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Uhrwerk Orange - Premium Blu-ray Collection

Uhrwerk Orange - Premium Blu-ray Collection

Originaltitel
A Clockwork Orange
Regie
Stanley Kubrick
Darsteller
Malcolm McDowell, Patrick Magee, Michael Bates, Warren Clarke, John Clive, Adrienne Corri
Medium
Blu-ray
Im Handel ab
20.05.2011 bei Warner Home Video
Kinostart Deutschland
Uhrwerk Orange
Genre
Science Fiction
Land
Großbritannien
Jahr
1971
FSK
ab 16 Jahren
Länge
136 min.
IMDB
IMDB
|0  katastrophal
brillant  10|
9,0 (Filmreporter)
9,7 (3 User)
Extras: BD 1: Spielfilm • Ein Rückblick mit Malcolm McDowell: Malcolm McDowell berichtet über seine Erfahrungen bei der Arbeit mit dem legendären Regisseur Stanley Kubrick an einem der einflussreichsten Filme der 1970er-Jahre. • Wie ein Uhrwerk: Eine Analyse der "Ultra-Brutaliät" des Films und der kulturellen • Auswirkungen • Audiokommentar von Malcolm McDowell und Historiker Nick Redman • Dokumentation Es tickt noch: Die Rückkehr von Uhrwerk Orange • Große Bolshy Yarblockos!: Making-of Uhrwerk Orange • USA-Kinotrailer • BD 2: Stanley Kubrick: A Life in Pictures (produziert und inszeniert von Jan Harlan, dem Bruder von Christiane Kubrick, Stanley Kubricks Witwe). • Oh, du glücklicher Malcolm! Dokumentation über Leben und Karriere des Schauspielers Malcolm McDowell, produziert und inszeniert von Jan Harlan.
Verstörendes Meisterwerk von Stanley Kubrick
In "Uhrwerk Orange" entwirft Stanley Kubrick ein düsteres Gesellschaftsbild und schockiert mit der Darstellung extremer Gewalt sein Publikum. Im Zentrum des Geschehens steht der fünfzehnjährige Alex (Malcolm McDowell). Der asoziale Teenager zieht mit seiner Clique prügelnd und vergewaltigend durch die Stadt. Skrupellos misshandeln sie wehrlose Obdachlose, brechen in fremde Häuser ein, vergewaltigen und verprügeln deren Besitzer.

Nach einem Einbruch, bei dem eine Frau ums Leben kommt, wird Alex gefasst und landet im Gefängnis. Nach zwei Jahren Haft bekommt er eine zweite Chance. Er wird als Kandidat für eine neue Heilmethode ausgewählt. Die so genannte Ludovico-Therapie verspricht, gewalttätige Menschen zu resozialisieren und ihre gewalttätigen Triebe zu unterdrücken. Die Heilung schlägt bei Alex tatsächlich an. Sie hat zur Folge, dass ihm schlecht wird, wenn er in frühere Verhaltensmuster zurückfällt oder selbst Gewalt ausgesetzt wird. Aus dem ehemaligen Gewaltverbrecher droht selbst das Opfer einer skrupellosen Gesellschaft zu werden.
Gewalt ist in Stanley Kubricks Adaption des gleichnamigen Romans von Anthony Burgess ein durchgehendes Element. Anhand einer Gruppe extrem brutaler Jugendlicher führt der Regisseur eine Generation vor, der jedes Gefühl von Empathie und Mitleid abhanden gekommen ist. Die Bilder, die Kubrick für seine Diagnose findet, sind in ihrer Direktheit einerseits und ihrer filmischen Stilisierung andererseits schockierend und faszinierend zugleich. Wenn Alex mit seinen "Droogs", wie sich die Bandmitglieder gegenseitig nennen, vergewaltigend und prügelnd durch die Stadt zieht, wird der Zuschauer an die Grenze des Erträglichen gebracht. Dabei wirken die Gewaltmomente umso verstörender, als der Hass der Freunde selbst vor den Schwächsten und Wehrlosesten der Gesellschaft keinen Halt macht. So wird ein obdachloser alter Mann auf offener Straße auf brutalster Weise zusammengetreten, eine Frau in Gegenwart ihres Mannes im eigenen Haus gequält, gedemütigt und vergewaltigt, der Mann selbst zum Krüppel geschlagen. Es ist eine Gewalt, die keinen Zweck hat, Gewalt um ihrer selbst willen.

Ist der sadistische Akt Folge, so ist die Weltanschauung dahinter seine Ursache. Kubrick porträtiert mit den Droogs Menschen, die weder über ein Fünkchen Reflexionsfähigkeit verfügen noch an irgendwelche Werte glauben. Wenn sie Leitsätze und Vorbilder haben, dann verlieren diese ihre ursprüngliche Semantik und werden "in den Händen" der Droogs ihren Vorstellungen und Bedürfnissen gemäß zurechtgebogen. Auffällig ist, wie Kubrick und Burgess ihren Helden einen Kauderwelsch aus russischen Wörtern in den Mund legen. Da gehen "Droogs" (Freunde) in die "Korowa"-(Kuh) Bar, um "Moloko" (Milch) zu trinken und mit den "Dewotschkas" (Mädchen) "das alte Rein und Raus-Spiel" zu praktizieren - oft auch gegen ihren Willen. Sprachpartikel oder andere kulturelle "Fetzen" wie die seltsam anmutende Kleidung der Droogs (Melonen, Zylinder, Gehstöcke usw.), Kunstgegenstände oder klassische Musik sind in "Uhrwerk Orange" kulturelle Reliquien, die in der Gegenwart des Films zum Ausdruck eines zur Schau getragenen Habitus werden. Es sind Fragmente eines ehemaligen Ganzen, Fetische einer hippen und durchgestylten Welt, in der Wahrhaftigkeit und Natürlichkeit längst ihre Gültigkeit verloren haben - und die so künstlich ist wie der knietiefe See, an dem Alex seine Freunde "zur Räson" bringt.

Symptomatisch für diese Welt steht die Musik Ludwig van Beethovens, die sich wie ein Leitfaden durch den Film zieht. Immer wieder kommt Alex auf den Komponisten zurück. Er ist ihm Vorbild und Motivator zugleich. Dass der Idealist Beethoven als Musiker und Mensch geradezu das Gegenteil verkörperte, das Nihilist Alex verkörpert, kommt dem Jugendlichen nicht in den Sinn. Seine Gewaltexzesse hat er ausgerechnet beim Hören der Neunten Symphonie. Woher er aus dem Stück seine menschenverachtenden Handlungen ableitet, weiß nur er selbst. Kunst und Mythen haben in "Uhrwerk Orange" ihre ursprüngliche Konnotation eingebüßt. Sie dienen Pathos und Erregung. In dieser Welt wird in Bars exaltiert Beethoven gesungen, beginnen Jesus-Statuen, zu tanzen. Als Fenster zur Wahrheit kann man von Kunst und Religion in "Uhrwerk Orange" längst nicht mehr sprechen.

Beethoven ist nicht nur missverstandenes Kultobjekt des Protagonisten, klassische Musik wird von Kubrick überhaupt als Untermalung vieler Szenen eingesetzt - meist in Kombination mit Szenen exzessiver Gewalt. Es dominiert die Beethovens Neunte. Darüber hinaus illustriert Gioacchino Rossinis Musik die "ultragewalttätige" Massenschlägerei zu Beginn des Films. Die "Diebische Elster" des gleichen Komponisten liegt über Alex' grausamen Bestrafungsakt, nachdem seine Kumpels seinen Machtanspruch in Frage stellen. Auch klassische Beispiele der Populärkultur spielen eine Rolle. Wenn Alex und seine Bande den Schriftsteller und seine Frau misshandeln, dann singt der Anführer lauthals Gene Kellys Evergreen "I'm Singing in the Rain".

Gerade das Zusammenspiel von Gewalt und Musik brachte Kubrick von großen Teilen der Kritik den Vorwurf ein, er idealisiere und verherrliche Gewalt. Zudem gehe er nicht genug auf Distanz zur Amoral seines Protagonisten. Nicht zuletzt mit der Musikuntermalung erreiche Kubrick eine "rigorose Stilisierung der Gewalt", schreibt Peter W. Jansen (in: Ronald M. Hahn/Volker Jansen: "Kultfilme. Von "Metropolis" bis "Rocky Horror Picture Show"). Es herrsche im Film eine "musikalische Feierlichkeit". Laut Roger Ebert glorifiziere Kubrick geradezu die "Hässlichkeit seines Helden" (Chicago Sun Times 11. Februar 1972).

Tatsächlich bekommt die Gewalt durch den Einsatz diverser formaler Mittel in "Uhrwerk Orange" den Anschein des Erhabenen. Vor allem das Zusammenspiel von Musik und Gewalt zieht in den Bann und fasziniert. Verfehlt wäre es jedoch, die Faszination des Zuschauers mit der des Filmemachers gleichzusetzen. Kubrick sympathisiert nicht mit seinem Protagonisten, vielmehr hält er durch diesen dem Zuschauer einen Spiegel vor. Der Sadismus Alex' ist gar nicht so verschieden von der stillen Lust auf Gewalt des Zuschauers vor der Leinwand. "Der Zuschauer frönt ohne schlechtes Gewissen seiner ganz privaten Lust am Sadismus", schrieben Hahn und Jansen zu Recht.

Die Musik - wie alle formalen Mittel des Films - sollten nicht als Positionierung Kubricks zur Weltanschauung seiner Protagonisten gesehen werden. Sie feiert nicht die Gewalttätigkeit der Droogs, sondern spiegelt deren Erhabenheits- und Machtgefühl im Moment der Aktion. Sie kommentiert nicht, sondern macht deren Inneres sichtbar. Durch die Musik kann man als Zuschauer am Rauschgefühl Alex' im Moment der Gewaltausübung teilhaben. Gleichzeitig wird deutlich, dass die Gewalt offenbar selbst stets unter dem Eindruck der Musik geschieht. "Dann kam die Erleuchtung", so Alex in einer bezeichnenden Sequenz. "Plötzlich begriff ich, dass das Denken nur was für Bekloppte ist und dass Leute mit Gripps sowas wie Inspiration haben. (…) Die allerherrlichste Musik kam mir zu Hilfe. Denn irgendwo stand ein Fenster offen mit 'nem Stereo an. Da tscheckte ich genau, was zu tun war". Es folgt der Hieb in die Weichteile seines Freundes. Darüber tönt die Ouvertüre Rossinis. Durch die Musik wird das Geschehen nicht verherrlicht, sondern das Innere Alex's transparent, sein Rauschgefühl im Moment der Gewaltausübung offen gelegt. Diesen Rauschmoment kehrt Kubrick in seinem filmischen Bild, das eine Symbiose aus Musik und Bewegung ist, hervor.

Selten zuvor und danach in der Filmgeschichte wurde die filmische Form so radikal zur Wiedergabe der Perspektive des Helden angewandt wie in "Uhrwerk Orange". Kubrick wendet nahezu alle ihm zur Verfügung stehenden filmischen Mittel an, um die Welt aus Alex' Sicht darzustellen. Aufnahmen mit einem Weitwinkelobjektiv, eine bewegliche Handkamera, Groß- und Detailaufnahmen, eine verzerrte Tonkulisse, das futuristisch anmutende Setdesign, gedehnte und geraffte Bewegungen sind filmische Darstellungsformen einer aus den Fugen geratenen Wirklichkeit. Gegenüber dieser ausdrucksstarken Ästhetik steht - wie so oft bei Kubrick - ein schlichtes und nüchternes Farbkolorit des Bildes. Auch das dient der ästhetischen Strategie Kubricks, die Form auf den Inhalt hin auszurichten. Wo die anderen filmischen Mitteln die Welt verzerren, würde ein auffälliges Farbbild nur davon ablenken. Das im Bild Gezeigte soll sich in seiner ganzen Intensität offenbaren. Das reicht bis zu scheinbar nebensächlichen Details - etwa die grellen Lichter, die von "Uhrwerk Orange" bis hin zu der enervierenden Weihnachtsbaum-Beleuchtung in "Eyes Wide Shut" das Werk Kubricks immer wieder durchziehen und das Auge des Betrachters irritieren.

Irritation und nicht Faszination, Verstörung und nicht Motivation war Kubricks künstlerisches Anliegen in "Uhrwerk Orange". Und doch ist die weltweite Empörung angesichts Kubricks Meisterwerks durchaus nachvollziehbar. Denn der Film kann bei unreflektierter Betrachtung durchaus gefährlich sein, da die Gewalt in ihrer Wirkung allzu verführerisch wirkt.
Willy Flemmer, Filmreporter.de
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