Universal
Léolo

Léolo

Originaltitel
Léolo
Regie
Jean-Claude Lauzon
Darsteller
Jacques Raymond, Louis Turcotte, Gilles Durand, Mikaël Baillairgé-Lafontaine, Salvador Giuffrida, Maria Petraglia
Kinostart:
Deutschland, am 07.01.1993 bei Prokino Filmverleih
Genre
Komödie
Land
Frankreich, Kanada
Jahr
1992
FSK
ab 16 Jahren
Länge
103 min.
IMDB
IMDB
|0  katastrophal
brillant  10|
9,0 (Filmreporter)
8,5 (2 User)
Autobiographisch inspiriertes Meisterwerk
'Ich träume, also bin ich nicht verrückt' - das ist das Motto des jungen Léolo (Maxime Collin). Der 14-jährige Teenager wächst in einer Welt auf, die der geschlossenen Anstalt eines Irrenhauses an Tristesse in nichts nachsteht. Nicht nur die seltsamen Gewohnheiten seiner Familie machen Léolo zu schaffen. So zwingt der Vater die ganze Familie regelmäßig, Abführtabletten zu schlucken, weil er gehört hat, dass regelmäßiges exzessives Scheißen elementar für die Gesundheit sei.

Durch den Stuhlgang werde jeder von seinen Unreinheiten befreit. Léolos Großvater lässt seine Gelüste an der jungen Nachbarin aus, die ihn mit ungewöhnlichen Körperpflegemaßnahmen erregt. Léolos Bruder versucht seine Ängste unter Kontrolle zu bekommen, indem er seinen Körper zu einer hirnlosen Ansammlung von Muskeln macht. Um dem grotesken Familienalltag zu entkommen, erschafft sich Léolo nicht nur eine Phantasiewelt, selbst für seine Herkunft hat er eine eigene Erklärung parat. So wurde seine Mutter durch eine importierte Tomate, auf die ein geiler Italiener onaniert hat, befruchtet. Léolo ist fest davon überzeugt, Sohn eines italienischen Bauern zu sein. Mit der Zeit wird es für ihn jedoch immer schwieriger aus dieser Traumsphäre wieder ins echte Leben zu gelangen. Kein Wunder, schließlich landet ein Familienmitglied nach dem anderen in der Psychiatrie.
In seinem autobiographisch inspirierten Meisterwerk "Léolo" verarbeitete Jean-Claude Lauzon seine Kindheit in einem der tristen Armenviertel der kanadischen Metropole Montreal. Mit Einfallsreichtum und kraftvollen Bildern schildert der er die Kindheit seines heranwachsenden Alter Egos. Geschickt kombiniert er Momente surrealer Poesie mit Augenblicken derben Realismus. Das Ergebnis ist ein gelungener Balanceakt zwischen Wunder und Alptraum, Tragik und Komik. Bei dem Zuschauer verursacht Lauzon ein Wechselbad der Gefühle und die Sicherheit, dass diese ihre Eindrücke nicht so schnell vergessen werden. Besondere Erwähnung verdient auch der Filmscore, der von tibetanischem Mönchgesang über Tom Waits' rauchigen Balladen und Gilbert Bécauds Chanson bis zu hartem Rock von den Rolling Stones reicht. Auch diese eigenwillige Zusammenstellung trägt zur Originalität von Lauzons Film bei. Seine Bildgewalt, der intelligente Subtext, die mit viel Wärme gezeichneten Figuren und der eindringliche Score - wir würden gespannt auf weitere Werke des jungen Regisseurs warten, doch der ist tragischerweise 1997 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen.
Carlo Avventi/Filmreporter.de
2024