich will dann immer sofort wieder zurück nach Amerika! (lacht)

Ricore: Viele Deutsche beklagen sich, sie würden in der Traumfabrik nur mit billigen Klischeerollen abgespeist. Wie schaffen Sie es, diese Hürde zu überspringen?

Kruger: Indem ich hart an meinem Akzent arbeite. Denn der muss einwandfrei sein, wenn man wirklich große Rollen in der Traumfabrik abstauben möchte. "Das Vermächtnis der Tempelritter" hat mir in dieser Hinsicht sehr viel gebracht. Da durfte ich eine Amerikanerin spielen und viele Castingagenten haben gesehen, dass das funktioniert. Trotzdem stoße ich manchmal noch auf Granit und bekomme zu hören: "Diane Kruger eine Amerikanerin? Niemals."
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Diane Kruger präsentiert sich den Fotografen in Cannes (2007)
Ricore: Ist das der Grund, warum Sie regelmäßig für kleinere Produktionen nach Europa zurückkehren?

Kruger: Ich mag in Amerika inzwischen für große Blockbuster besetzt werden, aber einen großen Film lässt man mich bislang noch nicht alleine tragen. Ich mochte "Troja", aber meine Rolle war eben eher nebensächlich und auch im Vergleich zu europäischen Produktionen auch sehr statisch. In Europa dagegen darf mal auch als Schauspielerin eine tatsächliche Wandlung mitmachen. Das hilft mir, mich auszuprobieren und anschließend nach Amerika zurückzukommen und zu sagen: "Schaut her, das kann ich auch!"

Ricore: Wer war Ihr Mentor?

Kruger: Dennis Hopper! Mit ihm habe ich meinen ersten Film überhaupt gedreht. Ich kam gerade frisch von der Schauspielschule, hatte keinerlei Erfahrung. Dennis nahm mich zur Seite, erklärte mir alles und flüsterte mir zu: "Dieser Film wird ohnehin richtig schlecht werden, glaub mir. Also lass uns wenigstens Spaß haben, solange wir am Set sind." Nun, genauso ist es später dann auch gekommen. Der Film war so miserabel, dass er gleich auf DVD erschien und sogar ich mir nie mehr als zwei Minuten davon angesehen habe. Aber die Dinge, die mir Dennis beigebracht hat - die waren Gold wert.

Ricore: Zum Beispiel?

Kruger: Ganz allgemeine, aber sehr essentielle Dinge wie etwa die Tatsache, dass die Kamera dich nicht sieht, wenn du sie nicht siehst. Menschen haben das natürliche Verlangen, sich während eines emotionalen Moments von der Kamera abzuwenden. Dennis sorgt dafür, dass du dich öffnest. Er hat mir beigebracht, nicht gleich beim ersten Versuch meine volle schauspielerische Leistung zu geben, sondern in der Szene zu wachsen. Nicht zuletzt erwähnen sollte man seinen wichtigsten Ratschlag, alles ja mit einem Augenzwinkern zu sehen. Die Schauspielerei, Hollywoodstars, ein großes Filmset - das kann im ersten Moment ganz schön verunsichern. Dennis hat mir beigebracht, auf mich selbst zu hören und alles mit einer natürlichen Leichtigkeit zu nehmen.

Ricore: Sind Sie inzwischen selbstbewusster geworden?

Kruger: Zumindest mache ich mich nicht verrückt, was das ganze Schönheitsgetue in Hollywood angeht. Ich habe durch das Modeln meinen Körper sehr genau kennen gelernt und bin in dieser Hinsicht sehr selbstbewusst geworden. Ich weiß, dass ich fotogen bin, auch ohne viel Make-Up. Wenn man das weiß, kann man sehr viel gelassener zur Sache gehen.

Ricore: Welches Metier ist härter: Hollywood oder das Modelbusiness?

Kruger: Beide sind knallhart, beide haben nichts mit dem wirklichen Leben zu tun. Beide sind narzisstisch und sehr körperbewusst, und bei beiden könnte ich angesichts dieser Oberflächlichkeit manchmal kotzen. Aber es ist nun mal nicht zu ändern. Ich liebe die Schauspielerei - und dafür akzeptiert man gewisse Dinge.
erschienen am 21. Mai 2007
Zum Thema
Diane Kruger wird als Diane Heidkrüger im niedersächsischen Algermissen geboren. Als Kind macht sie die Aufnahmeprüfung für die Guillaume Canet. Die Ehe wird fünf Jahre später geschieden. Nach diversen Rollen in kleineren Filmen ist sie 2004 als Helena in Wolfgang Petersens Kriegsepos "Troja" zu sehen. Es folgen Auftritte in großen internationalen Produktionen wie "Inglourious Basterds" und "Unknown Identity". Seit 2006 ist Kruger mit dem Schauspieler Joshua Jackson liiert. Kruger pendelt..
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