Bildgewaltiges Endzeitkino für Anspruchsvolle
Die Erde in der nahen Zukunft: Eine neue Eiszeit hat nahezu alles Leben auf dem Planeten ausgelöscht. Die Überlebenden finden in einem Zug Schutz vor der lebensbedrohenden Kälte. Wie in die Arche Noah ist der 'Snowpiercer', der wie eine lange, stählerne Schlange durch die Eislandschaft kriecht, die Rettung der Menschheit vor dem Untergang.
Doch das Überleben der Gruppe hängt am seidenen Faden. Im Zug herrscht Chaos - jeder kämpft gegen jeden. Hier sind Strukturen entstanden, die eine Fortsetzung der Verhältnisse auf der Erde darstellen. Während die Masse der verbliebenen Menschen im hinteren Teil des Zuges ein Leben in ewiger Dunkelheit fristen, schwelgen die Reichen im vorderen Teil in verschwenderischem Luxus. Das lässt sich das Proletariat nicht länger bieten...
"Snowpiercer" basiert auf die Graphic Novel "Schneekreuzer" von
Jacques Lob,
Benjamin Legrand und
Jean-Marc Rochette. Die Entstehungsgeschichte des aufwendig produzierten Endzeit-Spektakel reicht bis ins Jahr 2005, als
Bong Joon-ho den Comic zum ersten Mal las. Fasziniert von der Geschichte über einen Zug, in dem die letzten Überlebenden einer neuen Eiszeit Zuflucht finden, beschließt der südkoreanische Regisseur, den Stoff zu verfilmen. Obwohl die Produktionsfirma
Moho Film die Filmrechte der Vorlage noch im selben Jahr erwirbt, beginnen die Dreharbeiten zum Action-Spektakel erst im November 2011 und enden im Juli 2012.
Inszenatorisch zeichnet sich "Snowpiercer" durch eine ähnlich schmutzige Ästhetik aus wie
Terry Gilliams Science-Fiction-Klassiker "
Brazil" aus dem Jahr 1985. Mit
Andrei Konchalovskys im selben Jahr entstandenen Action-Thriller "
Runaway Train" verbindet Bongs Film neben den rauen Bildern vor allem das Motiv des Zuges, der sich durch eine extreme winterliche Landschaft schlängelt. Wie das Hollywood-Debüt des russischen Regisseurs ist auch Bongs "Snowpiercer" eine Studie über den ewigen Kampf Mensch gegen Natur.
Diese thematische Grundkonstante hat Bong bereits in Filmen wie "
The Host" und dem international gefeierten Drama "
Mother" behandelt. 'Ich wollte etwas tiefer in die menschliche Natur blicken, die zum Vorschein kommt, wenn Menschen extremen Situationen ausgesetzt sind, wie es schon bei meinen vorherigen Filmen meine Intention war. Obgleich es sich um einen brutalen Serienkiller, ein Monster aus dem Hangang Fluss oder eine Mutter, die den Verstand verliert, handelt. "Schneekreuzer" ist, so kann man behaupten, mein Schicksal.'
Bong hatte gleich einen anspruchsvollen Genrefilm im Sinn. Diese Idee wurde dem Regisseur fast zum Verhängnis.
Harvey Weinstein, der die Vertriebsrechte von "Snowpiercer" in den meisten Ländern hält, hielt den Film für zu intelligent, als dass er dem breiten Publikum gefallen könne. Die Folge: Bong sollte die vielschichtige Handlung sowie die detaillierten Charakterzeichnungen straffen und die Actionpassagen hervorheben. Andernfalls würde "Snowpiercer" auf Eis gelegt. Erst nach der feierlichen Premiere des Films auf der
Berlinale stimmt der Hollywood-Mogul dem Kinostart der ungekürzten Fassung zu - mit einer kleinen Einschränkung: Der Director's Cut darf nur in ausgewählten Kinos gezeigt werden.
In Deutschland ist die lange Version von "Snowpiercer" in den Kinos zu sehen. Obwohl gegenüber der Handlungsanweisung Weinsteins kritisch, gaben die meisten Filmrezensenten dem Produzenten in einem Punkt Recht: "Snowpiercer" ist kein hirnloser Actioner. Das Werk sei 'mitreißendes und überraschendes Action-Kino. Aber eben auch mehr', urteilt die Wochenzeitung
Die Zeit, 'ein wuchtiger Thriller und surreale Satire zugleich', schreibt der
Tagesspiegel. Zu dem künstlerischen Erfolg gesellt sich der kommerzielle. Trotz der vielen Hindernisse hat "Snowpiercer" die geschätzten 40 Millionen US-Dollar Produktionskosten innerhalb kürzester Zeit eingefahren. Ein schönes Beispiel dafür, dass sich Qualität manchmal eben doch gegen wirtschaftliches Kalkül durchzusetzen kann.