Film Kino Text
Das Summen der Insekten

Das Summen der Insekten

Expeditions ins Jenseits
Originaltitel
The Sound of Insects: Record of a Mummy
Alternativ
Das Summen von Insekten; Das Summen der Insekten: Bericht einer Mumie
Regie
Peter Liechti
Darsteller
Peter Mettler, Alexander Tschernek
Kinostart:
Deutschland, am 06.05.2010 bei Film Kino Text
Kinostart:
Schweiz, am 24.09.2009 bei Look Now!
Genre
Dokumentarfilm
Land
Schweiz
Jahr
2008
Länge
88 min.
IMDB
IMDB
|0  katastrophal
brillant  10|
7,0 (Filmreporter)
7,0 (1 User)
Dokumentation über einen seltsamen Selbstmord
Eine nahezu mumifizierte Männerleiche wird in einem abgelegenen Waldstück gefunden. Das beiliegende Tagebuch liefert der Polizei Aufschluss über die Umstände des Todes: der Mann, etwa 40 Jahre alt, beging im vorangegangenen Sommer Selbstmord durch Nahrungsentzug. Der Bedeutungslosigkeit seines Lebens müde, nahm er sich zum Ziel, sich "auf den Weg in eine andere Welt" zu machen. In einem Tagebuch dokumentierte er jeden Tag seines langsamen, qualvollen Verhungerns. Der körperliche Verfall ist ebenso Teil seiner Aufzeichnungen wie seine seelischen Grenzgänge und die durch seine zunehmende Schwäche bedingten Halluzinationen. Geplagt von qualvollen Magenschmerzen und schwindender Kontrolle über seine Extremitäten, wird sein Bett mit der Zeit zu einem Gefängnis. Seine Gedanken kreisen um die lang ersehnte Erlösung, um die Möglichkeit Hilfe zu suchen, ja selbst um einen Eintrag in das Guinness-Buch der Rekorde. Der Entschluss, den eigenen Tod durch Verhungern herbeizuführen, entstand aus dem Drang nach totaler Konfrontation mit der eigenen Person. Das Martyrium dieser Konfrontation endet erst nach 62 Tagen. Zu diesem Zeitpunkt ist der Selbstmörder von 75 auf 36 Kilogramm abgemagert.
Dem Schweizer Regisseur Peter Liechti gelingt eine interessante Mischung aus sachlich gehaltener Nacherzählung, surrealem Bilderchaos á la David Lynch und einem durchaus sympathischen Wegweiser für ein glückliches Leben. Er schafft es, dem Zuschauer das Tabuthema Suizid auf einfühlsame und zugleich schockierend nüchterne Weise nahe zu bringen. Subtil bezieht er den Gegensatz von gebräuchlichen, aber nur vage definierten Denkrichtungen in sein Projekt ein. Körper und Geist, Leben und Tod, Einsamkeit und Gesellschaft stehen im Zentrum seiner Betrachtung. Mit diesen arbeitet er so geschickt, dass der Zuschauer zwar richtungweisende Vorschläge erhält, sich letztlich jedoch selbst vor die Aufgabe gestellt sieht, über die Bedeutung der Formen zu urteilen. Zum einen gelingt es Liechti hierdurch, ein Postulat auf die moralische Freiheit des Geistes zu errichten und somit den Sterbenden nicht zu verurteilen. Zum anderen wirken seine Definitionen derart wegweisend, dass man sich nahezu gezwungen sieht, das Projekt als Aufforderung für das Leben zu begreifen.

Die starke Metaphorik seiner Bilder benutzt er zur Verdeutlichung des Leids. Besonders gut zeigt sich diese Umsetzung etwa in einer Notiz des Sterbenden, die beschreibt, sein Schmerz stiege nach oben. Liechti bebildert diesen Moment mit einem langsam abhebenden Flugzeug. Ebenso setzt er den aufkommenden Sinnesverlust des Sterbenden mit Hilfe eingestreuter Bilder um. Diese wirken surreal und mögen so manchen Zuschauer an David Lynch erinnern, etwa wenn ein von zwei Pappfiguren gesteuertes Motorboot durchs Bild fährt. Er liefert eine beeindruckende, psychologische Studie über den körperlichen sowie geistigen Verfall eines jungen Mannes und verwandelt dessen unvorstellbares Leid in ein erfahrbares filmisches Essay für das Leben.
Nina Klofac/Filmreporter.de
Ein junger Mann fasst den Entschluss, sich durch Nahrungsentzug in einem abgelegenen Waldstück zu töten. Akribisch dokumentiert er seinen...
 
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2024