Ich will dich - Begegnungen mit Hilde Domin

"Ich will dich" ist Anna Ditges erste Kinoproduktion. Sie schrieb nicht nur das Drehbuch und führte Regie, sondern führte auch die Kamera und schnitt die Dokumentation. Das schwierige Porträt wäre sonst nicht zustande gekommen. Ditges wackelige Videokamera ist immer ganz nah dran. So nah, dass Hilde Domin sich immer wieder über deren allmächtige Präsenz und Aufdringlichkeit beschwert. Mit der Zeit wird das Gehake zwischen den beiden zu einem Spiel. Die Domin beklagt sich, die Kamera komme zu nah - Anna Ditges geht wieder ein Stück zurück. Gleichzeitig aber zoomt sie wieder direkt in das Gesicht der Dichterin und der Bildausschnitt bleibt unverändert. Diese Hartnäckigkeit ist bewundernswert und nervend zugleich. "Ich will dich" ist keine glatte oder elegante Dokumentation. Alles wirkt direkt - rau - irgendwie ungemütlich. Die digitalen Nahaufnahmen der 95-jährigen Lyrikerin zeigen gnadenlos jede Falte, jeden Altersfleck. Vielleicht verstärkt ja Domins Lebensgeschichte mit den vielen harten, schwierigen und gefährlichen Episoden diesen Eindruck. Im Mittelpunkt steht die Erinnerung an Domins 1988 verstorbenen Mann, der Dichter Erwin Walter Palm. Es ist ebenso Motor des Films wie die Domin selbst. Die Erinnerung an ihre große Liebe nährt die Dichterin. Am Anfang fragt Anna Ditges einmal, ob es Liebe auf den ersten Blick gewesen sei. Hilde Domin antwortet überraschenderweise, dass sie es nicht mehr wüsste... Ein Jahr hatte es gedauert, bis sie sich das erste Mal küssten. Mit der Zeit entstand eine Beziehung, die alles überlebte - was sie auch immer an Schicksalsschlägen zu verdauen hatte: Flucht aus Nazideutschland, Exil, Schwangerschaftsabbruch, Verlust. Ihre lyrischen Werke schrieb sie für ihn. Gegen Ende blickt Hilde Domin mit einem Lächeln in die Kamera und meint, die Gedichte seien doch noch für etwas gut gewesen. Sie brachten sie in Verbindung mit Menschen, die sie lieben könne. "Ich will dich" ist selbst ein kleines Gedicht, ein Gedicht an diese Liebe.