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Nina Hoss & Katerina Lipovska in "Pelikanblut" (2019)

Pelikanblut

Aus Liebe zu meiner Tochter
Originaltitel
Pelikanblut
Alternativ
Pelikanblut - Alles für meine Tochter
Regie
Katrin Gebbe
Darsteller
Nina Hoss, Yana Marinova, Murathan Muslu, Samia Muriel Chancrin, Daniela Holtz, Sebastian Rudolph
Medium
VoD (Streaming)
Verleih ab
09.04.2021 bei DCM (Delphi Filmverleih)
Kinostart Deutschland
Pelikanblut
Genre
Drama
Land
Deutschland, Bulgarien
Jahr
2019
FSK
ab 16 Jahren
Länge
127 min.
IMDB
IMDB
|0  katastrophal
brillant  10|
7,0 (Filmreporter)
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Unbedingte Liebe zwischen Mutter und Kind?
Wiebke (Nina Hoss) ist von diversen Verletzungen des Lebens gezeichnet. So zeugt eine Narbe unter dem Auge von einer unliebsamen Begegnung mit einem Pferd. Trotzdem geht sie in ihrem Beruf als Pferdezüchterin auf. Mit großer Hingabe züchtet die Brandenburgerin Pferde für die Reiterstaffel der Polizei.

Da sich ihre 9-jährige Adoptivtochter Nicolina (Adelia-Constance Ocleppo) eine Schwester wünscht, adoptiert Wiebke die 5-Jährigen Raya (Katerina Lipovska) aus Bulgarien, die mit ihren blonden Locken wie ein kleiner Engel aussieht. Rasch gewöhnt sich das Mädchen in der fremden Umgebung ein, trotzdem zerbricht die Harmonie bald wieder. Raya fällt es schwer, Regeln zu akzeptieren, was Wiebke zunächst mit Humor nimmt. Als Raya andere Kinder beim Spielen verletzt und sie mobbt, fliegt sie aus der Kita. Und Wiebkes Freundin kommt nicht länger mit ihren Jungs zu Besuch.

Die Mutter sucht zunächst psychologische Hilfe, offenbar leidet Raya unter einer posttraumatischen Belastungsstörung aus ihrer frühen Kindheit. Weitere neurologische Untersuchungen ergeben, dass Raya durch das Erlebte bleibende Hirnschäden erlitten hat, die es ihr unmöglich machen werden, Empathie zu entwickeln. Eine Therapie scheint aussichtslos.

Wiebke muss sich entscheiden, ob sie Raya in einer Spezialklinik behandeln lässt oder sie weiter betreut. Sie entscheidet sich wie bei ihren Pferden für die eigene Fürsorge. Dabei opfert sie alles für das Kind. Ihren Beruf, den sie vernachlässigt, ihren Freund Benedikt, der ihr Verhalten missbilligt, ihre Freunde, die sie meiden. Als alles nichts hilft, vertraut sie sich gar einer Wunderheilerin an.
Wie in ihrem viel beachteten Debüt "Tore tanzt" stellt Katrin Gebbe eine Persönlichkeit mit ausgeprägten Weltverbesserungs-, bzw. Märtyrerkomplex ins Zentrum der Familiengeschichte um die unbedingten Liebe einer Mutter zu ihrem Kind. Dafür greift sie auf christliche Mythen bei der Stilisierung zurück. In der christlichen Ikonografie reißt sich der Pelikan selbst die Brust auf, um mit dem Blut seinen Jungen vor dem Tod zu retten.

Der Film funktioniert auf der individuellen Ebene, eindrucksvoll erinnert er an den Widerspruch zwischen den idealisierten Vorstellungen der aufopferungsvollen Mutter und der Realität. Wiebke gibt alles, inklusive sich selbst auf, um Raya die ersten Schritte in eine Gesellschaft zu erleichtern, in der andererseits Verzicht, Aufopferung, also Werte des christlichen Abendlandes aus der Mode gekommen sind.

Die Metapher auf die deutsche Gesellschaft ist unübersehbar. Das zeigt sich nicht zuletzt in der allgegenwärtigen Klimadebatte, in der die Vertreter der älteren Generation im Namen der Freiheit ihr Verhalten und ihre Wirtschaftsweise nicht ändern wollen, um ihren Nachkommen eine lebenswerte Umwelt zu erhalten. So stellt Gebbe auch die liberale Neudefinition des Freiheitsbegriffes in Frage und erinnert an die gute alte Tugend, dass die Freiheit immer auch die Freiheit des anderen ist.

Zugleich schlägt sie über die Adaption von Kindern aus anderen Kulturen einen Bogen zur deutschen Willkommenskultur im Herbst 2015, zum 'Wir schaffen das' von Angela Merkel, mit dem Hunderttausende Geflüchtete begrüßt wurden, die oft Schreckliches erlebt haben. Ihre Integration bleibt die Aufgabe, ihr stellt sich Wiebke mit Haut und Haar. Ihre Annahme dieses inneren Auftrages mit allen Konsequenzen wirft aber Fragen auf, die eine christliche Gesellschaft auch beantworten muss.

Leider gleitet das ruhig erzählte, ganz auf die Leistungen der Schauspieler setzende Drama um die zentralen Fragen, was es ausmacht, ein Mensch zu sein und ob wir miteinander umgehen, am Schluss doch zu einem esoterisch überhöhten Exorzismusfilms ab. Das ist schade. Aber offenbar ist heute nur so ein Happy End glaubhaft.
Katharina Dockhorn/Filmreporter.de
Story der unbedingten Liebe einer Mutter.
 
Katrin Gebbe stellt eine Persönlichkeit mit ausgeprägten Weltverbesserungskomplex ins Zentrum ihrer Familiendramas.
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Nina Hoss, Katerina Lipovska & Adelia Ocleppo in "Pelikanblut" (2019)
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