Sony
Regisseur Eli Roth
Eli Roth über maßlose Brutalität
Interview: Grausamer als alle andere
Das Grauen geht in die zweite Runde: Nachdem Eli Roth in seinem Sensationserfolg "Hostel" eine Gruppe amerikanischer Jungs im slowakischen Knast foltern und vierteilen ließ, schickt er für "die Fortsetzung nun drei bildhübsche Damen ins Verderben. Selber Ort, ähnliches Konzept, anderes Geschlecht. In Cannes sprachen wir mit dem 35-jährigen Filmemacher über seine Beweggründe.
erschienen am 16. 06. 2007
Sony
Eli Roth richtet die Opfer her


Ricore: Mr. Roth, knüpft "Hostel 2" and die Geschichte des ersten Teils an?

Eli Roth: Das war die Idee! Sie könnten den Abspann des ersten Teils wegschneiden und direkt mit dem Bild der Fortsetzung weitermachen - und es wäre ein einziger Film.

Ricore: Warum eine Fortsetzung? War Ihnen der erste Teil nicht grausam genug?

Roth: Ich hatte das große Glück, mit meinem ersten Teil um die Welt reisen und die Reaktionen in den unterschiedlichen Ländern vergleichen zu können. Diesen Erfahrungen wollte ich mit einem zweiten Teil Rechnung tragen und ihn noch spezifischer auf die Wünsche und Bedürfnisse des Publikums zuschneiden.

Ricore: Was heißt das im Klartext?

Roth: Blut und Gewalt kamen auch im ersten Teil sehr gut an, mehr allerdings noch die schockierenden Szenen, in denen man nicht genau wusste, was vor sich geht. Etwa, wenn sich eine Gruppe von Mädchen in einer anderen Sprache unterhält, man nichts versteht und so eine seltsame Vorahnung bekommt. Im ersten Teil habe ich mich von asiatischem Horror inspirieren lassen, beim zweiten Teil lag mein Fokus auf italienischen Filmen. "Hostel 2" soll sich ein bisschen so anfühlen, wie die alten Schocker aus den 1970er Jahren. Und ich will damit natürlich grausamer sein als alle anderen Filme.

Ricore: Irgendwo gibt es doch auch mal eine Grenze, oder?

Roth: Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Sie befinden sich auf einem Jahrmarkt und einer Ihrer Freunde rät Ihnen von einer Achterbahn ab, weil sie so schrecklich turbulent und verstörend ist, dass Sie das ganz bestimmt nicht aushalten. Wenn sie jung und erlebnisdurstig sind, wollen Sie es gerade deshalb ausprobieren. Dasselbe Konzept verfolge ich mit meinem Film: Ich versuche so grausam zu sein, dass davon abgeraten wird, sich den Film im Kino anzusehen. Diese Tatsache lockt die Zuschauer dann aus reiner Neugier in die Kinos.

Ricore: Ganz schön ehrlich. Aber haben Sie schon mal daran gedacht, dass Furcht und Schrecken in unserer Gesellschaft inzwischen zum Alltag gehören - und man im Kino dessen überdrüssig sein könnte?

Roth: Nicht bei meinem Film. Denn ich spiele gerade mit dieser Problematik. Die Furcht der Amerikaner hat sich in den letzten Jahren gewandelt. Früher hatten wir Angst vor einem Massenmörder wie Charles Manson oder Terroristen, die unsere öffentlichen Einrichtungen in die Luft sprengen. Heute haben wir Angst vor den ganz normalen Typen, die völlig unbelastet sind und auf einmal austicken. Denken Sie nur an die zahlreichen Massaker in unseren Schulen! Das ist eine wesentlich unkalkulierbarere Gefahr als all die anderen Probleme der Vergangenheit. Also erzähle auch ich in meinem Film von stinknormalen Typen, die ins Verderben schlittern. So was kommt an. Automatisch denkt man: Oh Gott, das könnte auch mir passieren.
Hostel
Bijou Phillips
Ricore: Andere, labilere Außenseiter, denken sich vielleicht wegen Ihres Films: Toll, ich will auch mal der Starke sein und Leute töten. Was sagen Sie zu diesem Vorwurf?

Roth: Dass Gewalt so alt ist wie die Menschheit. Es ist lächerlich, Horrorfilmen vorzuwerfen, dass sie Leute dazu inspirieren würden. Im Mittelalter wurden Leute gefoltert, weil sie angeblich Hexen waren, Tausende verloren ihr Leben wegen einiger zweifelhafter Passagen in der Bibel, die andere als Rechtfertigung fürs Abschlachten sahen. So bitter es klingen mag: Gewalt gehört zu uns Menschen dazu!

Ricore: Und doch können Sie nicht verleugnen, dass Sie bestimmten Leuten durch Ihre explizite Darstellung einen Hinweis darauf geben, was man nicht alles anstellen könnte...

Roth: Ach was. Horrorfilme sind nur ein leichtes Ziel für solche Vorwürfe. Ich bin der Meinung, dass sie vielmehr einen therapeutischen Effekt haben. Ich habe etliche Briefe von im Irak stationierten Soldaten bekommen, in denen sie mir berichteten, wie irre gut "Hostel" bei der Armee dort ankommt. Da habe ich zurückgefragt: Wie könnt ihr, die tagtäglich Verstümmelung und Gewalt miterleben, euch auch noch so etwas anschauen? Die Antwort war simpel. Es ist insofern was anderes, weil es ihnen bei meinem Film erlaubt ist, Emotionen zu zeigen, zu schreien und sich zu Tode zu fürchten. Im Krieg dagegen heißt es: Abstumpfen und reagieren.

Ricore: Zwischen den Startterminen Ihrer beiden Filme liegen nur dreizehn Monate. Wie haben Sie die Fortsetzung so schnell in den Kasten bekommen?

Roth: Indem ich ohne Pause angefangen habe, am zweiten Teil zu arbeiten. Die ersten Notizen machte ich mir an dem Wochenende, an dem der erste Teil in die Kinos kam, kurz später begann ich mit dem Drehbuch. Vier Wochen später - das war im Juni letzten Jahres - stellte ich die Finanzierung auf die Beine und begann mit der Pre-Producion. Im Sommer war ich bereits am Drehen.

Ricore: Wie haben Sie es bei diesem Terminplan geschafft, auch noch für den Film "Death Proof - Todsicher" Ihres Freunds und Produzenten Quentin Tarantino als Schauspieler vor der Kamera zu stehen?

Roth: Das war ein logistischer Alptraum. Er bat mich, die Rolle zu spielen - und ich gab meine Zusage. Dann bestellte mich der Witzbold erst einmal zu einem Casting, für das ich meine Arbeit zum ersten Mal unterbrechen musste. Als ich die Rolle dann "offiziell" hatte, musste ich noch einmal für einige Tage mein eigenes Projekt im Stich lassen. Aber es hat sich gelohnt.

Ricore: Nun folgt wohl erst einmal ein Urlaub - und danach "Hostel 3"?

Roth: Das mit dem Urlaub kann ich bestätigen, das mit "Hostel 3" allerdings nicht. Ich denke, dass diese Idee mit dem zweiten Teil zu einem Ende gebracht wurde.
erschienen am 16. Juni 2007
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Hostel 2 (Kinofilm)
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