Blindsight

Regisseurin Lucy Walker ist selbst auf einem Auge blind. Doch wie die Kinder, über die sie hier erzählt, hat auch sie nie aufgegeben und hat sich zu einer anerkannten Filmemacherin gemausert. Genau wie die Kinder hat Walker noch nie zuvor einen Berg bestiegen, man merkt ihr die Begeisterung an. "Blindsight" zeigt nicht nur eine abenteuerliche Bergbesteigung, die Dokumentation nimmt sich viel Zeit, auf die beteiligten Personen einzugehen. So erfährt man einiges über das private Leben und die Vergangenheit Sabriye Tenberken, Erik Weihenmayers und der Kinder. Vor allem für die in Tibet aufgewachsenen Teenager fehlen Mittel für medizinische Versorgung, Unterstützung und vor allem Verständnis. So ist ihr Wagemut dieses gefährliche Abenteuer auf sich zu nehmen, doppelt bewundernswert. Die erste Häfte des Films ist faszinierend und zieht den Betrachter in seinen Bann. Man will wissen, wie sich die Kinder in der Extremsituation halten werden und was aus ihnen wird. Ihr ungebrochener Wille und ihr Mut sind ansteckend. Auch die Begleiter ziehen an einem Strang. Dadurch, dass Walker ständig zwischen den Geschichten der Kinder und ihrer Helfer wechselt, kommt keine Langeweile auf. In der zweiten Hälfte wird die Besteigung selbst zum Thema. Die Schwierigkeiten des Aufstiegs, die gesundheitlichen Probleme und vor allem die Streitigkeiten der Begleiter rücken immer mehr in den Vordergrund. Walker will nicht weich zeichnen. Sie möchte die Geschichte so erzählen, wie sie sie selbst erfahren hat. Für den Zuschauer werden die Unstimmigkeiten der Erwachsenen jedoch bald genauso unerträglich und frustrierend wie für die Kinder. Der Frage ob die Expedition abgebrochen werden soll oder nicht, rückt immer mehr in den Vordergrund. Obwohl es allen um die Kinder zu gehen scheint, nehmen diese nur noch eine untergeordnete Rolle ein. "Blindsight" verliert hier die kraftvolle Intensität, die Walker am Anfang aufbaute. So sind die versöhnlichen Schlussworte nicht glaubwürdig. Irgendwo auf dem beschwerlichen Aufstieg ist etwas von der Magie auf der Strecke geblieben.